PART TWENTYSIX
>DAS ENDE<
30/12/2016 - 20:25 Uhr
Nach zweieinhalb Stunden fuhr ich an einer Raststätte rechts raus. Ich tankte, packte eine Cola, zwei Schokoriegel und eine Taschenlampe auf die Kasse und bezahlte und fuhr wieder los.
Ich hatte mein Ziel bereits erreicht. Ich war mit dem Wagen soweit an die Brücke gefahren, bis ich eine kurze Strecke laufen konnte, um das Auto nicht auf der Brücke parken und den Verkehr aufhalten zu müssen.
Es war schon dunkel, aber der Weg war nicht schwer zu finden. Es war kühl, nass und windig geworden. Es waren keine zweihundert Meter und ich stand am Anfang der roten Brücke.
Ich zögerte kurz, dann betrat ich den Ort, der nach Wesley's Tod tabu für mich gewesen war. Die Straßen sind mehr oder weniger befahren, aber das interessierte mich im Augenblick wenig.
Im Hosenbund die Pistole, in meiner linken die Taschenlampe und mein Atem ganz schnell. Nach einer gefühlten Stunde, obwohl es bestimmt nur einige Minuten waren, stand ich genau in der Mitte des Geländers und musste schluckend der Strömung lauschen.
»Ich finde Brücken für einen Tod echt klischeehaft.«, es war Paul, der so plötzlich hinter mir stand und sprach. »Das wurde mir aber erst klar, nachdem Wesley Walker gesprungen war.«
Ich zuckte zusammen, leuchtete mit der Taschenlampe in Paul's Richtung. Dann nahm ich die Lampe in die rechte Hand und zitterte, als mein Arm anfing zu schmerzen. Aber ich benötigte meine Freie, um die Pistole zu benutzen.
»Aber mir wurde auch auch erst klar, dass du die besten Ideen hattest, nachdem er gestorben ist.«
»Warum?«, fragte ich ihn fassungslos.
Er steckte die Hände in die vorderen Taschen seiner Anzugshose.
»Warum was? Warum wir hier sind? Du und ich? Du, weil du ein viel zu gutes Gewissen hast. Und ich? Rate mal.«
»Weil Sie mich auch umbringen wollen. Genau an Wesley's Todestag. Ich weiß genau, was Sie getan haben«, als Antwort kam nur ein Lachen.
Seine Stimme hallte in meinem Kopf wieder.
»Oh, was hab ich denn Böses getan?«
»Sie haben Otis getötet und Wesley, haben sich als Dr.Kellerman ausgegeben und Jonathan manipuliert, damit ich seine Hilfe heute, an meinem Todestag nicht bekommen kann.«
Ich wusste zwar nicht ganz, ob er wirklich dieser besagte Dr.Kellerman war, der mir in der Panik so ins Gehirn geschossen kam, aber vielleicht würde er es selbst zugeben und in meine Fälle geraten.
»Weißt du, Alexia, du hattest recht, damals in meinem Büro. Die Legenden allein waren zu schwach.«
»Zu schwach wofür?«
»Um die Menschen einzuschüchtern, wozu sonst? All deine Geschichten hatten eine Moral. Eine Moral, die den Menschen guttut: Mach nichts Verbotenes, bleib lieber zu Hause, verhalte dich ruhig und unauffällig. Wer sich dran hält, lebt länger. Aber wenn sie wahr sind, ich meine, wenn sie wirklich wahr sind, ist ihre Wirkung einfach noch stärker.«
»Und da haben Sie das alles mal eben so in die Realität umgesetzt?«, spottete ich.
»Das ist kein Spiel, Alexia. Das dient alles einem höheren Ziel. Es soll die Menschen erziehen, zu braven Bürgern, die keinen Blödsinn machen. Das war quasi unser Auftrag, den wir von der Regierung bekommen haben.«
Ich schnaubte verwirrt.
»Was denn für eine Regierung? Wovon reden Sie?«
»Hast du mir die Geschichte mit meiner Tochter etwa abgekauft? Du enttäuschst mich schon wieder. Ich hatte nie eine.«
»Aber das Foto auf ihrem Schreibtisch.«
»Das war das Bild irgendeiner jungen Dame, die dir ähnlich sah. Ich war mir sicher, dass du auf die Vater- Tochter-Krise anspringen würdest, wie Wesley es bei der Vater-Sohn-Krise getan hatte.«
Ich steckte jetzt so richtig im Fragmodus fest.
»Wozu das Ganze?«
»Stell dir den Verlag als geheime Unterabteilung eines geheimen Ministeriums unseres Staates vor. Eine Unterabteilung mit einer nie versiegenden Quelle geheimer Gelder. Ich denke, das kommt der Sache am nächsten.«
Das wurde ja immer besser. Hätte ich sowas geahnt, hätte ich die Visitenkarte damals einfach mit dem Rest der Post in den Müll geschmissen.
»Der Staat hat Gesetzte, der braucht keine Geschichten.«
»Gesetzte?! Wer hält sich denn schon dran? Geschichten sind da viel wirkungsvoller.«
»Dafür haben sie Menschen sterben lassen!«
Paul kicherte.
»Wie viele davon gibt es? Sieben Milliarden auf der Erde. Was machen da schon zehn, zwanzig oder ein paar mehr, wenn man dafür Hundertausenden ein bisschen Angst macht und sie so vor Schlimmerem bewahren kann?«
»Aber die Menschen sind frei. Sie können selbst entscheiden, was gut oder schlecht für sie ist.«
Paul lachte. Sein Lachen klang abgedämpft, durch das Rauschen des Wassers und den fahrenden Autos.
»So frei wie du?«
»Zum Beispiel.«
»Als wenn du frei wärst. Dein Leben verfolgt dich, auch wenn du es nicht leiden kannst. Gefallen willst du ihm trotzdem, du willst, dass es auf dich stolz ist. Außerdem bist du verliebt. Übrigens ein toller Junge und so hilfsbereit. Und warum bist du überhaupt hier? Aus freiem Wille? Lächerlich. Dein Gewissen hat dich gezwungen. Du bist sein Sklave.«
»Das glauben Sie doch selbst nicht.«
»Was ich glaube, ist nicht interessant. Das große Ganze ist wichtig und deswegen bist auch du wichtig. Ich brauche dich. Dich und deine Geschichten.«
»Sie haben keine Chance. Gleich wimmelt es hier von Polizisten.«, gab ich hysterisch zurück.
»Glaube ich eher nicht. Du hast ihren Tee abgelehnt, da sind die nachtragend. Außerdem würden sie dir die Geschichte sowieso nicht abkaufen. Sie haben keine Phantasien, nicht so wie du.«, Paul war gut informiert, das musste ich neidlos erkennen.
Dann sagte er:
»Entscheide dich; willst du weiter ein Teil einer großen Sache sein oder dein armseliges Leben weiter leben.«
»Mir reicht völlig, wo ich gerade stehe.«, ich hob die Pistole.
Doch...
»Du musst zuerst entsichern!«, rief Paul.
Ich entsicherte die Waffe. Das dauerte eine Weile, da ich mit dem rechten Arm nicht richtig zupacken konnte und im Übrigen hatte ich keinen Schimmer wie das mit dem Entsichern funktionierte.
Endlich hatte ich den Hebel gefunden. Weil ich die Waffe mit der linken so verkrampft hielt, löste sich ein Schuss. Aber ich traf in die Luft.
Paul genoss die Situation. Im Gegensatz zu mir, denn ich wollte so schnell wie möglich hier weg.
»Für eine Zeit lang warst du für mich wirklich so etwas wie eine Tochter. Es hätte so schön sein können mit uns beiden. Ich hab dich gemocht. Wirklich.«
Schnell laufe ich zur Brücke, als er mit großen Schritten und einem Messer auf mich zukommt, stelle mich aufs Geländer und werfe einen Blick auf das tobende Wasser.
Ich zögere keinen Moment, bin mir sicher, es mit der Strömung aufnehmen zu können und springe, bevor Paul mich erreichen konnte.
Dann falle ich. Und falle und falle und falle. Lande tief im Wasser und schlage wild um mich, um gegen die Stärke ankämpfen zu können.
Meine Lungen füllten sich mit Wasser, mein Herz klopfte mir bis zum Hals und als ich dachte, ich würde endlich zu Wesley treffen, spürte ich mit meiner linken Hand eine Wurzel, die ich panisch packte und hechelnd die Oberfläche fand.
Ich hievte mich schmerzvoll ans Ufer, legte mich ins Gras und blickte zur Brücke. Die Polizisten nahmen Paul mit.
Es war vorbei.
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