28. Kapitel
Wir lagen noch eine Weile schweigend nebeneinander und starrten gemeinsam an die kahle Decke, die definitiv nicht die Genesungschancen eines Patienten stärken würde. Bei der Farbauswahl hätte man in der Kinderstation wirklich ein bisschen farbenfroher sein können. Ich konnte spüren, dass Elias sich nicht überwinden würde, mir die Wahrheit zu erzählen und ich wollte ihn auf keinen Fall drängen, denn das hatte nur das Gegenteil bewirkt und ihn von mir weg gestoßen. Erst als die Krankenschwester herein kam und mir mitteilte, dass die Besuchszeit vorbei wäre und ich erst Morgen wieder kommen könnte, kehrte Leben in uns beide zurück.
„Ruf zuhause an, wenn irgendetwas ist – okay? Und wenn ich Nachrichten bekomme, schaust du sie dir nicht an, sondern ignorierst sie einfach.", sagte ich mahnend, als ich meinem kleinen Bruder mein Handy in die Hand drückte. Ich wusste genau, dass er niemals etwas lesen würde, was nicht für seine Augen bestimmt war, doch es konnte ja nicht schaden, diese Voraussetzung einmal laut auszusprechen. Wir hatten schon vorhin geklärt, dass er mein Telefon bekommen würde, schließlich kostete das öffentliche Telefon des Krankenhauses Gebühren und auf diesem Weg konnten wir uns diese ersparen. Ich benutzte mein Smartphone sowieso kaum, mir schrieb ja niemand. Wer denn auch? Robin? Der schien immer noch sauer auf mich zu sein. Und Alec hatte momentan genug mit Emma zu tun, der würde sich ebenfalls nicht bei mir melden. Höchstens Becks wäre eine Kandidatin, Kontakt zu mir auf zu nehmen, aber selbst wenn sie mir schreiben würde, könnte ich ihr noch am nächsten Tag antworten, ohne dass sie es persönlich nehmen würde.
„Was wollte Elias von dir?", fragte Lucas leise, seine Stimme glich einem Lufthauch. Ich hätte beinahe nicht verstanden, dass er mit mir sprach, aber sein deutlicher Blick erklärte mir das Gegenteil.
„Nichts Besonderes.", sagte ich und versuchte wieder ein bisschen mehr Abstand zwischen mich und meinen Bruder zu bekommen. Er hat sich den ganzen Nachmittag nicht mehr blicken lassen und sich offensichtlich wenig für Elias interessiert – dann brauchte er jetzt nicht mehr damit anfangen!
„Wie läuft denn die Schule bei euch beiden?", fragte Papa interessiert, als er zur Abwechslung mal mit uns am Tisch saß und das Abendessen zu sich nahm. In letzter Zeit hatte er ziemlich viel gearbeitet, doch offenbar gewährte ihm das Krankenhaus an diesem Abend einmal Freigang. Ich war mir nicht sicher, ob ich begeistert davon sein sollte. Papa konnte nun mal ziemlich zielorientiert und anspruchsvoll sein, vor allem wenn es um die Schule ging und damit konnte ich in letzter Zeit wirklich nicht glänzen.
Während ich angestrengt versuchte einen Satz zu finden, mit dem ich meine miserablen Noten der letzten Wochen schön reden konnte, hatte mein perfekter Bruder natürlich sofort das Wort übernommen. Ich war mir nicht sicher, was ich besser fand: Weiterhin Lucas Schwärmereien von seinen perfekten Noten zu verfolgen, oder Papas Standpauke zu ertragen, in der mir vorwerfen würde, dass ich mich nicht genug anstrengte.
Leider war das Leben kein Wunschkonzert und so kam eins zum anderen, sodass Papa genug von Lucas Ausführungen hatte und sich mit einem fragenden Blick zu mir wandte. Was hatte es denn für Vorteile endlich in einem Alter zu sein, in dem die Eltern die Klausur nicht mehr als gesehen abzeichnen mussten, wenn sie trotzdem noch eine Erklärung verlangten?
„So wie Schule halt immer ist.", antwortete ich wage und versuchte krampfhaft eine schöne Bezeichnung für meine Situation zu finden. Ich war nun mal nicht gut in der Schule, konnte mir Sachen schlecht merken und hatte keine schnelle Auffassungsgabe – ich war eben nicht mein Bruder! – und durch all den Stress in der letzten Zeit hatte ich weder Lust noch Nerven für die Schule zu lernen oder meine Hausaufgaben zu machen. Ich sah einfach keinen Sinn darin, schließlich gab es wirklich wichtigere Dinge.
„Also meinst du damit, dass du dich im Mittelfeld hältst?", fragte Papa, der noch immer keine Ahnung hatte, wie nah ich dran war, den kompletten Anschluss zu verlieren – in so ziemlich jedem Fach.
„Das Schuljahr ist noch lang, da kann ich mir jetzt unmöglich ein Urteil bilden.", antwortete ich hochgestochen und war ziemlich stolz auf den Nichtssagenden Satz, allerdings hatte ich die Rechnung ohne Lucas gemacht, der offenbar nicht darauf bedacht war, mir das Leben zu erleichtern.
„Ich könnte Sam Nachhilfe geben. Dann würde sie vielleicht besser in der Schule werden und nicht mehr ganz so miserable Noten schreiben." Ich hasste ihn! Trotz seiner arroganten Worte, ließ Lucas seinen Satz keinesfalls überheblich klingen, daher folgte gleich ein zufriedenes Lächeln meines Vaters, der dies für eine vorzügliche Idee hielt.
Offensichtlich konnten Blicke nicht töten, andernfalls würde mein Bruder schon jetzt vom Stuhl kippen, wimmernd am Boden liegen und darum betteln, dass ich sein Leben verschonte. Leider funktionierte das nicht, ich hatte keinerlei Kontrolle.
Paps, der mir gegenüber saß und ziemlich still geworden war, blickte mich nur mitleidig an – er schien zu ahnen, welche Überwindung es mich kostete, nicht gleich vom Tisch auf zuspringen und weg zulaufen. Doch trotzdem sagte er nichts.
Eine Stunde später fand ich mich in Robins Zimmer wieder. Ich hatte mein Handy schließlich nicht bei mir und konnte weder Alec, noch Becks anrufen, außerdem war Robin mein Freund, daher sollte er die erste Person sein, zu der ich ging, wenn mich etwas aufregte.
Ich hatte Glück, denn er war tatsächlich zuhause. Wieder einmal waren seine Eltern nicht da und mir fiel auf, dass ich sie bis jetzt erst einmal gesehen hatte und das Treffen war wenig herzlich ausgefallen. Offenbar erinnerten sie sich nicht an die kleine Schwester des ehemaligen besten Freund ihres Sohnes.
„Er will mir tatsächlich Nachhilfe geben!", beschwerte ich mich und ging unruhig in Robins Zimmer auf und ab. Er saß gemütlich auf seinem Bett und schien mich einfach nur durchdringend anzusehen – ich konnte nicht mal erahnen, woran er in diesem Augenblick dachte. Es fiel mir unheimlich schwer Robin zu durchschauen, weil ich zwei Persönlichkeiten von ihm zu sehen bekam, die mich immer wieder verwirrt und ahnungslos zurück ließen.
„Jetzt bleib doch endlich mal stehen – du machst mich ja noch ganz verrückt.", sagte er liebevoll und griff nach meinem Arm, als ich meine Runde in der Nähe seines Bettes weiter führen wollte. Ohne dass ich etwas dagegen unternahm, zog er mich vorsichtig zu sich auf die weiche Decke und legte beschützend einen Arm um mich. „Lucas ist zwar ein echter Idiot, aber immerhin hast du dank ihm keine Standpauke von deinem Vater bekommen." Beschwichtigend fing er an meinen Arm zu streicheln und zog mich noch dichter an sich heran. Mein Ärger verflog sofort und wich einem Unbehagen, als ich daran dachte, dass Robin vielleicht mehr von mir erwartete, aber gleichzeitig fühlte ich mich beschützt, was in meiner jetzigen Lage ein echtes Hochgefühl darstellte. Ich war hin und her gerissen und wusste nicht, was genau das richtige in diesem Augenblick wäre. Daher rührte ich mich einfach gar nicht und versuchte mich auf die Geborgenheit zu konzentrieren, die ich in diesem Augenblick empfand.
„Vielleicht solltest du Menschen einfach mal eine Chance geben.", flüsterte Robin in mein Ohr, ehe er langsam seine Lippen über mein Gesicht führte. Als er meinen Mund erreichte, erwiderte ich den Kuss und überging seine Aussage, mit der er garantiert nicht bloß meinen Zwillingsbruder gemeint hatte. Das war nichts an das ich in diesem Augenblick denken wollte.
Wir lagen eine Weile lang nebeneinander und küssten uns immer wieder. Ich fing wirklich an, mich in seinen Armen geborgen zu fühlen und das war ein so schönes Gefühl, dass ich beinahe alles dafür gegeben hätte, mich immer so fühlen zu dürfen. Vielleicht hatte ich tatsächlich einfach nur Zeit gebraucht, um mich an diese ganz neue Situation zu gewöhnen und war doch nicht ganz so verrückt wie ich befürchtet hatte.
„Ich will dich.", hauchte mir Robin so leise ins Ohr, dass ich es beinahe nicht verstanden hätte. Doch als mein Gehirn nach ein paar Sekunden die Verbindungen gezogen und seine Worte komplett verstanden hatte, wurden meine Hände schon über meinen Kopf gedrückt und verhinderten, dass ich Robin von mir weg drücken konnte. Ich wollte nicht so hilflos unter ihm liegen – was passierte gerade?
„Lass mich los.", sagte ich scharf und versuchte mich zu bewegen, doch der Junge über mir hatte sich inzwischen so auf meine Beine gesetzt, dass ich komplett wehrlos war. Was sollte das?!
Ich versuchte nun energischer mir meinen Weg aus seinem Griff zu bestreiten, doch gegen den Jungen, der seit Jahren ins Fitnessstudio ging und dort Gewichte stemmte, hatte ich keine Chance.
„Robin!", sagte ich energisch, doch auch dieses Mal antwortete er nicht. Stattdessen lachte er mir hämisch entgegen und schien seine Machtposition zu genießen. „Lass mich endlich los!" Es brachte nichts, ich hatte keine Chance gegen ihn. So langsam bekam ich Angst. Was hatte er vor?
„Vielleicht tust du ja immer nur so prüde.", sagte er leise und beugte sich wieder zu mir herunter um mir einen bestimmenden Kuss auf den Mund zu pressen – den ich vergeblich versuchte abzuwehren, in dem ich mein Gesicht zur Seite drehte. Dieser lächerliche Versuch entlockte Robin nur ein weiteres abfälliges Schnauben, mit dem er seine Überlegenheit signalisierte.
Ich starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an und erkannte nichts mehr von dem netten Jungen in dem Typen, der mir nun anfing sich einen Weg über meinen Hals zu meiner Brust zu küssen. Er war nur noch widerlich. Wieso war ich nur her gekommen?
„Jetzt lass mich endlich los!", rief ich laut, doch meine Stimme war inzwischen brüchig und drohte komplett zu versagen. Ich wollte nicht dass er mich berührte, es fühlte sich einfach dreckig an. Was passierte nur gerade?
Einen Augenblick später war Robin an meinem Ausschnitt angekommen und sah mir wieder in die Augen. Sein Atem ging schnell, doch es war keinerlei Anstrengung in ihm zu erkennen, was mir deutlich machte, wie viel stärker er war, wie lange er meine Arme wohl noch im Griff haben würde. Er sollte doch einfach nur aufhören. „Bitte lass mich los.", quetschte ich heraus, als ich einen neuen Angriff wagte und versuchte, all meine Kraft in meine Glieder zu befördern, um mich selber zu befreien – doch es brachte absolut gar nichts.
„Sei doch froh, dass es überhaupt jemand mit dir machen will.", sagte der ekelhafte Typ über mir und fing an mit der freien Hand – die mit der er nicht meine Hände über meinem Kopf fest zusammen hielt – den Saum meines Shirts hochzuziehen. Dann redete er weiter: „Du solltest dich wirklich glücklich schätzen, bist ja schließlich kein Mädchen, dass es sich leisten kann wählerisch zu sein.", sagte er und musterte mich abfällig. Aus seinen Worten sprühte auf einmal purer Hass – was hatte ich ihm nur getan? Es war doch immer noch Robin, der Junge, der mich vor den älteren Jungs beschützt und meinem Bruder, aus Angst er könne sich unnötig Sorgen machen, nichts davon gesagt hatte. Es war doch immer noch der Junge, an den ich tausende Liebesbriefe geschrieben und doch nie einen in seine Tasche gesteckt hatte. Es war doch immer noch Robin!
„Ich will das nicht! Lass mich endlich los.", rief ich mit zittriger Stimme und wand mich unter seinem Griff.
Mein Shirt war nun schon so weit nach Oben gerutscht, dass ich die kalte Luft auf meinem Bauch spürte und mein BH problemlos zu sehen war. Normalerweise hätte ich Scham spüren müssen, doch nichts dergleichen kreuzte meine Gedanken, denn Robin versuchte nun mit einer Hand den Knopf meiner Jeans zu öffnen. Wollte er wirklich...? Das würde er doch nicht machen!
„Robin!"
Der Knopf war schneller auf, als ich seinen Namen zu Ende gesprochen hatte und jetzt verlagerte Robin sein Gewicht, um mit einem seiner Beine meinen Schoß zu öffnen. Ich konnte etwas Hartes in seiner Hose spüren, dass mir deutlich machte, wie ernst es ihm war. Ich musste hier raus!
Aus einem Instinkt heraus nutzte ich die kurze Unkonzentriertheit von Robin aus wagte einen letzten verzweifelten Versuch. Mit einem lauten keuchen hob ich mein eigenes Bein so fest ich konnte an und traf genau die Stelle, die Robin lieber geschützt hätte. Denn nun war er an der Reihe zu schreien, nur dass es vor Schmerzen war. Fluchend fuhr er zusammen.
Er war kurz abgelenkt und übte keinen Druck mehr auf meinen Körper aus, sodass ich es tatsächlich schaffte meine Arme frei zu bekommen und mich ungeschickt aus seinen Fängen befreite.
„Miststück!", rief mir Robin hinterher, als ich mit offener Hose aus seinem Zimmer rannte. Ich musste hier raus – musste weg von Robin!
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Seid ihr überrascht, oder habt ihr Robin so etwas zugetraut? Und was sind eure Vermutungen zum Verlauf der Geschichte?
Es würde mich wirklich freuen, eure Meinung und eure Gedanken zu meiner Geschichte zu hören - auch Kritik ist natürlich gerne gesehen - also los, haut in die Tasten und kommentiert fleißig. Ich würde mich wirklich über ein paar eurer Meinungen freuen, es ist immer schön Reviews zu bekommen - egal ob sie die Geschichte loben, oder Kritik äußern.
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