Spontanität

Spontanität. Im Duden wird das Wort spontan mit „Handlung aus dem Impuls heraus" beschrieben. Was ist Spontanität? Für mich ist es vor allem fremd. Mein Leben war immer von morgens bis abends durchgeplant, ohne Zeit dazwischen für „Handlungen aus dem Impuls heraus". Zeit also etwas neues zu machen. Ich fing noch am selben Abend an meine Koffer zupacken. Ich wusste, ich wollte neue Kulturen erleben und die Zeit haben mich nur auf mich selber zu konzentrieren. Nach einer ausgiebigen Recherche im Internet beschloss ich mir ein Interrail Ticket zu kaufen. Nicht das ich nicht auch das Geld für einen langen Aufenthalt in einem Luxushotel gehabt hätte. Oder viel mehr meine Eltern es gehabt hätten. Nein, die Vorstellung einer Reise mit diesem Ticket war einfach Spontanität pur für mich. Außerdem hatte ich mir vorgenommen diese Reise mit meinen eigenen Mittel und damit auch mit meinem eigenen Geld bestreiten zu wollen.

Wie zu erwarten waren meine Eltern nicht gerade glücklich über meine Entscheidung. Aber verbieten konnten sie mir es auch nicht, volljährig bin ich schließlich schon ein knappes halbes Jahr und auch die Schule hatte ich schon abgeschlossen. „Aber Schätzchen, was erhoffst du dir denn davon durch Europa zu tapern und womöglich ohne Dach über Kopf leben zu müssen? Die geht es doch gut bei uns.", fragte meine Mutter mich verwundert, als ich ihr von der Idee berichtete. „Ich muss hier raus. Ich möchte was von der Welt sehen. Ich bin doch kein Kanarienvogel, der sein Leben lang an ein und dem selben Ort eingesperrt leben möchte.", erklärte ich ihr. Sie zeigte kein großes Verständnis für meine Denkweise. Aber das ist mir egal.
Mit meinem besten Freund, Rafael, telefonierte ich die halbe Nacht und erklärte ihm meine Pläne. Gemeinsam schwärmten wird von der Ferne und all den Türen, die uns doch eigentlich aufstehen. Kurz dachte ich auch darüber nach Rafael zu fragen, ob er mich nicht einfach begleiten will, aber etwas in mir wiedersprach dieser Idee. Wenn diese Reise wirklich ihren Zweck erfüllen sollte, werde ich sie alleine antreten müssen. Ich gegen den Rest der „achso nochmalen und unperfekten Welt". 

Am nächsten Tag wurde die Spontanität zu meinem neuen Lebensmotto. Ich lief gut gelaunt die Treppe runter in die imposante Eingangshalle unserer Villa. Dort wartete schon mein Koffer auf mich. Ja, es ist wirklich nur ein Koffer, noch dazu einer, der ziemlich handlich ist. Schließlich musste ich darauf vorbereitet sein ihn auch alleine über eine längere Strecke hinweg zu tragen. Schon jetzt vermisse ich die luxuriösen Familienurlaube, bei denen ich selber keinen Finger rühren musste, um das Gepäck in das Zimmer unseres Fünf-Sterne-Hotels zu bringen. Schon jetzt überfordert mich meine Spontanität. Obwohl nein, eigentlich ist es keine Überforderung. Es ist eine Herausforderung.

An der Tür verabschiedete ich mich von meinen Eltern. Wie gewohnt verlief der Abschied mit so wenig Emotionen wie möglich, man will mir schließlich ja nicht den Eindruck verschaffen, ich würde in der nächsten Zeit vermisst werden. „Aber in drei Monaten bist du von diesem Schwachsinn wieder zurück!", rief mir mein Vater hinterher. Gestern Abend gab es noch eine kleine Streiterei, weil mein Vater meine Wenigkeit schon ohne mein Wissen für die nächsten Wochen und Monate in der Firma eingeplant hatte. Tja, diese Pläne kann er sich jetzt abschminken. Leider erklärte er sich allerdings auch nicht mehr dazu bereit meine Reise finanziell zu unterstützen. Ich schätze den Großteil meiner Reise werde ich mir wohl durchs arbeiten in meinen Zielstädten selbst verdienen müssen. Naja, Kopf hoch! Selbst ist die Frau.

Die Taxifahrt zum Bahnhof kam mir wie wenige Sekunden vor. Nachdem ich dem Taxifahrer das Geld in die Hand gedrückt hatte ging ich erhobenen Hauptes selbstbewusst in das Bahnhofsgebäude hinein. Plötzlich spürte ich zum ersten Mal die negative Seite der Spontanität. Ich sah viele verschiedene Menschen durch die Gänge laufen. Jeder von ihnen, egal ob Schlipsträger oder Frau mit lautstark schreienden Kindern bewegte sich zielstrebig vorwärts. Allein ich stand planlos in der Gegend rum. Ich schätze, es stimmt, was die Leute sagen. Spontanität will wohl überlegt sein.

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