#67 Mirko: Sweet Seventeen.

Die Party unter der Woche zu machen ist eine sehr gute Idee. So kann meine ach so tolle große Schwester nämlich nicht darauf bestehen mitzukommen, wenn ich 'mit Freunden feiere' da sie am Donnerstag früh zur Arbeit muss. Mein Herr Papa wiederum hat Spätschicht und dass sie nicht erwarten kann, dass ich an meinem 17. Geburtstag den Abend alleine mit ihr verbringe, hat meine Mutter sogar ganz von alleine festgestellt. Und um jeden Verdacht garnicht erst entstehen zu lassen, holt Lisa mich von daheim ab, dafür ist sie zwar etwas zu früh auf meiner Party, aber als Gegenleistung habe ich auch Finn eingeladen.

Tom und Lucas haben mir auch mehrmals versichert, dass sie alles vorbereiten und ich mir wirklich keine Gedanken machen muss.
Was ich dann allerdings erblicke als ich mit Lisa bei Tom eintreffe übertrifft meine kühnsten Erwartungen bei weitem.
Im Wohnzimmer hat Tom alles bis auf die Couch und den Fernseher mit der Anlage rausgeräumt. Dafür hat er entlang der Wände alles mit übergroßen Sitzkissen ausgestattet, weiß Gott wo er die her hat. Außerdem hat das Wohnzimmer farbige Strahler an den Wänden die an die Decke leuchten, die waren mir vorher nie aufgefallen. Und in der Küche gibt es nicht nur genug Alkohol um 100 Elefanten ins Delirium tremens zu versetzen, nein, offenbar hat Tom ohne Scheiß ein Cateringservice beauftragt etwas zu Essen zu liefern.
"Bist du verrückt geworden?" entfährt es mir entgeistert als ich Tom gegenüber stehe. "Was heißt hier geworden?" grinst dieser mich an, dann umarmt er mich: "Alles Gute zum Geburtstag Kleiner!"
"Ich weiß nicht wie ich dir für all' das jemals danken kann" murmele ich, aber er lacht nur und meint: "Das musst du nicht, hab' einfach Spaß ja?"
Während ich mich aus seiner Umarmung löse, greift Tom hinter sich und reicht mir einen Umschlag mit den Worten "Ich habe natürlich auch noch ein Geschenk für dich."

Oh Gott, wehe er schenkt mir jetzt noch Geld.

Aber Tom ist so unkreativ nicht, der Umschlag enthält einen Gutschein auf dem steht: 'Gutschein für 10 Fahrstunden, 4 Normal + 6 Sonderfahrten'.
"Ich dachte, das könntest du brauchen in deinem nächsten Lebensjahr" lächelt er. "Oh, ja, ja.... natürlich ja!" stammele ich. In einem Jahr will ich ja den Führerschein haben, hatte ich fast vergessen.
Und dann kommt Lukas mit strahlenden Augen auf mich zu: "Jetzt sind wir für einen Monat gleich alt" witzelt er, "alles Gute und Schöne und ganz viel Liebe zu deinem Geburtstag mein Mirko." Er beugt sich vor und flüstert mir zu: "Ich bin so froh, dass ich dich kennenlernen durfte!"
"Und ich erstmal" räsoniere ich, "vor einem halbe Jahr hätte ich mir nicht Träumen lassen, dass ich meinen Geburtstag mit meinem festen Freund auf meiner eigenen Party verbringen würde."
"Ich habe natürlich auch etwas für dich" sagt er und hält mir ein kleines Päckchen hin. Schnell packe ich es aus, es enthält ein kleines Schmuckkästchen und darinne befindet sich eine silberne Halskette mit einem herzförmigen Anhänger in welchem die Buchstaben M und L eingraviert sind.
Ich beuge mich zu ihm vor und bitte ihn: "Legst du sie mir an?" Behutsam hebt mein Freund das Schmuckstück aus der Schatulle und legt die Kette um meinen Hals bevor er sie hinten schließt. "Jetzt sieht jeder, dass wir zusammen sind" raunt er mir zu, dann küsst er mich in den Nacken.

Nach und nach trudeln die Gäste ein, neben Finn, Vanessa und einer weiteren Freundin von Lisa samt deren Freund habe ich noch vier Jungs aus der Jugendgruppe eingeladen, nämlich Jannik, Dirk, Marlon und Dennis, wobei Dennis seinen Freund Dominic mitgebracht hat. Außerdem ist Lucas Kumpel Timo noch da, auch damit Vanessa wenigstens einen Kerl hat mit dem sie flirten kann. Vierzehn Leute ist jetzt kein Megaevent, aber immerhin, es ist eine Party, es ist meine Party.
Und da die Auswahl an Alkohol exquisit und das Essen delikat ist, steigt auch schnell die Stimmung, dass Finn im Auftrag von Tom und Lucas noch ein wenig Gras organisiert hat, steht dem auch nicht im Wege, auch wenn Tom die Raucher auf den Balkon verbannt hat.
Unvermeidlich steht irgendwann die Idee im Raum "Mach oder gesteh!" zu spielen. Dabei handelt es sich um die regionale Kombination aus Flaschendrehen und 'Wahrheit oder Pflicht'.
Es funktioniert relativ simpel: Einer dreht die Flasche und darf von demjenigen auf den sie zeigt entweder eine Aufgabe fordern oder ein Geständnis, dann dreht derjenige die Flasche und so weiter.

Wir sitzen im Wohnzimmer ringsum und können daher in der Mitte des Raumes schön die Flasche kreiseln lassen.
Als Geburtstagskind und nomineller Gastgeber obliegt es selbstverständlich mir die Spiele zu eröffnen. Schwungvoll lasse ich die Flasche kreisen und als sie zum Stillstand kommt zeigt sie auf Dennis. "Aufgabe oder Geständnis?" frage ich ihn, er entscheidet sich für Geständnis und ich frage "Top oder Bottom?" Er wird leicht rot, antwortet dann aber unter Kichern "Bottom". Dann dreht er und so läuft das Spiel eine ganze Zeit weiter.
Irgendwann zeigt die Flasche allerdings auf Jannik nachdem Lucas sie gedreht hat. Mein Freund stellt die obligatorische Frage und Jannik entscheidet sich für Geständnis. "Mit wem hier im Raum würdeste du am ehesten gerne eine heiße Nacht verbringen?" lautet die Frage von Lucas und Jannik antwortet ohne zu zögern: "Mit Tom!" Diesem ist seine Überraschung kurz anzusehen bevor er ein gewinnendes Grinsen aufsetzt und anzüglich "So, so..." haucht. Jannik bekommt sehr rote Wangen, dann dreht er die Flasche und nachdem diese zum Stillstand gekommen ist zeigt sie auf Tom. "Aufgabe oder Geständnis?" fragt Jannik ziemlich keck und Tom grinst ihn an: "Geständnis, Aufgabe wird mir gerade zu heiß." Jannik schmunzelt und dann haut er ohne eine Miene zu verziehen raus: "Wurde dir schon mal Geld für Sex geboten?" Tom, der gerade an einem Softdrink nippt, verschluckt sich, prustet und hustet und wirft Jannik einen Blick zu, als hätte der ihm gerade gestanden sein verschollener Bruder zu sein. Als er wieder zu Luft kommt antwortet er: "Äh ja?"
"War das jetzt die Antwort oder eine Frage?" insistiert Jannik. "Das war eine Antwort" entgegnet Tom, "ja, mir wurde schon Geld für Sex geboten." Dann wird sein Grinsen dreckig: "Muss ich mir jetzt Sorgen machen, dass du dein Sparbuch plünderst und mir morgen ein eindeutiges Angebot machst?"
Nun ist es an Jannik rot zu werden während die ganze Runde in Gelächter ausbricht.
"Hast du so ein Angebot denn schon mal angenommen?" will Marlon doch tatsächlich wissen.  Tom weicht aus: "Eine Frage pro Runde, so sind doch die Regeln?"
"Er hat nicht nein gesagt!" whispert mir Lucas aufgeregt ins Ohr. "Er hat einen Herzog, denkst du er hat das nötig?" flüstere ich zurück.
Tom dreht die Flasche und sie kreiselt bis sie dann auf Marlon zeigend stehen bleibt. "Machen oder Gestehen?" fragt Tom und Marlon wägt die Risiken ab, nachdem er Tom eben noch so eine freche Frage gestellt hat, hat er nun wohl Muffensausen. "Machen" entschließt er sich endlich. "Küsse denjenigen der dir am Besten gefällt!" fordert Tom.
Marlon wird ein wenig rot, dann steht er auf und ein wenig unsicher läuft er durch unseren Sitzkreis bis er zu meiner Überraschung vor Timo stehenbleibt. Unsicher schaut er ihn an, dann meint er verlegen "Das wärst du" und dabei färben sich seine Ohren auf sehr niedliche Weise dunkelrot.
Timo steht grinsend auf "Du kannst froh sein, dass Lucas es schon mit mir geübt hat..." dann greift er Marlon am Hinterkopf und küsst ihn nach allen Regeln der Kunst. Als er wieder von im ablässt steht Marlon noch vor ihm und ist hin- und weg. "Jetzt aber nicht verlieben, ich bin ne Hete" scherzt Timo, was Marlon erneut erröten und sehr eilig an seinen Platz zurückkehren lässt.
"Mit dir hat Lucas also auch 'geübt um sich nicht bei den Mädchen zu blamieren'?" wendet sich ein sichtlich amüsierter Finn an Timo. Neben mir beginnt mein Freund reifen Tomaten farblich Konkurrenz zu machen.
"Erzähl mir mehr mein Schatz" stichele ich ihn, "mit wem hast du noch geübt um 'sich nicht bei den Mädchen zu blamieren'? Und vor allem: Was hast du alles geübt?"
"Mit mir hat auch mal einer geübt" erinnert sich Tom, "oder besser er hat an mir seinem Kumpel gezeigt wie er meine Schwester küssen soll." Er seufzt: "Leider war ich damals zu blöd zu begreifen, was der wirklich von mir will..."
"Hört, hört, Opa erzählt von früher" versucht Lucas von sich abzulenken. "Nur weil ich hier der Älteste bin" mault Tom mit gespielter Empörung.
"Echt, wie alt bist du denn?" wundert sich Jannik. "22" antwortet er knapp. "Oh, hätte ich jetzt nicht gedacht" staunt dieser.
"Also Geschichte erzählen oder Weiterspielen?" fragt Tom nun in die Runde.
"Erzähl uns was" bestimme ich, denn ich bin neugierig.

"Also" fängt Tom an zu erzählen "wie einige vielleicht schon wissen, habe ich drei jüngere Schwestern, für die Geschichte ist aber nur meine älteste von denen wichtig, Kristin heißt sie."
"Sieht die gut aus?" erkundigt sich Timo. Tom lächelt versonnen: "Oh ja, schlank, langes blondes Haar, blaue Augen und die Beine...."
"Muss in der Familie liegen" wirft Jannik forsch ein worauf Tom kurz verlegen wird.
"Also, es war vor sechs Jahren im Sommer, ich war 16, meine Sis war 14 und unsere Familie machte Sommerurlaub an einem See in Norditalien, im Trentino.
Da lernte meine Schwester einen 15-jährigen Schönling namens Ronaldo kennen, dessen Familie aus der Gegend kam, der aber in Hamburg aufgewachsen war. Dieser Ronaldo war bei seinem Cousin Stefano, der wie ich 16 war, zu Besuch. Stefano war ein heißer Typ, muskulös, blondes Haar, grüne Augen..." Tom gerät richtig ins Schwärmen, "...und er sprach auch leidlich Deutsch.
Auf jeden Fall hatten meine Eltern und wohl auch Ronaldos Onkel Bedenken, dass Ronaldo seinen kleinen Ronaldino in meine Schwester stecken könne, also bekam ich von meinen Eltern und Stefano von seinen Eltern den Auftrag auf die beiden aufzupassen.
Stefano und ich konnten uns aber besseres vorstellen als den beiden beim Knutschen zuzusehen und meist trennten sich unsere Wege an der nächsten Ecke. Und genau dieser Stefano zeigte Ronaldo wie man richtig küsst in dem er das an mir und mit mir demonstrierte. Leider habe ich damals nicht gerafft, warum ich mich so zu ihm hingezogen fühle, obwohl wir wirklich viel Spaß miteinander hatten. Und er küsste wirklich gut..." Er seufzt während er in seinen Erinnerungen schwelgt, dann meint er kichernd: "Das allerschrägste ist dabei: Meine Mutter hat mir kürzlich erzählt wie glücklich sie war, dass meine Schwester mit dem 'harmlosen Ronaldo' angebändelt hat und nicht mit dem durchtriebenen Stefano. Ich habe ihr nicht erzählt, dass der durchtriebene Stefano gerne mit ihrem unschuldig-naiven Sohn angebändelt hätte..."
"Och du Armer" spöttelt Lucas, "da musstest du wohl noch warten bis etwas in dich gesteckt wurde..."
"Woher willst du wissen, dass ich..." begehrt Tom auf, aber mein Freund unterbricht ihn sofort: "Die Zeichen neulich waren deutlich." Und Treffer, versenkt! Tom errötet und schaut peinlich berührt zu Boden.
"Welche Zeichen denn?" fragt nun Dennis scheinheilig. Tom wirft Lucas und mir einen warnenden Blick zu und grollt: "Wagt es nicht!" Lucas ignoriert diesen Blick und fängt dreist zu erzählen an: "Also als Tom letztens nach Hause kam und wir hier waren, da..." Er macht eine kleine, dramatische Pause und amüsiert sich über Toms Blick der dem Strahl des Todessterns echte Konkurrenz macht, dann fährt er fort:  "...da ging Tom ziemlich breitbeinig und wir alle wissen ja, was das bedeutet."

Huu, gerade so nochmal die Kurve gekriegt.

Die Mimik von Tom entspannt sich merkbar und sein Blick rüstet sichtlich ab. "Schlaues Kerlchen..." knurrt er dennoch Richtung Lucas, der schaut als wäre er sich keiner Schuld bewusst.

Eng lege ich den Arm um meinen Freund. "Ich bin gerade so glücklich" flüstere ich ihm zu, "aber irgendwann muss ich es meinen Ellis erzählen - und davor habe ich soviel Angst!"
"Ich bin immer für dich da!" versichert Lucas mir, "und das Angsthaben verschiebst du jetzt mal auf morgen. Heute feiern wir und saufen wir."
"Hach, du bist ja soooo romantisch" necke ich ihn und er antwortet mir ungerührt: "Tja, für mehr Romantik sind mir hier zuviele Zuschauer."

Ja, das ist mein Freund, nur Sex und Drogen im Kopf!

Und dann schieße ich mit meinem Smartphone ein Bild und schicke es 'versehentlich' mit der Bemerkung 'Echt tolle Party' an Sebi. Obwohl es kindisch ist tut es mir irgendwie gut. Er soll merken, dass er für mich zu ersetzen war. Ich habe einen Freund gefunden und neue Freunde.

Nie mehr werde ich mir einreden lassen, dass ich es nicht wert bin!




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