Zehn
Wir ritten an einer Schlucht entlang. Neben mir war ein tödlicher Abgrund und die Steinchen, die wegen der Schritte der Fenjas abbröckelten, brauchten ewig, um in den reißenden Fluss in der Mitte der Schlucht zu fallen. Mir wurde bei dem Anblick schlecht. Ich wandte den Blick ab und presste Mr. Skibbles dichter an mich. So wie ich ihn kannte, würde er sonst wohlmöglich den Steinen hinterher springen.
Irgendwann kamen wir an einer kleinen Wiese an der Schlucht an und schlugen dort unser Lager auf.
Ich half Perion dabei, ein Feuer für die Nacht zu machen, Mars sammelte Holz und Glenn spielte mit Mr. Skibbles.
„Komm mit. Ich möchte dir etwas zeigen." flüsterte Mars, als er das Holz neben das Feuer legte. Er nahm meine Hand und führte mich zu der Schlucht.
„Ich möchte, dass du deine Augen schließt." Sagte er. Ich schaute ihn skeptisch an und sah in die Schlucht. Ich hatte Angst vor dem, was Mars mit mir vorhatte.
„Vertrau mir." sagte er und sah mir lächelnd in die Augen. Es überraschte mich immer wieder, wie viele Farben in seinen Augen vorhanden waren. Seufzend schloss ich meine Augen.
Mars nahm meine beiden Hände und zog mich sanft vorwärts. Dann blieb er stehen.
„Achtung." sagte er. Dann gab er einen hohen und sehr lauten Ton von sich. Er wartete noch einen Moment, dann hörte ich diesen Ton erneut. Mars packte mich bei der Hüfte, hob mich hoch, rannte los und dann fielen wir.
Ich hörte nichts, bis auf meinen Atem und Mars' Herzschlag an meinem Ohr. Dann öffnete ich die Augen und sah nach unten. Bevor wir von den Wellen verschlungen werden konnten, wurden wir von einem sehr großen, blauen Vogel aufgefangen und auf seinem Rücken in den Himmel getragen.
Ich klammerte mich an Mars fest und sah nach unten. Der Wind pfiff in meinen Ohren. Die Welt unter uns wurde immer kleiner. Er war unglaublich und so wunderschön.
Der Vogel flog auf einmal im Sturzflug nach unten. Ich schrie auf und schloss die Augen. Dann flog der Vogel wieder waagerecht und ich öffnete die Augen wieder. Mars sah mich lachend an und breitete die Arme aus. Ich tat es ihm gleich und lachte ebenfalls. Ich hatte noch nie in meinem Leben so viel Spaß gehabt.
Wir flogen ganz kurz über der Wasseroberfläche und ich beugte mich nach unten, um mit meinen Fingerspitzen das kristallklare und eiskalte Wasser zu berühren. Fische schwammen unter uns. Ihre Schuppen schimmerten bunt im Licht der untergehenden Sonne.
Der Vogel flog der Sonne entgegen. Ich lehnte mich an Mars und genoss seine Wärme. Ich fühlte mich so wohl in seinen Armen.
„Beatrice." Sagte er und ich drehte meinen Kopf zu ihm. Dann legte er seine Lippen sanft auf meine.
Als wir wieder zurück zu unserem Lager kamen, war die Sonne schon fast untergegangen. Ich fühlte mich ganz leicht und mir flogen Schmetterlinge im Bauch. Perion uns Glenn sahen uns wissend lächelnd an und meine Wangen wurden ganz heiß. Ich setzte mich neben Glenn ans Feuer und wärmte meine Hände.
„Habt ihr Hunger?" fragte Perion, nachdem Mars sich neben mich niedergelassen hatte. Perion hielt uns zwei Schüsseln mit Suppe und Brot hin. Es war eine köstliche Pilzsuppe.
Nach dem Essen legten wir uns schlafen. Am nächsten Tag würde ich abreisen. Ich musste wieder nach Hause in mein altes Leben. Zurück zu meinen Eltern, zurück zu Thomas, zurück nach Schottland.
Ich freute mich, meine Eltern wieder zu sehen, keine Fragte! Aber ich würde dieses Land hier vermissen. Ich würde meine neuen Freunde vermissen. Aber vor allem würde ich Mars vermissen.
Ich lag noch lang wach und sah in den Sternenhimmel. Er sah hier genau so aus, wie zu Hause. Lächelnd schloss ich die Augen. Mr. Skibbles schmiegte sich an mich und ich kraulte seinen Bauch. Irgendwann spürte ich Mars' Arm um meine Taille. Ich lächelte und legte meine Hand auf seine. Ich würde ihn schrecklich vermissen.
Als ich am nächsten Morgen von einer nassen Hundezunge aus dem Schlaf gerissen wurde, dachte ich, das alles wäre nur ein Traum gewesen. Ich hatte Angst, meine Augen zu öffnen und versuchte, noch einmal einzuschlafen damit ich, falls alles nur ein Traum gewesen war, weiter träumen konnte.
„Beatrice. Komm steh auf meine Liebe. Wir müssen weiter." Die Stimme von Mars machte meine Befürchtung zu nichte und ich öffnete verschlafen die Augen. Ich setzte mich auf und nahm das Brot, das Glenn mir mit einem „Iss was, bevor wir aufbrechen." gab.
Wir brachen das Lager ab, löschten die Glut und stiegen dann auf unsere Fenjas. So langsam gewöhnte ich mich an diese großen Tiere.
Auf dem Weg erzählte Perion uns lebhaft von seinem kleinen Sohn Bellin und das er sich freute, ihn und seine Frau Mayye wieder zu sehen.
„Als Bellin drei Jahre alt war, habe ich ihn mit auf die Jagt genommen. Der kleine war ganz stolz, dass er auch einmal Bogenschießen durfte. Ich hatte ihm eigentlich einen kleinen Vogel als Ziel gegeben. Aber er hat total dran vorbei geschossen und einen... Wie nennt ihr das bei euch? Hirsch? Getroffen." Perion lachte und formte mit den Händen ein Geweih an seinem Kopf.
„Ich hab dann für meine Frau eine schöne Jacke und für meinen Sohn neue Schuhe gemacht und Mayye hat einen köstlichen Eintopf gekocht."
Glenn nickte. „Oh ja, den Eintopf durfte ich auch kosten. Er war wirklich vorzüglich!"
Als wir im Dorf ankamen, war es Mittag. Skyjar kam uns entgegen und schloss ihren Bruder in die Arme, da war er noch gar nicht ganz von dem Fenjas abgestiegen.
„Oh Mars! Schön, dass es dir gut geht." Dann sah sie mich lächelnd an. „Wie ich sehe, habt ihr den Hund gefunden. Das freut mich wirklich sehr!" Sie beugte sich zu Mr. Skibbles runter und strich ihm über den Kopf.
„Ich denke, ich sollte aufbrechen." sagte ich und sah zu Boden.
„Bleib doch noch. Mars, Glenn und ich bringen euch wenn die Sonne unter geht zum Tor." Skyjar lächelte und zog mich weiter ins Dorf. Mars und Mr. Skibbles folgten uns.
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