#CreativeWritingOktober19

"Kommst du auch zu meinem Geburtstag? Ich würde mich wirklich freuen, wenn du dabei wärst, bist du doch seit Jahren meine beste Freundin." Lachend schlägt mir das großgewachsene Mädchen auf den Rücken. Sofort stimme ich mit ein. "Was ist das denn für eine Frage? Natürlich werde ich da sein." Lächelnd stehe ich auf. "Du solltest auch besser nach Hause. Es ist bereits dunkel. Oder soll ich dich noch begleiten?"

Die Jüngere winkt ab. "Quatsch mit Soße, ich bin doch ab Morgen schon 18 Jahre alt. Und ich bitte dich, was soll mir denn schon passieren?" Ich zucke nur mit den Schultern. "Schreib mir dann aber, sobald du zu Hause bist. Du weißt doch, dass ich mir immer Sorgen mache. " Schmunzelnd verlassen wir die leere Bushaltestelle und trennen uns an der hell erleuchten Kreuzung. Während ich weiter der Hauptstraße folge, höre ich hinter mir lauter werdende Schritte. Kaum merklich beschleunige ich mein Tempo. Auch diesmal werden die Schritte schneller und lauter. Kaum biege ich um die nächste Ecke beginne ich zu rennen. Mit rasendem Herzen spurte ich über die dunkle Seitenstraße und komme schneller als sonst an meiner Haustür an. Wie wild stochere ich mit dem Schlüssel im Schloss, während mir das Bund immer wieder aus meinen schwitzigen Fingern zu rutschen droht. Sofort als das Schloss klackend öffnet, drücke ich mich durch den Spalt in den finsteren Flur, und schlage die Tür hinter mir zu. Ein Schlürfen ertönt am anderen Ende des Ganges, was mich aufsehen lässt.

Wie immer, wenn ich so spät noch unterwegs war, steht meine Mutter in ihrer Decke eingemurmelt und nur mit Schlappen bekleidet in der Wohnzimmertür. Im Hintergrund höre ich die leise Stimme des Nachrichten-Heinis, welche meine Muttter sicherlich gleich in den Schlaf gewiegt hätte. Diese kann nämlich auf Knopfdruck einschlafen, sobald sie ihre Augen schließt.

Müde schäle ich mich aus meinen Jacken, und werfe diese achtlos über den nächsten Stuhl. Gleichzeitig greife ich nach einer bereits angefangenen Flasche Saft, welche auf dem Tisch steht. Schweigend setze ich mich auf das Ledersofa. Dieses war vor 10 Jahren mal grell rot, doch mittlerweile erinnert mich die Farbe eher an ein Rot, welches man mit reichlich braun aufgemischt hat. Genanntes Sofa ist genau so alt wie alles in dieser Wohnung. Vielleicht nicht das älteste, aber auch nicht das jüngste. Der Kühlschrank zum Beispiel ist bereits 13 Jahre alt, was wohl das dauerhafte Brummen erklären würde. Der Lack blättert an vielen Stellen ab, und lässt so vermuten, dass wir uns bald einen neuen kaufen müssen.

Zwar weiß ich nicht, welches Geld wir nehmen sollen, aber irgendwas wird uns schon einfallen. Da bin ich mir ganz sicher. Meine Mutter sagt immer, dass das Leben auch für mich noch gute Ereignisse bereit hält. Manchmal kann ich ihr das nicht glauben, doch ich weiß, dass sie das immer sagt, um mich aufzuheitern. Die Erwachsene lehnt vorsichtig ihren Kopf gegen meine Schulter, und schläft fast augenblicklich ein. Noch lange sitze ich genau in dieser Position, und lasse mir alles durch den Kopf gehen.

Eigentlich lebt meine Mutter nur so schlecht, weil ich geboren wurde. Als sie mit mir schwanger war, hat mein Vater sie verlassen, weil er noch nicht so weit war. Ach eigentlich ist das egal, denn solange Mama bei mir ist, habe ich alles, was ich brauche.

Vorsichtig lege ich sie auf der Couch ab, und laufe dann in mein Zimmer. Es ist klein, doch bin ich froh, dass wir uns überhaupt ein kleines bisschen Privatsphäre gönnen können. Direkt neben der Tür steht mein Bett, und vorne am Fenster befindet sich ein winziges Tischlein, an dem ich Hausaufgaben machen kann. Dort liegt auch ein Foto von meiner Mutter und mir, sowie ein Umschlag mit Geld, welches ich von meinem Ersparnissen zurückgelegt habe. Seufzend lasse ich mich in mein Bett fallen, und starre noch eine Weile an die Decke, bevor auch ich meine Augen schließe und letztlich einschlafe.

Erst das Splittern von Glas reißt mich aus meiner Ruhephase. Erschrocken fahre ich in die Höhe und stelle fest, dass mein gesamtes Zimmer mit Rauch gefüllt ist. Erstarrt lasse ich meinen Blick zum Fenster gleiten, wo ich den Strahl einer Taschenlampe ausmache. "Wir sind von der Feuerwehr, Ihre Wohnung steht in Flammen. Antworten Sie, falls Sie mich hören können!" Schon nach wenigen Sekunden sind meine Augen von Qualm gereizt und auch atmen kann ich kaum. "Ich bin..." Ein Hustenanfall stoppt mich, weshalb ich mich auf die Beine Quäle, und zum Fenster stolpere. "Meine...Mutter... Sie müssen sie retten. " Wie schon einige Stunen zuvor schlägt mein Herz schneller als gesund. Kaum bin ich am Tisch angekommen, werde ich am Arm gepackt. "Wir tun unser Bestes, Ihre Mutter zu retten. Können Sie auf den Tisch klettern?" Ich nicke kaum gegenwärtig und greife im selben Moment nach dem Bild und dem Umschlag. Dann springe ich meinem Retter entgegen, welcher mich auffängt. Kaum bin ich draußen, dringt die kühle Nachtluft in meine Lungen. Mit diesem Gefühl nach Leben steigt in mir aber auch die Hysterie. "Meine Mutter schläft, Sie müssen sie retten. Sie hat einen festen Schlaf. Sie wird sterben!" Der Mann nickt. "Gehen Sie dort zum Rettungswagen, wir werden unser Bestes geben" Schweigend nicke ich, schaffe es aber nicht, weit zu laufen. Im nächsten Augenblick brechen meine Beine unter mir weg, und alles wird dunkel.

Stunden scheinen zu vergehen. Unendlich lange Stunden, in denen ich in der Schwärze gefangen bin. Wie durch Watte dringen Stimmen zu mir durch. "Sei nicht traurig Mia, auch wenn dein Vater dich nicht wollte, so gibt es dennoch eine Person, die dich mehr liebt als alles andere und das bin ich. Es wird kein Tag vergehen, an dem ich nicht an dich denke." Lächelnd lasse ich mich tiefer in die Ohnmacht gleiten. Wie konnte ich nur denken, dass ich alleine wäre? Mama war immer bei mir, sowohl in guten Zeiten, als auch in solchen der Trauer.

Ein Piepsen reißt mich aus meinen Gedanken. Was ist das?

Müde schlage ich meine Augen auf, und betrachte über mir die komplett weiß gestrichene Decke. Verwirrt sehe ich mich um, bevor sich eine düstere Erinnerung in meinem Kopf einnistet. Geschockt erblicke ich an meinem Arm einen dünnen Schlauch, welcher zu einem Beutel mit einer durchsichtigen Flüssigkeit führt. Tränen sickern aus meinen zusammengepressten Augenlidern, während sich meine Finger verkrampfen. Aus dem Augenwinkel sehe ich auf dem Nachttisch das Bild, welches ich noch in letzter Sekunde retten konnte. Als ich danach greife, reiße ich mir versehentlich eines der Kabel ab, welches auf höhe meines Herzens klebte . Keine zwei Minuten später wird die Tür aufgerissen, und zwei Ärztinnen stürmen hinein. Dann jedoch erblicken sie mich, und bleiben stehen. Überrascht sehen sie mich an, bevor eine zu lächeln beginnt. "Wie schön, du bist endlich wach. Wir hatten schon Sorge dass du sterben würdest." Ich nicke. "Wo ist meine Mutter? Wie geht es ihr?" Die Frau, welche bis eben noch gelächelt hat, blickt nun traurig drein. "Es tut mir leid, das sagen zu müssen. Sie hat es leider nicht geschafft. " Sofort entgleisen mir meine Gesichtszüge. Nur im Unterbewusstsein merke ich, wie sich die zwei Fremden zurückziehen.

Meine Mutter ist tot? Das kann ich nicht glauben. Sie war doch immer bei mir, und hat mir versprochen, mich nie zu verlassen. Wie soll ich ohne sie weiter machen? Wie kann ich so leben? Meine heißen Tränen tropfen lautlos auf die verrutschte Bettdecke, und sickern dort ein. Erneut versinke ich in meinen Tagträumen. Eigentlich hält mich jetzt nichts in dieser Welt. Mein einziger Halt,meine Stütze ist weg. Ohne Mama hat das hier keinen Sinn. Als es Klopft, sehe ich auf, gebe aber keine Antwort. Es dauert ein wenig, bis sich die Tür dann öffnet. Stumm schaue ich dort hin, und bin sofort wieder verwirrt. Dort am Eingang steht ein Mädchen, welches ich am wenigsten erwartet hätte. Normalerweise hat sie mich immer ignoriert. Ob nun in der Schule, oder unterwegs, wenn ich sie angesprochenen habe, schien sich Elaine nie für mich zu interessieren. Jetzt aber steht sie hier in meinem Krankenhauszimmer. In ihrer Hand hält sie einen kleinen Blumentopf. "Mia, du bist wach." erneut nicke ich. "Ja, aber darf ich dich etwas fragen?" Sie bejaht dies und schließt die Tür hinter sich. Als das Mädchen den Topf abstellt, beginne ich zu sprechen. "Ich dachte, dass du mich nicht leiden kannst. " Sie seufzt und schaut schuldbewusst auf den Boden. "Wenn ich dir den Grund sage, dann wirst du mir nicht glauben, und mich hassen. " Leicht lege ich den Kopf schief. "Ich habe meine Mutter verloren. Glaubst du, dass mich da noch irgendwas schocken kann?" Sie zuckt mit den Schultern, und drückt auf ihrem Smartphone rum. Dann reicht sie es mir, und dreht sich weg. Nachdenklich sehe ich drauf. Wenig später beginne ich zu lachen, doch es ist kein fröhliches. "Ich kann es einfach nicht glauben, dass Anna zu so etwas in der Lage ist. Aber ich glaube dir. Das ist eindeutig ihre Handschrift, und ihre Art zu schreiben. Ich dachte immer, dass sie meine beste Freundin wäre. " Traurig dreht sich Elaine wieder zu mir. "Weißt du noch, als ich damals so lange gefehlt habe? In dieser Zeit war ich im Krankenhaus, weil eine Gruppe Verrückter auf meine Familie und mich eingestochen hat. Ich war die einzige die überlebt hat. Anna hat das irgendwie herausgefunden, und hat mir gedroht, allen eine abgeänderte Version zu erzählen. Sie wollte euch sagen, dass ich meine Familie umgebracht hätte. " Schweigend höre ich ihr zu und nicke dann. "Damals hat mir mal jemand eine ähnliche Situation geschildert, doch ich habe dieser Person keinen Glauben geschenkt, sondern nur Anna beschützt. Hätte ich doch nur mehr Vertrauen in sie gehabt."

Elaine setzt sich vorsichtig auf meine Bettkante, und nimmt mich in den Arm.

Zitat:" Menschen sind wie Bücher. Manche täuschen dich mit dem Umschlag und andere überraschen dich dann mit dem Inhalt."

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