PART TWENTYTHREE
>HILFE<
30/12/2017 - 13:11 Uhr
Meine einzige Chance war nur noch Jonathan, der mir zu Hilfe kam. Wir nahmen sein Auto. Es war eine stille Fahrt, gesprochen wurde wenig, nachdem ich ihm von allem berichtet hatte.
Jonathan fuhr und blickte immer wieder zu mir hinüber, derweil ich unruhig auf dem Beifahrersitz hockte und nervös die Fingerknochen knetete.
Vor lauter Aufregung hatte ich diesen Doktor Kellerman total vergessen. Doch ich hatte genug andere Sorgen.
»Fahr noch ein Stück weiter.«, sagte ich, als wir vor dem Verlag ankamen.
»Warum?«, fragte Jonathan. »Das ist doch hier oder?«
»Fahr einfach noch ein Stück und park da vorn um die Ecke.«
»Erst, wenn du mir sagst, warum.«, erwiderte er.
»Ich will sehen, ob die zwei noch hinter mir her sind.«, Jonathan seufzte, tat aber trotzdem, was ich verlangte.
»Okay, ich glaube die Luft ist rein. Wir können aussteigen.«
Als ich einen Schritt wagte, packte mein Freund meinen Arm und hielt mich auf.
»Ich halt das nicht mehr aus, Alexia.«, meinte er dann und ich zog verwirrt die Augenbrauen zusammen.
»Was nicht aus?«
»So zu tun, als würde es einen Otis geben, verdammt. Wirklich, ich hab da nur mitgemacht, weil ich dachte, dass würde alles wegen deiner Trauer um Wesley sein, aber mittlerweile hab ich eingesehen, dass das nur pure Einbildung ist. Du musst das stoppen!«
Mit eine Mal fuhren alle meine Emotionen runter, sodass ich am Ende nur noch unendliche Leere verspürte.
Ich fühlte, wie mein linkes Auge zuckte und schüttelte den Kopf, um mich nicht von seinen Worten beirren zu lassen.
»Von welchem Teller hast du dann in der Kunstaustellung gegessen?«, fragte ich bloß.
Sein Blick wechselte von besorgt zu irritiert.
»Wovon redest du? Ich habe an diesem Abend nichts gegessen.«, er trat einen Schritt auf mich zu und packte sanft meine Schultern. »Bitte, Alexia. Du brauchst schlaf und eine Auszeit.«
Ich ignorierte ihn und zückte den Schlüssel für die Verlagstür.
»Hier ist es.«, gab ich nur zurück und lief auf das Gebäude zu, dicht gefolgt von Jonathan. »Gleich wirst du selbst sehen, ob ich mir das einbilde oder nicht.«
»Da ist aber kein Schild dran.«, merkte Jonathan an.
Das war mir bisher nicht aufgefallen, aber es stimmte. Das Schild »Young and Young - Verlag« war verschwunden.
»Vorhin war es noch da.«, stammelte ich.
Ich versuchte aufzuschließen, doch mir gelang es nicht. Schloss und Schlüssel passten nicht zusammen.
»Warte, ich habs gleich.« murmelte ich und probierte weitere Schlüssel durch.
Ohne Erfolg.
»Das kann nicht sein. Ich bin doch nicht verrückt.«
»Alexia, das macht alles keinen Sinn. Sieh es ein. Wir fahren in die Klinik.«, Jonathan legte mir den Arm um die Schulter.
Ich schlug ihn weg und hämmerte mit der flachen Hand auf den oberen Teil des Klingelbretts. Kurz darauf ertönte der Summer und ich drückte die Tür auf.
»Das werden wir sehen.«
Weiter oben öffnete sich die Tür und ich rief laut »REKLAME!« und die Tür schloss sich wieder.
Kurz darauf standen Jonathan und ich vor den Glasscheiben zu Paul's Büro und welch eine Überraschung - dort passten meine Schlüssel auch nicht mehr.
Zuerst zog ich mir die Jacke aus und wickelte sie um meinen Arm, um später damit gegen die Scheibe zu schlagen, aber nichts geschah und meiner Kraft hätte ich das auch nicht zumuten können.
Danach sah ich mich um und entdeckte eine Aloeverapflanze in seinem Topf. Ich packte mir die Pflanze und wies Jonathan an zur Seite zu treten.
Ich schlug mit dem Topf der Pflanze gegen die Glasscheibe, während hinter mir Jonathan
»Hör auf!«, brüllte. Aber ich hörte gar nicht auf ihn und machte weiter.
Ich brauchte fünf Versuche und einen guten Reflex, um die Scheibe zum zersplittern zu bringen und den großen Scherben auszuweichen, die im Radius von einem Meter flogen.
Einige hatten sich in meinem Arm niedergelassen, aber das Bluten bemerkte ich kaum. Entweder, vor lauter Herzklopfen oder mir machte das zu diesem Zeitpunkt nichts aus. Vielleicht auch beides.
»Alexia! Bleib hier!«, rief JJ, als ich durch die zerbrochene Scheibe kletterte. Ich kümmerte mich nicht um ihn, also blieb ihm auch nichts anderes übrig, mir zu folgen. Er konnte mich nicht allein gehen lassen und das wusste er.
Alles deutete daraufhin, dass ich verrückt war: die Räume waren alle leer geräumt und wer immer das war, hatte ganze Arbeit geleistet. Nichts erinnerte mehr daran, dass sich gestern hier noch jemand Geschichten ausgedacht hat: Möbel, Computer, Schränke, Poster, Kisten - alles weg.
»Heute Morgen war das noch unser Büro. Ich schwöre es.«, ich sah mich im Zimmer um, bei dem man sich sogar gemacht hatte, Otis' Pfandflaschensammlung zu entsorgen.
Meine Jacke, die ich immer noch um meinem Arm gewickelt hatte, war blutdurchtränkt. Rote Tropfen fielen von meinem Ellenbogen auf den Teppich.
»Hier ist nichts, Alexia. Das hast du dir alles nur eingebildet.«, redete Jonathan beruhigend auf mich ein.
Aber viel nützte das zu diesem Zeitpunkt auch nicht.
»Komm mit!«, ich stürmte voraus in das Zimmer von Paul. Aber das ist, abgesehen von den Gardinen, dem Teppichboden und einem alten Bürostuhl, genauso leer.
Ich deutete auf die Zimmerecke, in der der Schrank gestanden hatte.
»Hier stand der Schrank voll mit Dokumenten und Fotos. Die hätten alles bewiesen.«
»Aber wieso hast du dann nichts davon mitgenommen?«, fragte Jonathan.
»Wegen der Überwachungskamera. Ich habe plötzlich dir totale Panik gekriegt.«
»Was denn für eine Kamera? Hier ist keine Kamera.«, ich schnappte mir den Stuhl, zerrte ihn an die Wand, an der Paul's Kamera befestigt war und stieg auf die Sitzfläche.
Man musste schon sehr genau hinschauen, um dir Bohrlöcher für die Schrauben zu entdecken, mit denen die Überwachungskamera an der Wand montiert war. Irgendwer hatte die Löcher mit Spachtelmasse fein ordentlich wieder verschlossen.
Die Masse war noch feucht und ich wischte mit der Hand über das Loch. Triumphierend hielt ich den weißen Finger hoch.
»Und was ist das?«
»Das ist frische Farbe, ja und? Da hat jemand gearbeitet, um die Büroräume für den nächsten Mieter herzurichten. Bitte, Alexia, lass uns endlich verschwinden, bevor noch jemand kommt.«
Ich sprang vom Stuhl. Beim Aufprall auf dem Boden zuckte ich vor Schmerz zusammen. Der Arm schien doch mehr abbekommen zu haben als nur einen Kratzer.
Der ganze Ärmel war mittlerweile voller Blut. Als ich zu den Vorhängen ging, um dahinter zuschauen, waren es mehr als nur einpaar Tropfen, die meinen Weg auf dem Boden nachzeichneten.
Aber es lohnte sich. Hinter den Vorhängen entdeckte ich tatsächlich etwas. Ich beugte mich hinunter und hob mit meinem gesunden Arm einen Stempel auf. Es war der derselbe, der bei Paul auf dem Schreibtisch lag und mit dem ich damals meine Geschichte gegen den Wind gesichert hatte.
Wahrscheinlich war das Teil den "Möbelpackern" beim Abbauen von der Tischplatte hinuntergerollt und dann haben sie es hinter den Vorhängen vergessen.
»Der gehört Paul!«, triumphierend hielt ich den Stempel in der Luft, so als hätte ich selbst schon angefangen zu zweifeln und nun selbst einen Beweis gefunden.
Dabei - und das kam mir erst später in den Sinn - trug ich den Beweis bei mir, hinten in meinem Hosenbund, wo nur das aus der Hose gezogene Hemd die Pistole versteckte.
»Das könnte doch jedem gehören, Alexia.«, er zeigte auf meinen blutenden Arm. »Ich bring dich ins Krankenhaus. Die Wunde muss verbunden, wahrscheinlich sogar genäht werden.«, ich sah Jonathan an, dann meinen Arm, der immer stärker blutete.
Selbst mir schien allmählich klar zur werden, dass ich damit nicht weit kommen würde. Ich nickte und ließ den Stempel auf den Boden fallen.
»Aber nur verbinden! Sonst nichts!«
Sein lebloser Körper liegt auf der Liege, eingehüllt in einem schwarzen Sack. Ich frage die Beamten um eine Verabschiedung und sie lassen mich machen.
Die Ärzte öffnen den Sack, zeigen mir sein kreidebleiches Gesicht, die roten, geplatzten Augen und die blauen Lippen.
Jonathan reicht mir die Hand. Gemeinsam klettern wir durch die zersplitterte Scheibe der Eingangstür und verlassen den Verlag.
Der Blutverlust hatte mich geschwächt und JJ musste mich stützen, als er mich die Treppen hinunter auf die Straße führte.
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