PART SEVEN

>BLUT<
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17/11/2016 - 01:45 Uhr

Irgendwann in dieser Nacht schaffte ich es dann doch nach Hause. Als erstes kontrollierte ich meinen Anrufbeantworter. Der war leer, mal abgesehen von einer Nachricht von Dad, in der er nur irgendwas vor sich hin brabbelte.

Es war dumm von mir auf eine Nachricht von Wesley zu hoffen. Das war nicht fair.

Ich ließ mich auf dem Sofa fallen und schaltete den Fernseher ein.

Sie zeigten das Bild einer grünen Schlange und einer Handtasche von Gucci oder Prada, so genau konnte man es nicht erkennen. Dazu wurde das Bild einer etwa vierzigjährigen Frau eingeblendet, der man einen schwarzen Balken über die Augen gelegt hatte, damit sie niemand erkannte.

Aus dem Video erzählte der Sprecher: »Als die mode- und preisbewusste Frau am Abend einen Blick in ihre nachgemachtes Urlaubmitbringsel wirft, wusste sie nicht, dass es ihr letzter sein würde. Die hochgiftige Schlange, die sich in ihrer neuen Handtasche als blinder Passagier verborgen hatte, beißt ohne Vorwarnung zu. Kurz darauf ist die Frau tot. Seien sie also auf der Hut, wenn sie auf asiatischen Straßenmärkten einkaufen. Schlangen gibt es dort nicht nur vor den Ständen. Und nun zum Wetter...«

»Das ging aber schnell.«, murmelte ich.

Darauf schnappte ich mir mein Handy und öffnete die Notizen.
»Der Freund von einem Freund ist ein echter Film- und Musikfreak. Der kennt alles und hat auch immer alles sofort...«

Otis saß mir im Büro gegenüber und hörte mir aufmerksam zu.
»...also dieser Musikfreak, der kauft das Zeug natürlich nicht, der ist ja nicht blöd, der lädt sich das alles aus dem Netz runter und zahlt keinen Dollar dafür. Richtig geknallt hat es dann bei ihm, als er im Internet so eine Art Messi-Seite entdeckt hat, auf der wirklich alles zu kriegen war. Das ging auch eine Zeit lang gut. Aber dann wird seine Wohnung eines Tages von der Polizei gestürmt. Die haben ihn gleich mitgenommen und seinen Rechner auch. Das ganze Ding war übel verseucht mit richtig üblen Bildern. Pornos und so ein Scheiß. Erst später hat sich rausgestellt, dass die Seite, die der Typ da angezapft hat, eine Falle der Musikindustrie war. Die haben ihm mit jedem Song, den er sich runtergeladen hat, unbemerkt auch einpaar Pornobilder auf den Rechner gespielt und dann der Polizei einen Tipp gegeben.«

Ich lehnte mich zurück und genoss Otis' Gesichtsausdruck. Der lange Skater war ganz blass geworden, wahrscheinlich, weil er im Netz auch keinen Cent für seine Musik bezahlte.

»Wenn ich nicht wüsste, dass du das gerade erfunden hast, würde sogar ich die Finger von Downloads lassen.«, er schnappte nach Luft, »Hast du doch oder?«

Ich lehnte mit Otis am Tresen des JJ's. Auf der Bühne stand diesmal keine jungen Dichter, sondern eine vierköpfige Band, die Indierock spielte. Kein Wunder das der Laden nicht einmal halb voll war.

Dann stupste mich mein Kollege an.
»Freie Wildbahn! Jetzt ist Nahkampf angesagt.«

Ich guckte immernoch verständnislos, als Otis den Typen neben uns an der Bar ansprach.
»Gute Musik hier in dem Laden, nicht?«, eröffnete er das Gespräch.

»Hab schon besseres gehört.«, antwortete der Fremde,» Und ihr könnt mir glauben, ich kenn mich aus. Habe selbst mal in einer Band gespielt.«

»Der Freund von meinem Freund, war auch so ein Musikfreak.«, fuhr Otis fort.

»Wieso war?«, fragte der Mann.

»Blöde Geschichte. Er hat sich immer das neuste Zeug aus dem Netz gesaugt und eines Tages stand die Polizei in seiner Wohnung...«

Da ich die Geschichte bereits kannte, ging ich aufs Klo. Als ich zurück war, war Otis fast fertig mit seiner Story. Im Hintergrund viel Jonathan fast das Glas aus der Hand.
»Und heute sitzt der Typ im Knast. Möchte ich nicht mit tauschen.«

»Echt wahr?«, fragte der Mann, der ziemlich schockiert aussah.

»Hab ich auch schon von gehört.«, mischte ich mich nun von der Seite in das Gespräch ein.

Der Fremde schimpfte.
»Diese Schweine von der Plattenfirma. Das sieht denen ganz ähnlich.«

»Passen sie bloß auf. Schönen Abend noch.«, darauf packte Otis mich am Arm und zog mich weg von der Bar in die Nähe der Klo's zu einem Tisch.
Wir beobachteten, wie sich der Mann zu seinem Nachbar wandte.

Ich fühlte mich beobachtet, doch als ich mich umsah, konnte ich keinen ausfindig machen. Erst, als sich die beiden Personen, mit einem Blick zu mir, hinsetzten und nicht die dummen Hüte von ihren Köpfen nahmen.

»Morgen erzählt er es seinen Kollegen und die erzählen es ihren Leuten und so weiter und so fort und je mehr Leute es erzählen, desto wahrer wird deine Geschichte.«, hörte ich Otis sagen.

Ohne den Blick von den beiden Männern abzuwenden, wandte ich mich an Otis' Erzählung.
»Und das klappt immer?«, fragte ich.

»Immer. Die Leute sind ganz verrückt nach solchen Storys. Legenden, Verschwörungen, Mysteriöses, Unerklärliches - das ist doch viel spannender als ihr normales, langweiliges Leben.«

Jonathan kam gerade rechtzeitig.
»Apropos langweiliges Leben.«, er zog mich kurz beiseite,»was ist mit unserem Wahrheit oder Lüge spiel?«

Ich blinzelte einige Male.
»Ist gut. Schreib mich auf die Liste.«

Lächelnd ging JJ. Eine halbe Stunde und 'nen Komiker später stand ich auf der Bühne, die Scheinwerfer voll und ganz auf mich gerichtet, schwitzte und überlegte mir schnell, was ich erzählen könnte.

Dann nahm ich tief Luft.

»Da war mal so eine Kamera. Zu einem absoluten Schnäppchenpreis. Als der Besitzer das Gerät zu Hause ausprobieren will, entdeckt er, dass auf der Speicherkarte noch ein alter Film ist. Der ist natürlich Neugierig und sieht ihn sich auch gleich an.«

Ich wurde unterbrochen, als jemand »Langweilig!«, rein rief.

Augenrollend räusperte ich mich.
»Auf dem Film sieht der Schnäppchenjäger, wie jemand von zwei Männern überfallen wird. Offensichtlich der Besitzer des alten Filmes. Die beiden laufen direkt auf das Objektiv zu. Ein Messer blitzt auf, die Kamera fällt zu Boden. Dann nimmt sie irgendjemand hoch und schwenkt sie über einen Mann, der in einer riesigen Blutlache liegt und eine Stimme sagt "und jetzt das Finale!"...«, ich ließ meine Augen über die Menge schweifen und sah genau, wie sich meine Beobachter gegenseitig anguckten.

»Das Objektiv zoomt auf das Gesicht des Toten und in seinen brechenden Augen sieht man, dass das mit Sicherheit nicht gestellt ist. Danach bricht der Film ab.«, vollendete ich meine nicht so gruselige Story und bekam vereinzelte Applause.

Ich stieg von der Bühne und lief auf Jonathan zu der nur den Kopf schüttelte.
»Ich bleibe bei meiner Meinung. Dein Freund wurde nicht ermordet.«

Mit einem Schulterzucken lehnte ich mich erschöpft gegen die Bar.
»Abgefahren!«, stieß Otis zu mir und hob die Hände.

Ich kommentierte das bloß mit einem mildem Lächeln. Die Geschichte kam mir in den Sinn, als mein Bruder sich in meinem Verstand bemerkbar machte.

Es war ein Krankenhausbesuch, Marvin hatte sich bei einer Schlägerei die Nase gebrochen. Mum und ich warteten auf dem Parkplatzes auf ihn und Dad. Das waren noch die Zeiten, als Dad kein Alkoholiker war, Mum einen Job besaß und sie sich nicht geschieden hatten.

Also der fünfzehnjährige kam schließlich mit meinem Vater aus dem Gebäude, da kippte ein Mann, mitte vierzig, auf einmal auf dem Parkplatz um und fiel zu Boden. Hustend, sehr stark Hustend. Als würden seine inneren Organe platzen (das erklärte auch das ganze Blut.)

Morgen war Sonntag. Vielleicht würde ein Besuch im Gefängnis nicht schaden.

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