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IHM war gar nicht bewusst gewesen, dass er damals weit mehr als unser Motel zerstört hat - unsere Einnahmequelle, die geistige Gesundheit meiner Mama und damit auch meine Nerven. Wir vermissten unsere kleine Pension so sehr und die verkohlten Trümmer auf dem staubigen Boden brachten uns immer wieder an jenen Unglückstag zurück. Es tat weh zu sehen, wie von etwas selbstverständlichen so gut wie nichts mehr übrig geblieben ist. Wir hatten alles verloren, unser investiertes Geld und herzblut, unsere Leidenschaft, unseren Traum. ER hatte dafür gesorgt, dass alles nun in Schutt und Asche liegt. Noch heute sehe ich nachts manchmal in meinen Träumen die lodernden und gefräßigen Flammen in ihren leuchtenden Farben. Doch meine Mama hat es psychisch viel schlimmer erwischt - von diesem Trauma hat sie sich nie ganz erholt. Das Motel war ihr 2. zuhause gewesen, ihr Lebenswerk, das sie sich quasi mit eigenen Händen erschaffen hatte. Alles, was sie sich mühsam aufgebaut hatte, war ihr ein für alle mal entrissen worden. In ihr war seit jenem Tag etwas zerbrochen, etwas, das nie wieder heilte. Sie weinte tagein tagaus und ich hätte nie gedacht, dass ich mal so einen traurigen Menschen mit so verquollenem Gesicht und so dicken Tränensäcken sehen würde, und vor allem hätte ich nie gedacht, dass dieser Mensch meine Mama sein würde. Sie zog sich immer mehr in sich selbst zurück und begann Alkohol in unserem Haus zu Bunkern - doch diese Vorräte hielten nie lang an. Sie war immer drauf bedacht, dass ich von ihrer Sucht möglichst wenig mitbekam, versteckte die Flaschen und erfand seltsame Ausreden für ihre ständige Benommenheit. Sie ließ mich nicht mehr an sich heran, sperrte sich in ihrem Zimmer ein. Ich musste ihren Verfall Tag für Tag mitansehen, auch, wenn es mir mehr und mehr das Herz brach. Sie litt höllenqualen und kam mit ihrem Leben einfach nicht mehr zurecht, es gab nichts und niemanden, der dran etwas ändern könnte. Ihr Licht war erloschen - kalt und starr in der Dunkelheit. Kein glimmen mehr und schon gar kein leuchten, tot. Ich hätte Mama so gerne geholfen, aber nur ihre alkoholflaschen vernichten war eine Sisyphusarbeit und führte letztendlich zu gar nichts. Ich wurde ihrer Depression nicht her und nachts konnte ich oft nicht schlafen, weil ich sie weinen hörte. Wollte ich zu ihr ins Zimmer und sie trösten, wurde sie aggressiv und schickte mich weg. In ihren Augen war keine Liebe mehr, sondern nur Überdruss und leid. Mit unserem Motel was auch jede Freude und alles, was in ihrem Leben gut war von ihrer Bildfläche verschwunden. Ihr ganzes Leben war ein einziger Weg durch eine unendliche Dunkelheit geworden. Eine undurchdringbare Finsternis - die alles in ihrem Leben mit einer bleiernen Müdigkeit überdeckte, bis der Alkohol sie in eine kleine, trügerische Schwerelosigkeit entführte. Sie war gefangen in diesem Teufelskreis, ein Labyrinth aus dem es für sie keinen Ausweg gab. Außer diesem 1 licht am Ende des Tunnels, diesem Licht, was in den Tod führt. Eine letzte Sehnsucht, ein so kurzer Weg nur noch, ein letztes Mal. Einschlafen und nie wieder aufwachen.
Glaubt ihr Lydia hat ihre Mama doch noch irgendwie retten können bevor ihre sucht in den Tod geführt hat?
Über votes und Kommentare würde ich mich wie immer sehr freuen
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