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Ich hatte mich mit meinen Schergen im Wald getroffen, um die Lage zu besprechen - Thomas war noch am Leben, aber er wurde immer schwächer. Selbst meine Handlanger drängten drauf ihn freizulassen bevor er starb und sie haben ihm bereits ein paar Tropfen Wasser eingeflößt, sehr zu meinem Missfallen. Ich hatte mich nun auf einer kleinen, in Fels gehauenen Bank niedergelassen, direkt am Ufer des Sees und gegenüber jener Hütte in der wir Thomas gefangen hielten. Es war ganz still hier im Wald bis auf einige Jogger und Reiter. Meinen Arm hatte ich auf der geschwungenen, steinernen nackenlehne abgelegt - die Kälte des Felsens kroch unter meine Haut. Meine Blicke schweiften immer wieder zu jenem kleinen Teil der Hütte, der aus dem Dickicht hervor lugte und von hier zu sehen war, zumindest, wenn man wusste, dass hier ein Verschlag war und gezielt danach Ausschau hielt. In mir brodelte ein Kampf und die Frage, wie es jetzt weiter gehen sollte. Die Stille, klare Oberfläche des Sees auf der meine Augen nun ruhten, konnte mir hierauf leider auch keine Antwort geben. Am besten wäre es, wenn ich Thomas nie wieder frei ließ - zumindest nicht lebendig, dann würde ich Oliver am meisten brechen. Ach, wie schön würde es sein ihn vor seiner Leiche stehen zu sehen. Langsam erhob ich mich von meinem felsigen Sitz und machte ein paar Schritte auf den See vor mir zu. Ich sah auf die Weite des Wassers hinaus während sich der kleine Schlüssel der Hütte in meine Hand bohrte, ich hatte ihn mir zuvor von meinen Schergen aushändigen lassen und ihnen Hoffnung gemacht, dass ich Thomas eigenständig frei lassen würde. Ich öffnete meine Hand in der kleine Schlüssel lag - wie ein vögelchen, bereit zum Weg fliegen. Diese Momente brannten sich für immer in mein Gehirn ein, der Wald, der mich umgab, der Verschlag in dem Thomas langsam starb, der See mit seinem unendlichen tiefen Grund und der Schlüssel des Schicksals. Bilder, die mich noch lang verfolgen sollten, Bilder des Bösen. Schließlich schloss ich meine Hand wieder um den Schlüssel, um anschließend weit auszuholen und ihn in den See zu schleudern. Mit einem leisen platschen schlug er auf der Wasseroberfläche auf - nur, um dann Sekunden später immer tiefer hinab zu sinken. Mein Arm fiel schlaff neben meinem Körper zurück, es war vollbracht. Eine Weile brauchte die kleinen Wellen noch, die der Schlüssel im See geschlagen hatte noch, um zu verebben, dann war die Wasseroberfläche wieder genauso makellos wie zuvor. Ich drehte mich um und stapfte das letzte Stück über die Wiese zurück zum Pfad, der mich zum Gestüt führte. In meinem Kopf sah ich immer wieder den kleinen Schlüssel im Wasser versinken, immer und immer wieder. Ich war eine mörderin - und es war mir egal. Keine einzelne Träne verließ meine Augen, kein Wort der Reue meinen Mund. Würde ich mich noch in den Spiegel sehen können? Ja! Bald würde ich das Gehöft verlassen können, bald, wenn Thomas Leiche gefunden wird. Dann würde ich endlich in die Zukunft schauen können, jetzt, wo ich die alten Fehden meiner Vergangenheit beendet hatte.

Was sagt ihr zu Lydias Aktion?

Über votes und Kommentare würde ich mich wie immer sehr freuen

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