Freundschaftsdienste 🫂

Ollie
Monza

Es ist Freitagnachmittag, und ich sitze in der Haas-Garage, die Kopfhörer auf den Ohren. Der monotone, aber konzentrierte Ton des Ingenieurs neben mir erklärt gerade die Feinheiten von Nicos aktuellem Setup, während ich meinen Blick über die Bildschirme schweifen lasse. Die Telemetrie-Daten tanzen vor meinen Augen.

Der Lärm der Boxengasse ist wie eine Kulisse, die mich ablenkt und gleichzeitig beruhigt.

Es fühlt sich irgendwie surreal an, hier zu sitzen und über Setups zu sprechen, während ich weiß, dass mein Leben außerhalb dieser Garage gerade so chaotisch ist.

Plötzlich durchbricht ein Raunen die Luft... laut, spürbar, wie ein Sog, der alle Aufmerksamkeit auf sich zieht. Mein Blick schnellt zum Monitor.

Staub, überall Staub.

Eine riesige Wolke hängt über der Parabolica-Kurve. Ich erkenne die Szene sofort und spüre, wie mein Magen sich zusammenzieht. Mein Instinkt sagt mir sofort, dass es ein heftiger Einschlag war.

Es dauert nur einen Augenblick, bis die Kamera umschaltet und einen Boliden zeigt, der reglos in den Reifenstapeln steckt. Der Mercedes-Stern auf der Nase ist unverkennbar.

Aber wessen Auto ist es?

Ich starre auf den Bildschirm, als wäre mein Leben davon abhängig, die Antwort zu finden. Der Staub beginnt sich zu legen, und dann sehe ich den Namen eingeblendet.

Kimi.

Ich schlucke schwer. Um mich herum wird es hektisch. Die Ingenieure funken sofort die Haas-Fahrer an und warnen sie, in der Parabolica vorsichtig zu sein. Doch ich höre kaum zu.

Mein Blick bleibt auf dem Monitor, auf die Wiederholung gerichtet, die jetzt in einer Endlosschleife läuft. Der Moment, in dem das Heck ausbricht, die Kontrolle verloren geht, und der Mercedes mit voller Wucht in die Reifenstapel kracht, ich sehe es wieder und wieder.

Jedes Mal zieht sich mein Brustkorb ein wenig enger zusammen, denn von aussen fühlt es sich nochmal anders an, als wenn man selbst im Auto sitzt.

Ich weiß, dass er ausgestiegen ist. Ich habe es mit eigenen Augen gesehen. Kimi stand schon neben dem Wrack, die Hände in die Hüften gestützt, als die Streckenposten zu ihm kommen.

Aber trotzdem... das Bild von diesem Einschlag brennt sich in meinen Kopf.

Mein erster Impuls ist, aufzustehen und zur Mercedes-Garage zu gehen. Nach ihm zu sehen, sicherzustellen, dass er wirklich okay ist.

Aber ich bleibe sitzen.

Ich kann nicht einfach abhauen, nicht hier, nicht jetzt. Ich habe einen Job zu erledigen, auch wenn ich mich in diesem Moment wie alles andere als ein professioneller Rennfahrer fühle. Ich bin hier, um zu lernen, um mich auf nächstes Jahr vorzubereiten. Aber es fühlt sich falsch an, einfach hier zu sitzen, während einer meiner Freunde gerade aus einem zerstörten Auto geklettert ist.

Ich nehme die Kopfhörer ab und reibe mir über das Gesicht. „Alles okay?" fragt einer der Ingenieure, der mein Zögern bemerkt hat.

„Ja," murmele ich, obwohl das eine Lüge ist. „Alles gut."

Ich zwinge mich, den Blick von den Monitoren abzuwenden und wieder auf die Telemetrie zu schauen. Aber es fällt mir schwer, mich zu konzentrieren. Meine Gedanken wandern immer wieder zu Kimi. Ich weiß, dass er jetzt zum Medical Center gebracht wird, wie nach jedem größeren Einschlag. Und danach.. ich kenne das Prozedere.. wird er sich der Nachbesprechung stellen müssen, und die wird sicher alles andere als angenehm.

Kimi ist zäh, das weiß ich. Er ist der Typ, der lieber mit gebrochenen Rippen ins Auto steigt, als ein Training auszulassen. Aber das macht es nicht einfacher. Der Gedanke, dass er gerade allein durch diesen Mist geht, während ich hier sitze, fühlt sich... falsch an.

Doch ich bleibe sitzen. Ich zwinge mich dazu. Es gibt nichts, was ich jetzt tun könnte, außer ihm später zu schreiben. Ich würde Ihn ja spätestens zur Quali wieder sehen gleich..

___

Ich ziehe gerade meinen Rennanzug zu, als die Tür des Prema-Trucks aufgeht. Ohne auch nur ein Wort rutscht Kimi herein, seine Schultern hängen und seine Bewegungen wirken, als würde ihn jeder Schritt Kraft kosten.

Es ist ein komischer Anblick, ihn so zu sehen, normalerweise sprüht er vor Energie, vor allem, wenn man gerade aus einem Formel-1-Auto kommt. Heute aber... ich sehe es ihm sofort an. Er vermeidet meinen Blick, zieht sich wortlos um und scheint ganz in seinen eigenen Gedanken versunken zu sein.

Ich bleibe kurz stehen, beobachte ihn, während ich den Reißverschluss meines Anzugs hochziehe. Die Stille im Raum ist schwer, fast erdrückend. Es macht mich nervös, ihn so zu sehen. Kimi ist stark, einer derjenigen, die sich nie anmerken lassen, wenn etwas nicht stimmt.

Aber genau das macht es so offensichtlich, dass etwas nicht stimmt, wenn er so still ist.

Mein Instinkt setzt ein, bevor ich überhaupt darüber nachdenken kann. Vorsichtig gehe ich auf ihn zu und lege eine Hand auf seine Schulter. Er spannt sich einen Moment an, sieht mich dann aber endlich an.

Seine Augen sind müde, erschöpft. Ich habe das Gefühl, dass er nicht nur körperlich ausgepowert ist, sondern dass der Crash aus dem freien Training auch mental an ihm nagt.

Ohne ein Wort ziehe ich ihn ganz vorsichtig in eine Umarmung. Es fühlt sich richtig an, und ich spüre, wie er nach einem kurzen Zögern in die Umarmung hinein sinkt. Seine Schultern entspannen sich, und sein Atem wird ruhiger.

Wir sagen nichts, und das ist auch nicht nötig. Die Stille zwischen uns fühlt sich wie ein stilles Einverständnis an, er nimmt sich die Zeit, Kraft zu tanken, und ich bleibe einfach da, um ihm Halt zu geben.

Ich schließe für einen Moment die Augen und spüre, wie Kimi sich gegen mich lehnt. Mein eigener Atem geht flach. Es beruhigt mich, ihn hier so zu halten, auch wenn ich weiß, dass das, was ihn belastet, nicht einfach mit einer Umarmung verschwinden wird.

Aber es ist ein Anfang.

Nach einer Weile frage ich leise, ohne ihn loszulassen: „Bist du sicher, dass du in der Lage bist, die Quali zu fahren?"

Er hebt seinen Kopf leicht von meiner Brust und nickt. Es ist ein kleines, fast zaghaftes Nicken, aber es reicht, um mir zu zeigen, dass er nicht aufgeben wird.

Ich lächle leicht und sage dann: „Okay. Dann lass uns jetzt anziehen und den Anderen zeigen, was wir können."

Langsam lösen wir uns voneinander. Ich sehe, wie er sich wieder fängt, zumindest ein bisschen.

Die Erschöpfung in seinen Augen ist immer noch da, aber jetzt ist auch ein Hauch Entschlossenheit zu sehen.

Das beruhigt mich. Ich weiß, dass er das durchziehen wird.

___

Ollie
Samstag
Abend

Mit zwei Smoothies in der Hand stehe ich vor Kimi's Zimmertür und klopfe an. Es dauert länger, als ich erwartet habe, bis sich die Tür öffnet.

Ich weiß, dass Kimi wahrscheinlich durch den Crash gestern und die Ankündigung von Mercedes ziemlich durcheinander sein muss.

Als die Tür aufgeht und Kimi vor mir steht, sehe ich sofort, dass er erschöpft ist. Dunkle Schatten liegen unter seinen Augen, und seine Schultern hängen leicht nach unten. Doch er nickt mir zu und lässt mich eintreten, auch wenn seine Bewegungen fast mechanisch wirken.

„Hey", sagt er leise, während er die Tür hinter mir schließt. Seine Stimme ist kaum mehr als ein Flüstern, und ich frage mich, wie sehr ihm dieses Wochenende zugesetzt haben muss.

Ich stelle die Smoothies auf den kleinen Tisch in der Mitte des Zimmers und drehe mich zu ihm um. Irgendwie fühlt sich der Raum schwer an, als würde er all die unausgesprochenen Emotionen, den Druck und die Erschöpfung von Kimi in sich aufnehmen.

„Wolltest du nicht mit dem Team essen wegen deinem Sieg?" fragt er schließlich, seine Stimme neutral, fast emotionslos.

Ich hebe die Schultern und versuche, möglichst locker zu klingen. „Ja, eigentlich schon. Aber als René meinte, du hättest dich abgemeldet, hab ich mir eine Ausrede einfallen lassen." Ich grinse leicht, obwohl es sich nicht ganz echt anfühlt. „Hab gesagt, ich muss Marcus noch anrufen."

Kaum spreche ich Marcus' Namen aus, spüre ich, wie mein Magen sich zusammenzieht. Der Gedanke an ihn und alles, was gerade zwischen uns steht, sitzt mir wie ein Stein im Bauch.

Doch ich schiebe das Gefühl schnell beiseite. Das hier ist nicht der Moment, um über meine eigenen Probleme nachzudenken. Jetzt geht es um Kimi.

Kimi wirft sich mit einem kleinen Seufzen aufs Bett, und ich beobachte ihn, wie er da liegt, scheinbar verloren in seinen Gedanken. „Eigentlich dachte ich, du wärst in Feierlaune", sage ich und lasse meinen Blick über ihn gleiten. Er wirkt so müde, so erschöpft, dass ich mir unwillkürlich Sorgen mache. „Mercedes hat heute bekannt gegeben, dass du nächstes Jahr das Cockpit bekommst! Das ist doch mega!"

Für einen kurzen Moment sehe ich einen Funken in seinen Augen, als würde er sich an die Freude erinnern, die er heute eigentlich empfinden sollte. Doch er verblasst schnell wieder, und er wendet den Blick ab.

Ich setze mich neben ihn auf die Bettkante, mein Herz wird schwerer. Irgendetwas stimmt nicht, und ich wünschte, er würde einfach darüber reden.

Stattdessen reiche ich ihm den Smoothie. „Kiwi, oder?" frage ich und versuche, leicht zu klingen. „Hab mir gedacht, das magst du. Und im Smoothie schmeckt eh alles besser. Außerdem können wir so anstoßen..auf uns beide. Wir leben nächstes Jahr beide unseren Traum in der Formel 1."

Er nimmt den Smoothie, und obwohl sein Lächeln ehrlich ist, wirkt es gedämpft, wie ein Licht, das nicht mehr ganz so hell strahlt.

„Danke", sagt er leise. Es ist nur ein einziges Wort, aber ich höre die Schwere darin.

Es ist ein Dank für den Smoothie, ja, aber auch für meine Anwesenheit, für das, dass ich jetzt hier bin.

Eine Weile sitzen wir schweigend nebeneinander. Die Stille ist dicht, aber sie fühlt sich nicht unangenehm an. Es ist eher so, als ob Worte gerade nicht ausreichen würden.

Irgendwann bricht Kimi die Ruhe. „Ich glaub, ich schau die nächsten Tage besser nicht in mein Handy."

Ich ziehe eine Augenbraue hoch und spüre, wie ein Anflug von Wut in mir aufsteigt. „Wegen der ganzen Idioten im Internet, die wieder ihren Senf abgeben müssen?"

Er nickt, und ich merke, wie sich mein Kiefer anspannt. Es macht mich wütend, dass Menschen, die ihn nicht einmal kennen, sich das Recht herausnehmen, ihn zu verurteilen. Vor allem jetzt, wo er es endlich geschafft hat, seinen Traum zu verwirklichen.

Ich stelle meinen Smoothie zur Seite und öffne die Arme. „Komm her."

Kimi zögert keinen Moment. Er lehnt sich in die Umarmung, und ich spüre, wie er sich langsam in meinen Armen entspannt. Meine Brust wird schwer vor Mitgefühl. Ich weiß, wie hart dieses Geschäft ist. Wie es dich auslaugen kann, selbst an den Tagen, an denen alles perfekt scheint.

Instinktiv lasse ich meine Hand durch sein Haar gleiten.

Es ist weich, aber irgendwie auch ungezähmt, wie Kimi selbst.

Während ich durch die dunklen Strähnen streiche, spüre ich, wie er immer ruhiger wird, sein Atem sich verlangsamt.

Ich schließe für einen Moment die Augen und atme tief durch. Ich wollte ihn aufmuntern, ihm Mut machen, aber jetzt merke ich, wie viel mir dieser Moment selbst bedeutet. Es fühlt sich gut an, für ihn da zu sein, ihm etwas von der Last zu nehmen, die er offensichtlich mit sich trägt.

„Wenn die Idioten irgendwas sagen, ignorier sie einfach", sage ich schließlich leise. „Du hast dir dieses Cockpit verdient, und das weißt du."

Er hebt den Kopf leicht und sieht mich mit einem kleinen, fast schüchternen Lächeln an. „Du bist echt der Beste, Ollie."

Ich grinse und versuche, die Stimmung ein wenig aufzuhellen. „Weiß ich doch."

Wir lachen leise, und für einen Moment fühlt sich alles ein bisschen leichter an.

Ende Kapitel 5

Hey Ihr Lieben, wir sind schon wieder am Ende des Kapitels und lassen damit schon Monza hinter uns 🙈

Ich hoffe es hat euch gefallen und wie immer bin ich auf eure Meinung gespannt❣️

Vielen Dank für eure Views, Votes und Kommentare

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