Chapter 9

Ich atmete tief ein und wieder aus, brauchte noch einen Moment für mich, bis ich mir zum ersten Mal selbst eingestand, was ich fühlte. Ich schloss meine Augen und nickte langsam. Jetzt war es raus. Ich hatte mich in meine beste Freundin verliebt, die meine Gefühle wohl nie erwidern würde und zudem gerade noch in einer Beziehung steckte.

„Ja, das tue ich. Aber diese Gefühle darf ich nicht haben. Lena ist meine beste Freundin. Ihr geht es in der ganzen Situation mit Max nicht gut und sie braucht mich jetzt als besten Freund. Da kann ich mich doch nicht in sie verlieben. Das geht nicht. Ich könnte mich dafür ohrfeigen. Wenn ich mich nicht zurück halten kann, mache ich alles kaputt", sprach ich es nun auch laut aus. Die Verzweiflung in meiner Stimme wurde zum Ende hin immer deutlicher.

Zum ersten Mal schaute ich Paddy nun zögerlich in die Augen. Ich hatte Angst vor seiner Reaktion. Angst davor, dass er mich auslachen oder meine Gefühle nicht ernst nehmen würde. Sein Blick zeigte mir aber sofort, dass meine Sorgen unbegründet waren. Er schaute mich mitfühlend an und nickte schließlich wissend.
„Ich versteh dich, aber du kannst nichts für deine Gefühle. Das passiert alles, ohne dass du auch nur den kleinsten Einfluss darauf haben kannst. Gib dir nicht die Schuld dafür, dass du Gefühle hast. Das ist menschlich", meinte Paddy dann.

„Das weiß ich ja, aber wieso muss es genau jetzt passieren? Warum kann ich mich nicht mehr beherrschen, wenn sie in meiner Nähe ist?", fragte ich verzweifelt, nahm den letzten Schluck Bier und stellte die Flasche auf dem Boden ab. Meinen Kopf stützte ich nun auf meine Hände und massierte leicht meinen Schläfen.

Paddy sagte dazu nichts, sondern schaute mich nur durchdringend an. Seine Miene war nicht zu durchschauen. Nach einigen Minuten Stille, fasste ich einen Entschluss: „Das geht so nicht mehr. Ich muss mich einfach irgendwie zurückhalten können und darf mich nicht mehr von meinen Gefühlen leiten lassen. Eine andere Option gibt es nicht."

„Das tut dir doch auf Dauer auch nicht gut. Du kannst dich nicht immer hinten anstellen, nur damit es anderen Leuten besser geht. Und woher willst du überhaupt wissen, dass Lena nicht das gleiche für dich fühlt?", entgegnete Paddy scharf. Es war kaum zu überhören, dass er meinen Entschluss nicht für gut befand.

„Sie hat immer noch Max. Auch wenn diese Beziehung nicht mehr lange bestehen wird, liebt sie ihn noch. Das hat sie mir oft genug gesagt. Weißt du, wie oft sie in den letzten Monaten weinend vor meiner Tür gestanden hat, weil er sie wie den letzten Dreck behandelt hat oder weil sich die beiden wieder gestritten haben? Ich bin für sie eben nur der beste Freund, bei dem sie immer Trost findet. Mehr aber auch nicht. Und das ist in Ordnung so. Damit muss ich klar kommen", erwiderte ich resigniert und hob meine leere Flasche von Boden auf.

„Ich will nicht weiter drüber reden, Paddy. Aber ich danke dir, dass du mir zugehört hast. Ich geh jetzt schlafen. Gute Nacht", sagte ich schnell, bevor er etwas dagegen sagen konnte. Ich schlug ihm noch einmal freundschaftlich auf die Schulter und lächelte ihn dankbar, aber dennoch traurig an, ehe ich die Tür aufschob und mich ins Innere des Hauses bewegte.
Seufzend stellte ich die Bierflasche auf dem Tisch ab und ging langsam die Stufen zu meinem Zimmer hoch.

Ich hatte es eigentlich schon länger gewusst, aber es auszusprechen, war doch noch mal ein bedeutender Schritt. Ob nach vorne oder nach hinten, wusste ich nicht. Auch wenn Paddy meine Ansicht nicht teilte, nahm ich mir vor, wenigstens zu versuchen, meine Gefühle zu verdrängen. Ich erhoffte mir davon, dass es sich nur um eine Phase handelt, die dann auch wieder vorbei gehen würde.

Ich hatte mein Zimmer fast erreicht, als ich ein leises Schluchzen hörte. Sofort blieb ich stehen und lauschte, aus welcher Richtung es kam. Ich verlangsamte meine Atmung und schon hörte ich ein zartes Schniefen, das die Stille durchbrach.
Auf Zehenspitzen folgte ich dem Geräusch und blieb schließlich vor einer Tür stehen, an der man nun deutlich hören könnte, dass jemand hinter ihr weinte. Da ich so konzentriert war, dem Geräusch zu folgen, hatte ich nicht darauf geachtet, wo dieses mich hin führte.

Ich drehte meinen Kopf kurz von der einen in die andere Richtung, um mich zu orientieren. Und da stellte ich mehr oder weniger überrascht fest, dass ich mich nun vor Lenas Tür befand.
Als mir bewusst wurde, dass Lena da in ihrem Zimmer weinte und es ihr allem Anschein nach schlecht ging, zog sich alles in mir zusammen und ein unangenehmes Gefühl breitete sich in meinem Körper aus.

Kurz überlegte ich, was ich nun tun sollte. Sollte ich einfach wie geplant in mein Zimmer gehen und Lena alleine lassen? Sie würde bestimmt zu mir kommen, wenn sie mich brauchte. Nur Sekunden nachdem ich diesen Gedanken gefasst hatte, hätte ich mir mit der flachen Hand gegen die Stirn schlagen können. Natürlich würde sie nicht zu mir kommen. Erstens dachte sie wahrscheinlich, dass ich schon schlafen würde, und zweitens war sie wahrscheinlich noch ziemlich verwirrt von allem, was da gestern Abend zwischen uns abgelaufen war. Ich konnte es ihr nicht verübeln.

Ich hatte mir zwar vorgenommen, meine Gefühle für Lena zu unterdrücken, das bedeutete jedoch nicht, dass ich sie in ihrer Situation alleine lassen würde. Ich würde weiterhin für sie da sein, das war ich ihr als guter Freund schuldig.
Zögernd hob ich meine Hand und klopfte leise an, ehe ich die Tür öffnete und mich in ihr Zimmer schob.

Es war so dunkel, dass man fast nichts sehen konnte. Doch auf dem Bett lag Lenas Handy, dessen Bildschirm leuchtete und den Raum somit in ein künstliches Licht tauchte. Ich erkannte Lena, die zusammen gerollt neben dem Handy auf ihrem Bett lag. Ihr Körper bebte unregelmäßig und immer wieder war ein Schluchzen zu hören. Sie weinte und hatte mich noch nicht bemerkt. Dieser Anblick versetzte mir einen Stich und ich ging langsam auf sie zu.

Zögernd setzte ich mich auf die Bettkante und streckte meine Hand nach ihr aus, die ich schließlich auf ihrer Schulter ablegte. Lena erschrak kurz unter meiner Berührung und hob ihren Kopf. Als ich in ihre verweinten Augen sah, konnte ich nicht anders, als mich komplett aufs Bett zu setzen und meine Arme einladend zu öffnen, in die sie sich sofort fallen ließ.
Ich lehnte meinen Rücken gegen das Kopfteil des Bettes und zog Lena fester in meine Arme. Sie klammerte sich an mir fest und legte ihren Kopf gegen meine Brust. Ich spürte, wie mein Oberteil von ihren Tränen durchnässt wird, was mich aber im Moment weniger interessierte.
„Alles gut, ich bin bei dir", flüsterte ich sanft. Beruhigend strich ich ihr über den Rücken und stellte nach einer Weile erleichtert fest, dass sich ihre Atmung wieder normalisierte und das Schluchzen weniger wurde.

„Was ist los?", fragte ich sie schließlich, strich ihr aber weiterhin über den Rücken.
Lena löste sich etwas aus meinen Armen und griff zitternd nach ihrem Handy, welches sie mir schnell in die Hand schob, ehe sie sich wieder an mich drückte. Ihr Bildschirm war nach wie vor entsperrt und auf den ersten Blick erkannte ich einen Nachrichtenverlauf. Sie hatte Nachrichten erhalten und zwar eine Menge, hatte jedoch auf keine geantwortet. Als ich den Namen sah, der ihr die ganzen Nachrichten geschickt hatte, konnte ich nur genervt seufzen und verdrehte die Augen. Max.

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