#54 Joao & Tom: What was taught

Joao

Es klopft an der Tür. Mein Blick fällt auf die Uhr, verdammt es ist 5:15 Uhr. "Yes?" fauche ich genervt, von vor der Tür antwortet Cèdric: "Telephone! Etienne!" Was bitte will Etienne von mir  jetzt? Aber verdammt, Tom ist auch noch nicht zurück!

"Ich komme" rufe ich und gehe zur Tür um mir von Cédric das Telefon geben zu lassen. Ein etwas überfordert wirkender Etienne textet mich sofort zu: "Joao, ich weiß nicht was ich machen soll, mit Tom stimmt etwas nicht!" "Wie, mit ihm stimmt etwas nicht?" alarmiert raunze ich durch das Telefon. "Ich weiß nicht, er hockt hier und sieht panisch aus und brabbelt was in 'ner unverständlichen Sprache..." berichtet Etienne mir mit betretener Stimme. Für mich klingt er schuldbewusst. "WAS HAST DU GEMACHT!" brülle ich in den Apparat. "Ri... Ri.. Rien?" stammelt Etienne. "Klar, wegen nichts hat Tom eine Panikattacke, verarsch mich nicht Etienne!" "Was soll ich machen?" fragt dieser verunsichert. "DU fasst ihn besser nicht an, ich komme!" befehle ich ihm, dann lege ich auf.
Um selber zu fahren bin ich allerdings zu betrunken und zu bekifft. Ich rufe nach Cédric der auch sofort erscheint. "Ich muss zu Etienne, sofort, irgendeine Lösung?" werfe ich ihm gestresst entgegen. "Ich fahre, ich hatte nur zwei Gläser Wein und dass ist vier Stunden her" schlägt Cédric sofort vor. "Ok, dann los!" kommandiere ich nur, Cédric fragt nur "Welches Auto?" ich antworte nur "Toms!" und werfe ihm den Schlüssel zu.
Cédric scheint instinktiv zu merken, dass etwas passiert ist, denn er fährt Toms Wagen sehr souverän und so, als wäre er der Protagonist in einer der 'Taxi' Filme. "Mit dem blauen und dem grünen Knopf kannst du auch Blaulicht und Sirene aktivieren" merke ich an, Cédric schaut mich überrascht an und fragt dann nur: "So dringend?" Ich nicke nur und sage: "Egal, wenn was passiert geht das auf mich!" Und so kommt es, dass Cèdric völlig unbeeindruckt die komplexe Kreuzung am Jardin René Cassin knallhart mit Blaulicht und Sirene quert bevor er über die Avenue Jules Grec Richtung Autobahn fährt als hätte er nie etwas anderes gemacht
"Ich bin verblüfft, du fährst als hättest du nie etwas anderes getan" stelle ich ehrlich beeindruckt fest.
"Ich komm' aus der Banlieue. Ich konnte schon mit 16 so fahren, dass ich die Bullen abhängen konnte" erwidert dieser absolut ruhig.
Sein Fahrkünste führen dazu, dass wir bereits nach 45 Minuten bei Etienne vorfahren, was diesen, der wohl denkt ich hätte ihm die Polizei auf den Hals geschickt, panisch die Haustür aufreißen lässt.

Mit den Worten "Wo ist er!" dränge ich ihn beiseite, er zeigt in eine Richtung, aber da eh nur ein Raum vor mir beleuchtet ist, muss ich ohnehin nicht suchen.

Tom sitzt auf dem Boden, die Knie angezogen, den Kopf auf die Knie gelegt und seine Arme schützend um den Kopf gelegt. Er bewegt seinen Oberkörper leicht vor- und zurück und wimmert dabei panisch. Was immer Etienne gemacht hat, es muss ihn sehr in Panik versetzt haben oder zumindest ziemlich getriggert haben.
Ich knie mich vor ihm hin. "Tom, hey Tom, ich bin hier, Joao..." versuche ich seine Aufmerksamkeit zu bekommen. Vorsichtig nehme ich seine Arme von seinem Kopf und er dreht sein Gesicht in meine Richtung. Seine Blicke scheinen aber durch mich hindurch zu gehen und in seinen Augen liegt Traurigkeit, Angst und auch Erschöpfung.

"Was hast du gemacht!" brüllt Cédric plötzlich Etienne an, der murmelt etwas ausweichendes, doch als Cédric Anstalten macht ihm im wahrsten Sinne des Wortes an die Gurgel zu gehen, bekommt er es mit der Angst zu tun. Zerknirscht gesteht er: "Ich wollte doch nur ein bisschen Spaß mit ihm haben." "Dein Ernst?" zische ich ihn wütend an. "Spaß?" fragt Cédric drohend, "Du meinst du hast ihn versucht zu nötigen, dass du ihn ficken kannst?" "Ich habe ihn doch nur ein bisschen befummelt und ihm sein Smartphone weggenommen" erzählt Etienne betreten. "Sonst nichts?" insistiert Cèdric. Etienne schrumpf förmlich unter dessen bösen Blicken und gibt dann zaghaft zu: "Na ja, er wollte das Smartphone wiederhaben und dann haben wir gerangelt und dabei habe ich ihm versehentlich eine geklatscht. Und dann hat er voll die Panik geschoben und ist da zusammengeklappt." Ein lautes Klatschen ertönt als Cédric jetzt Etienne eine verpasst die sich gewaschen hat. "Lass das Cédric!" sage ich, der aber murrt: "Er hätte mehr verdient!"

Ich ziehe Tom in meine Arme und flüstere ihm ins Ohr: "Alles in Ordnung, ich bin da, ich pass auf dich auf...". Dabei streiche ich ihm vorsichtig über seine Haare und ganz plötzlich holt er tief Luft, dann ist er wieder da. "Joao" flüstert er erleichtert, "du bist da." Kurz ist es still, dann sagt er nur: "Bring mich hier weg." Ich hebe ihn im Brautstyle hoch und gehe Richtung Haustür, dabei rufe ich Cédric zu: "Wir sind hier fertig!"
Ich setze mich mit Tom auf die Rückbank seines Wagen und Cédric steuert uns auf den Rückweg.

"Was war das denn?" frage ich Tom, nachdem dieser sich wieder ein wenig beruhigt hat. "Ich... ich dachte er verprügelt mich jetzt" erwidert dieser mit tonloser Stimme und vermeidet es mich dabei anzusehen. "Und dann kamen all' die Bilder, die Erinnerungen von früher wieder hoch und ich bin darinne untergegangen...." am Ende bricht seine Stimme.
"Was ist dir nur alles passiert?" frage ich ihn, aber er schüttelt nur den Kopf und haucht "Du bist ja gekommen und hast mich beschützt."

Ich muss mehr über deine Vergangenheit rausbekommen, was nur hat man dir alles angetan?

"Was hat dieser Branleur nur gedacht, dass du bist, dass er meint dich einfach schnell durchnehmen zu können?" grummele ich angepisst. Was Tom dann sagt, erschüttert mich allerdings sehr. "Vielleicht hat er einfach nur gesehen, was ich wirklich bin?" flüstert er mit seltsam unbeteiligter Stimme. "Was soll das sein?" frage ich  fassungslos. "Das ich nichts bin, nichts kann und nur für eines gut bin, ganz sicher aber nicht dafür, dass man befriends me or even loves me." sagt er nüchtern und kalt. Entsetzt erwidere ich: "Wie kommst du denn darauf?" "That's what I was taught." lautet seine Antwort die er teilnahmslos raushaut.

Das ist es, was man dir beigebracht hat? Wer, wann, wo und warum? Und wie?

Mein ungläubiger Blick trifft sich im Rückspiegel mit dem von Cédric. In einem traurigen Tonfall meint der pötzlich: "Mon avis: Wären wir in irgendeiner dieser Slash fiction Welten, dann wäre Tom der klassische Omega. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass seine Kindheit, Jugend, seine ganze Schulzeit genau so war, wie man sich das so klischeehaft vorstellt..." "Was meinst du damit?" will ich wissen. "Geh' davon aus, dass er keine Freunde hatte, keinen Respekt von irgendwem, dass er ganz unten in der Hackordnung stand, das Opfer, die Zielscheibe aller Schikanen, dass man ihm immer und immer wieder gezeigt hat, dass er in den Augen der Anderen nichts zählt." rattert er herunter. "Woher willst du so etwas wissen?" frage ich ungläubig. "Vergiß nicht, wo ich aufgewachsen bin" erläutert er ruhig, "Rangordnungen waren und sind da essentiell. Und gruppendynamische Prozesse haben mich schon immer interessiert."
"Aber ist das nicht schrecklich, wie kommt man damit klar?" Das kann ich mir nur schwerlich vorstellen.
Cédric zögert mit seiner Antwort, dann erwidert er: "So wie ich das sehe, gibt es drei Möglichkeiten: Man geht daran zugrunde, man sucht sich jemanden der einen beschützt oder man sucht sich ein neues Umfeld wo man akzeptiert wird." Er schweigt und dann ergänzt er zögerlich: "Oder man stumpft so ab, dass es einem egal wird oder man irgendwann einfach brutal zurückschlägt."
Mein Blick wandert wieder zu Tom als Cédric leise hinzufügt: "Letzteres kann ich mir bei ihm aber nicht vorstellen."

Nein, abgestumpft wirkst du nicht, Tom, denke ich, und das werde ich auch verhindern.

Vorsichtig lege ich meinen Arm um ihn und er rutscht sofort zu mir herüber, lehnt sich an mich und kauert sich in meinen Armen zusammen bevor er einfach einschläft.

Bei mir daheim angekommen hebe ich ihn aus dem Auto und trage ihn hoch ins Schlafzimmer. Nachdem ich uns beide ausgezogen habe, bringe ich uns ins Bett, wo er sich sofort an mich klammert wie ein Ertrinkender. Ich halte ihn fest in meinen Armen bevor auch ich dem Schlaf anheim falle.

Tom

Ich erwache davon, dass ein Sonnenstrahl in mein Gesicht fällt. Fest halten mich zwei starke Arme und ich weiß sofort, dass es Joao ist der mich hält. Als ich meine Augen öffne lasse ich meine Blicke wandern und stelle beruhigt fest, dass ich bei Joao im Bett liege. Dann kehrt meine Erinnerung zurück, Etienne, meine Panikattacke. Aber Joao war extra nach St. Tropez gekommen um mich zu retten. Diese Erinnerung zaubert mir ein Lächeln in mein Gesicht.

Vorsichtig, um ihn nicht zu wecken, befreie ich mich aus den Armen von Joao und husche ins Badezimmer. Fertig geduscht, in ein lockeres Shirt und gemütliche Shorts gekleidet, begebe ich mich leise ins Erdgeschoß.

Unten ist es völlig still, auch kein Cédric der in der Küche herumwirbelt. Aber nachdem der nächtens noch nach St. Tropez gefahren war um mich von den Zudringlichkeiten dieses widerwärtigen Etienne zu befreien, hat er wohl auch ein wenig Schlaf verdient. Schnell verdränge ich die dunklen Erinnerungen die sich bei dem Gedanken an Etienne wieder in mir breit machen wollen und trete hinaus auf die Terrasse.
Zu meiner Überraschung bin ich doch nicht der Einzige der schon wach ist, denn Claudio sitzt da und schaut versonnen auf das Meer hinaus.
"Buongiorno mio bello!" begrüsse ich ihn freudig. Er dreht sich herum und sagt: "Morgen ist gut, es ist nach zwei." "Oh..." sage ich und er lacht. "Konntest du nicht mehr schlafen?" bin ich neugierig. Grinsend meint er: "Doch, aber die Gemelli haben mich aus dem Bett gestoßen." Warte, was? "Du warst mit den Twins in einem Bett?" Vor meinem inneren Auge tauchen Bilder äußerst.... hmmm... anregender Natur auf. Claudio belehrt mich: "Ich habe neben ihnen geschlafen, nicht mit ihnen." "Ach soooo..." bin ich doch ein wenig enttäuscht. Er giggelt dann will er wissen: "War die Vorstellung doch so reizvoll?" "Was wäre daran bitte nicht reizvoll?" lächle ich verlegen. "Frag' die doch einfach, die wären nicht abgeneigt" kommt es von Claudio. "Wäre ich auch nicht, aber nachdem Joao vorhin mich erst aus den Fänge dieses Etienne befreien musste wäre es wohl ein ganz falsches Signal wenn ich mich jetzt mit den Gemini amüsiere" analysiere ich die Lage.
"Etienne, was hat er denn gemacht?" fragt er nun mitleidig. "Kurzfassung: Erst wollte er Spaß, ich wollte nicht und dann hat er mir eine verpasst..." rattere ich herunter. "Che segaiolo!" empört sich Claudio, dann fragt er vorsichtig: "Du und Joao? Was seid ihr?"
Ich blicke auf das Meer hinaus: "It depends wenn du fragst. Etienne würde sicherlich sagen Nutte und Herzog. Joao bezeichnet mich als seinen Boyfriend. Ich kann nur sagen, dass ich ihn liebe."
"Was würdest du alles tun aus Liebe?" fragt Cicero nun. Das ist eine schwierige Frage, wie soll man Grenzen definieren ohne sie erreicht zu haben? "Schwer zu sagen" resümiere ich, "aber ich bin mir sehr sicher, dass ich keine andere Menschen verletzen oder gar töten würde, nur weil jemand den ich liebe das von mir verlangt."
"Du würdest also sehr viel machen - und noch mehr mit dir machen lassen..." fasst Claudio zusammen. "Vermutlich, ja..." pflichte ich ihm bei. "Erschreckt dich das nicht?" will er nun wissen. Warum sollte mich das erschrecken? Ich habe wenig zu verlieren. "Das einzige was mich erschreckt, ist der Gedanke, noch mal jemanden zu verlieren, den ich liebe." stelle ich fest. Claudio wirft mir einen überraschten Blick zu: "Noch mal?" Ich nicke und sage dann leise: "Nein, möchte ich nicht drüber reden...." Er sagt nichts, aber dann legt er seinen Arm um mich und wir schauen beide still auf das Meer hinaus.

Das Pling meines Smartphones durchbricht die Stille. Ich schaue auf's Display, es ist eine Nachricht von Marco: >Hilfe, Vergil will mit mir Jungs aufreißen gehen, was soll ich tun?<
Vergil? Das erklärt einiges zu der Szene die er mir auf dem Parkplatz gemacht hat.
Schnell antworte ich: >Mitgehen und ihn die Arbeit machen lassen<
Marco erwidert: >Weiß nicht ob ich das will, irgendwelche Typen ficken<
Ich: >Also bei mir magst du das doch?<
Marco: >Das ist etwas anderes<
Ich: >Inwiefern anders? Die Typen sind sicherlich kostenlos<
Marco: >Die sind nicht du<
Ich: >Hab damit kein Problem<
Marco: >Vergiß es. Wann zurück?<
Ich: >KA, wieso?<
Marco: >Vermisse dich<
Und wieder überkommt mich dieses Gefühl, als wenn ich Marco etwas versprochen hätte und es nicht halten würde. Ich beschliesse ihm nicht weiter zu antworten. Auch wenn ich mich deswegen schäbig finde.

Joao

Es ist schon Nachmittags, als ich auch aufwache und feststelle, dass Tom nicht mehr in meinen Armen und meinem Bett ist. Sofort sind die Erinnerungen an die letzte Nacht wieder da und eine kurze Panik niederkämpfend springe ich aus dem Bett und haste durch das Haus nur um festzustellen, dass alles in bester Ordnung ist. Tom und meine Gäste sitzen auf der Terrasse und lauschen Cédric der seine gestrige Blaulichtfahrt zu einer epischen Erzählung macht, was noch lustiger dadurch wird, dass Noureddine die Erzählung äußerst witzig kommentiert und Claudio sie ebenso lebhaft ins Italienische übersetzt.
Nur Cicero und Ricardo sind nicht dabei, aber die entdecke ich auf einer der Liegen eng aneinander gekuschelt.
Ja, das war schon eine denkwürdige Nacht. Eines Tages werde ich meinen Kindern erzählen wie ich nachts mit Blaulicht durch die Provence gerast bin um ihren Papa zu retten... Moment mal, was denke ich da? Ich, Kinder, mit Tom? Ich muß dringend mit meinem Unterbewußtsein in medias res gehen.

"Da ihr ja nun alle wach seid, können wir mit dem Barbecue beginnen oder?" begrüße ich die Runde fröhlich. "Cédric, wenn du dann dein Epos deiner Heldentaten am Volant zu einem vorläufigen Ende bringen könntest?" frozzele ich. Dieser macht sich auf den Weg die nötigen Lebensmittel heranzuschaffen während ich nun mit Ricardo den Grill anwerfe. Wir werden meinen Geburtstag in fröhlicher Runde ausklingen lassen.

Ob Tom überhaupt Kinder will?









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