Chapter 10
Augenrollend hielt ich Lenas Handy in meiner Hand und suchte nach der ersten Nachricht, die sie heute von Max erhalten hatte, um mir diese chronologisch durchzulesen.
„Schatz, es tut mir leid. Bitte sei nicht mehr sauer auf mich. Ich weiß, dass ich das nicht hätte sagen sollen. Vor allem nicht am Telefon. Ich mach's wieder gut. Versprochen. Ich liebe dich doch über alles. Und das werde ich dir beweisen."
Ich ratterte jede einzelne Nachricht emotionslos runter, wobei meine Stimme mit jedem Wort ungläubiger und skeptischer klang.
Mit jedem Wort, das ich laut vorlas, verengten sich meine Augen enger zu Schlitzen, bis ich am Ende angelangt, das Handy mit einem abwertenden Auflachen wieder zurück an Lena gab. Es hatte kaum ihre Hand berührt, da schleuderte sie es schon ans andere Ende des Bettes und vergrub ihr Gesicht erneut in meiner Brust. Ich spürte, dass sie meine Nähe in diesem Moment brauchte und wollte für sie da sein. Meine Arme zogen sie näher an mich, als ich bemerkten, wie sie erneut anfing zu weinen. Ich hauchte ihr einen Kuss auf den Scheitel, in der Hoffnung, dass ich sie wieder beruhigen konnte.
Ich hatte Lena schon oft getröstet, vor allem in letzter Zeit. Es war dieses Mal aber trotzdem irgendwie anders. Meine Wut auf Max stieg mit jeder Träne, die ihre Augen verließ, immens an. Jedoch schmerzte auch mein Herz mit jedem ihrer Schluchzer ein Stück mehr.
Nichtsdestotrotz genoss es auch ein kleiner Teil in mir, sie so nah bei mir zu haben und in den Armen halten zu können. Wie sehr wünschte ich, dass ich dies unter anderen Umständen und mit einer glücklichen Lena ebenfalls tun könnte. Sogleich verfluchte ich meine Gedanken und mein klopfendes Herz, das bei dieser Vorstellung einiges an Tempo zugelegt hatte. So viel zum Thema Gefühle verdrängen. Das funktionierte ja super.
Ich schob meine Gedanken weit weg und konzentrierte mich wieder auf die Realität.
„Er ist ein Idiot. Wie oft hast du dir das schon angehört und wie oft hast du ihm dann verziehen, bis sich genau das gleiche Drama ein paar Tage später erneut abgespielt hat?", fragte ich ironisch und strich Lena sanft über den Rücken.
„Ich weiß doch. Es tut nur so weh, dass sich anscheinend nichts ändert und dass er das Problem nicht erkennt", schniefte Lena leise und löste sich ein Stück von mir.
„Die ganzen Nachrichten und die Tatsache, dass er sagt, dass er mich über alles liebt, ändern nichts an meiner Entscheidung, weißt du? Ich werde mich trotzdem von ihm trennen. Ich fühle diese Liebe nicht mehr. Nicht mehr so wie früher. Das ist mir klar geworden. Wir haben uns zu sehr verändert und voneinander entfernt. Und dann noch seine Eifersucht. Es geht einfach nicht mehr. Ich dachte nur immer, dass er meine große Liebe ist und dass das, was wir haben oder eher gesagt hatten, für die Ewigkeit ist. Das macht mich traurig", setzte sie ehrlich hinterher.
Lena weinte nicht mehr. Sie hatte ihren Kopf auf meiner Schulter abgelegt und sprach diese Worte klar und nüchtern aus. Ich war erleichtert, dass sie standhaft blieb und nicht auf Max Nachrichten antwortete.
Ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte und hatte auch nicht das Gefühl, dass sie eine Antwort von mir erwartete, weshalb ich still blieb und nur zustimmend nickte.
„Ich will nicht mehr über ihn nachdenken. Lass uns das Thema wechseln. Wie fandest du deinen Abend?", sagte sie dann und versuchte ein leichtest Lächeln.
„Wunderschön", antwortete ich ihr grinsend, „Ich hätte niemals damit gerechnet, dass einen das so packt und mitnimmt. Das ist echt krass, was jeder hier für ein Talent hat und wie emotional alles ist."
„Das hat man dir angesehen. Du hast so glücklich und sorglos gewirkt", erwiderte Lena, „Ich fand's auch richtig schön. Es ist echt unglaublich, mit jedem einzelnen hier sitzen zu können. Ich hab das Gefühl, dass man von jedem verstanden wird, weil wir alle die gleiche Sprache sprechen."
Damit traf sie den Nagel auf den Kopf. Die Atmosphäre in unserer Truppe war einfach nur unfassbar und jeder einzelnen trug seinen Teil dazu bei. Wir harmonierten so gut zusammen und waren jetzt schon alle mehr als nur Kollegen.
„Da hast du recht. Dieses Projekt ist echt was besonderes. Freu dich auf deinen Abend. Das wird sehr intensiv. Aber kann ich dich mal was fragen?"
Mein Blick wurde fragend und Lena, die nach wie vor an meiner Schulter lehnte, hob ihren Kopf leicht an und blickte mir nickend entgegen.
„Wieso hast du dir wirklich ‚Natalie' als Song ausgesucht. Ich meine ja, das was du über die Geschwisterliebe gesagt hast, stimmt, aber das war doch nicht der Grund oder?"
An ihrer Reaktion erkannte ich, dass wirklich mehr dahinter steckte. Lenas Mundwinkel zogen sich nach oben und endlich konnte ich wieder ein ehrliches Grinsen auf ihrem Gesicht erkennen.
„Du kennst mich zu gut, Forster", stellte sie lachend fest, ehe sie ernst fortfuhr: „Ich hatte einfach das Verlangen, dir was zurück zugeben. Du warst gerade in letzter Zeit immer für mich da und ich wollte mich so bei dir bedanken. Ich weiß doch, wie viel der Song und vor allem Natalie selbst dir bedeuten, also hab ich mich für den Song entschieden, der dir am nächsten ist und der eine emotionale und persönliche Bedeutung für dich hat. Und du weißt gar nicht, was für eine Angst ich hatte, heute vor dir zu singen. Ich wollte, dass es perfekt wird, dafür habe ich lang genug im Studio dran gesessen."
Bei ihren Worten wurde es mir wieder warm ums Herz und ich konnte nicht anders, als sie mit meinem Arm, der um ihren zarten Körper lag, näher an mich zu ziehen. Dass Lena so nervös gewesen war und mir mit dem Song, in den sie so viel Arbeit gesteckt hatte, danken wollte, machte mich leicht verlegen und ich spürte, wie meine Wangen sich rötlich färbten. Zum Glück war es dunkel.
„Du weißt, dass du dich nicht bei dir bedanken musst. Aber es war echt richtig schön. Hat mir sehr gut gefallen. Und ich weiß auch, dass Natalie ihn lieben wird. Vielleicht kommst du mich auf meiner nächsten Tour besuchen und dann singen wir den Song mal zusammen", entgegnete ich und streichelte ihr sanft über den Rücken, was sie wohlig seufzen ließ.
„Können wir gerne machen. Ich freu mich drauf", nahm sie mein Angebot an, was mich sehr freute. Mit Lena zusammen zu singen, war immer wieder ein magischer Moment und einfach wunderschön.
Als ihr schließlich ein Gähnen entwich, musste ich leicht schmunzeln: „Du bist müde und solltest noch ein bisschen schlafen. Morgen steht zwar nichts wichtiges an, aber genug Schlaf ist trotzdem wichtig."
Ich wollte gerade aufstehen, als Lenas Hand sich in meine schob, nach ihr griff, und mich somit an meinem Plan, ihr Bett zu verlassen, hinderte.
„Kannst du noch bei mir bleiben? Nur bis ich eingeschlafen bin?", fragte sie etwas schüchtern und ihre Augen funkelten mir in der Dunkelheit flehend entgegen.
Ich konnte mir gut vorstellen, dass sie jetzt nicht alleine sein wollte, aber sollte ich das wirklich tun? Die Angst, erneut die Kontrolle zu verlieren, lähmte mich und ließ mich zögern.
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