#39 Tom & Mirko: Wert der Dinge/Menschen.

Tom

Joao: >Do you speak French btw?<

Ob ich französisch spreche? Na ja, ich hatte 10 Punkte im Abitur mündlich und mache noch Kurse im Institut francais, also von daher...

Tom: >Oui mon amour, je parle francais, pourquoi tu demandes?<

Warum will er das jetzt wissen?

Joao: >à cause de mes projets pour l'été<

Wegen seiner Pläne für den Sommer. Da wo er Wiedergutmachung für die lange Trennungsphase betreiben will?

Ich>Joao: >What plans?<

Joao: >surprise<

Ich sollte mir den Sommer also mal frei halten. Zum Glück liegen bei mir keine Hausarbeiten an, die ich unbedingt im Sommer machen muss.

Mirko: >Also, wenn du mitkommst, ich würde gerne morgen dahin<

Jetzt will er also doch in diese queere Jugendgruppe gehen.

Ich>Mirko: >Geht klar, ich hole dich 30min vorher ab.<

Mirko: >Was soll ich denn da anziehen?<

Ich>Mirko: >Klamotten?<

Mirko: >Sehr witzig, aber im Ernst<

Ich>Mirko: >Wenn du schon im Ernst bist, ist doch egal was du an hast ;) <

Mirko: >Arsch<

Ich>Mirko: >der von Ernst?<

Mirko: >:(<

Ich>Mirko: >Frag doch deine Mädels, Lisa und Co.<

Mirko: >Du bist echt keine Hilfe!<

Ich>Mirko: >Sagt der Typ, der ohne meine Hilfe wahrscheinlich schon totgeschlagen wäre.<

Meri: >Heute Leos wie immer?<

Ich>Meri: >Jepp, hol euch ab, wie immer<

Joao: >keep summer free for me<

Ich>Joao: >Whatever you want my love<

Mirko: >Ich habe nichts zum Anziehen. Mit wem muss ich schlafen, dass er mit mir shoppen geht?<

Ich>Mirko: >Ist das jetzt eine Bitte oder ein Angebot?<

Mirko: >Verzweiflung<

Ich>Mirko: >Eher eine dumme Idee, das erste Mal für ein paar Fetzen Stoff<

Mirko: >große Verzweiflung<

Ich>Mirko: >Okay, hole dich morgen 14.30 ab und wir gehen shoppen<

Mirko: >nix haben €€€€<

Ich>Mirko: >Habe €€€ und du bleibst trotzdem ungefickt<

Mirko: >Dein Ernst<

Ich>Mirko: >Dachte Ernst ist deiner?<

Mirko: >Ok, ich sach schon ma danke?<

So und jetzt würde ich gerne IN RUHE zu Mittag speisen!

Mirko

Er geht mit mir shoppen. Und wenn ich das richtig verstanden habe, will er mir Sachen kaufen. Irgendwie ist das schon süss. Auch wenn mich das verunsichert, weil man gibt doch nicht einfach so Geld für jemand anderes aus? Und schulde ich ihm dann nicht irgendwie etwas?

Schwungvoll fährt Tom vor und ruft aus dem geöffneten Fenster seines Wagens: "Spring rein Kleiner!" Schnell steige ich in sein Auto ein und während er sich wieder in den Verkehr einfädelt fragt er mich: "Und, wo soll es denn nun hingehen?" "Äh, zum shoppen dachte ich?" frage ich verwirrt. "Ja, schon klar, aber wo willst du shoppen, welche Marken und so?" fragt er. "Kann ich frei auswählen?" frage ich vorsichtig nach und er lacht und greift in seine Hosentasche. Dann zieht er ein von einer silbernen Klammer gehaltenes Bündel grüner Euroscheine heraus und ich bekomme große Augen. "Also mehr wollte ich jetzt nicht ausgeben..." spöttelt er. Ich starre auf das Bündel Geld und überlege wieviel das wohl ist bevor es aus mir herausbricht: "Oh mein Gott, wieviel ist das?" Gerade fahren wir auf den Autobahnzubringer auf und vor uns kriecht ein kleiner roter Fiat der Tom sichtlich nervt, dennoch lächelt er mich kurz an und sagt: "10 Kilo". 10.000€, sein Ernst? Bevor ich noch was sagen kann, ist Toms Geduld mit dem kleinen Fiat - oder besser seiner Fahrerin - nun am Ende und er flucht: "Mein Gott, das nennt sich Beschleunigungsstreifen weil man da beschleunigen soll!" Dann hupt er und brüllt aus dem Fenster: "Gib Gas du dämliche Kuh!" Bevor er dann beschleunigt wie irre und direkt über die mittlere Spur an der Tussi vorbeizieht. Grinsend schaut er nun wieder zu mir: "Ich bin die Ruhe selbst - fahren wir in die große Shoppingmall am Autobahnkreuz?" Ich nicke zustimmend, von mir aus ist das einmal durch die Stadt mit den Öffis, da komme ich also eher selten hin.

Zügig fährt Tom über die Autobahn, wobei das eine nette Untertreibung ist dafür, dass er mit 160 und mehr durch die 120er Zone rauscht. Ich bin mir nicht so ganz sicher ob ich das cool finde oder Angst haben soll. Offenbar kann man mir das ansehen, denn Tom lacht plötzlich: "Mein Fahrstil sollte nicht als Vorbild dienen!" Immerhin sind wir nach nicht einmal 20min bereits auf dem Parkplatz der Mall angekommen.

Während wir auf die Mall zuschlendern frage ich Tom vorsichtig: "Woher hast du soviel Geld?" Er schaut mich amüsiert an, aber bevor er antwortet bekommt er einen ersten Ausdruck: "Glaube mir, das willst du nicht wirklich wissen." Uhh, das klingt geheimnisvoll, vielleicht Drogen? "Muss ja ein toller Job sein" merke ich gespielt gleichgültig an, "wäre ja vielleicht auch etwas für mich." Grobpackt er mich am Handgelenk und reißt er mich herum und wirft mir einen Blick zu in dem sich Entsetzen und Sorge mischen: "NEIN, GANZ SICHER NICHT!" "Aua" sage ich und sofort lässt er mein Handgelenk los. "Sorry, wollte dir nicht weh tun" murmelt er verlegen. Ein bißchen provokant lächel ich ihn nun an und erwidere: "Schon gut, Dealer war jetzt eh nicht mein Traumberuf." Sein ungläubiger Blick weicht einem Lachen und er prustet raus: "Keine Sorge, mit Drogen hat das nichts zu tun..." Beruhigend zu wissen, aber warum macht er dann so ein Geheimnis darum? Egal, irgendwann werde ich es sicherlich erfahren.

Und dann gehen wir shoppen. Von Hollister bis Hugo Boss und Hilfiger bis G-Star, von Diesel bis Dolce und Gabbana werde ich mehrfach komplett neu eingekleidet und selbst eine Jacke von Armani winkt Tom einfach durch. Dabei erzählt mir Tom, dass er Shopping eigentlich hasst, macht mir Komplimente zu meinem Aussehen, und schleppt immer neue Sachen an, die ich auch noch anprobieren soll. Nebenbei ist er noch äußerst charmant zu den Verkäuferinnen. So charmant, dass eine mir zuflüstert: "Wenn er mein Freund wäre, gäbe ich den nie wieder her!"

Dann lädt er mich noch zu Burger King ein und als wir den Laden verlassen flachst er: "Ich hoffe du hast etwas gefunden, was du heute dann anziehen kannst..." Dabei zwinkert er mir amüsiert zu. Ich nicke und erwidere dann: "Ich hoffe nur, du bereust nicht das ganze Geld was du ausgeben hast..." "Ist noch 'ne Menge da" kichert er und wedelt mit den Scheinen vor mir herum. Vermutlich aber hast du trotzdem viel für mich ausgegeben. Was er dafür wohl von mir erwartet? "Wie kann ich dir dafür danken..." hebe ich an, aber Tom unterbricht mich sofort: "Sei glücklich, das reicht mir schon." "Warum machst du das al...." versuche ich es noch einmal, aber wieder unterbricht mich Tom: "Weil ich weiß wie es ist Teenager zu sein und durch die Hölle zu gehen. Wenn ich das bei anderen verhindern kann, dann bedeutet mir das mehr als ich dir erklären kann." Aber das hast du doch schon gemacht, ohne dass du mich mit Klamotten zukippst. Er lächelt mich warm an und meint dann: "So jetzt fahren wir zu mir, damit du duschen und dich umziehen kannst und dann gehts auf zu den gaylen Jungs..."

Tom

Mit sanfter Gewalt befördere ich Mirko aus dem Badezimmer. Bei der Kürze seiner Haare ist seine gegenwärtige Frisur nunmal alternativlos. "Lass' sie dir wachsen, dann kann man da auch mehr stylen" spotte ich, "im übrigen, wenn wir nicht zu spät kommen wollen..." "Ja, ja bin ja schon fertig" zickt der Jüngere und wahrlich, er hat sich ordentlich aufgebrezelt. Schnell verfrachte ich ihn in mein Auto bevor er noch vor irgendeinem Spiegel wieder hängenbleibt.

"Die Jugendgruppe heißt übrigens 'Tom & Jerry'" informiere ich ihn und sofort kichert er. "Ein blöder Kommentar und ich zeige dir
XXXX XXXX XXXX Okay Tom, er ist erst 16. "Google es einfach" sage ich ein wenig abweisend, was er natürlich sofort tut und gleich ganz große Augen bekommt. "Ich habe nicht gesagt, du sollst dir Bilder dazu angucken." merke ich augenrollend an. "Tu ich garnicht!" macht er auf empört, aber ich kontere nur: "Deine Augen und Gesichtsfarbe sagen was anderes!" "Must du nicht auf die Straße gucken oder so?" zickt er zurück.

In der Jugendgruppe angekommen gibt es, da mit uns Neue da sind, erst einmal eine Vorstellungsrunde. Mirko hat sich natürlich so gesetzt, dass ich vor ihm dran bin. Also fange ich an: "Hi, ich bin Tom, 22 Jahre alt, Student und ich bin heute hier weil Mirko sich nicht alleine hergetraut hat." Mit einem gönnerhaften Grinsen nicke ich zu Mirko, der deutlich schüchterner an die Sache herangeht: "Also, ich bin der Mirko, ich bin 16 und gehe noch zur Schule. Und ich bin heute hier weil ich neue Leute kennenlernen will..." Derjenige der neben Mirko sitzt fragt plötzlich: "Seit ihr zwei zusammen?" Unisono antworten Mirko und ich, Mirko allerdings mit "Ja" und ich mit "Nein". Amüsiertes Gelächter erschallt und der Fragesteller fragt nach: "Wie jetzt?" "Nun, offenbar besteht da noch Gesprächsbedarf" erwidere ich lakonisch.

Wie kommt er nur darauf, zu sagen wir wären zusammen? Wünscht er sich das? Oder denkt er, er tut mir einen Gefallen wegen meiner Bemerkung mit 'Erster sein und Neid der Anderen? Soll ich ihn später darauf ansprechen oder es so lange ignorieren bis er es anspricht?

"Also habe ich noch eine Chance?" grinst der Typ neben Mirko. Mirko wird leicht rot und ich meine nur: "Ja, eine Chance wegzurennen..." Dann stellt der Typ sich auch vor: "Ich bin Lucas, 17 und gehe auch noch zu Schule und bin hier schon seit einem Jahr dabei."

Die Vorstellungsrunde geht noch ein bisschen weiter und als alle dran waren geht es erstmal in eine lockere Plauderei über. Lucas scheint ziemlich kess zu sein, denn er fragt Mirko sofort: "Hübscher, bekomme ich deine Nummer?" Mirko ist erst ziemlich überrascht, fängt sich aber rasch wieder und zieht sein Smartphone. Leider bekomme ich nicht mehr mit was er dann sagt, denn dieser Lars, der in meinem Alter ist und hier wohl eine Art von Gruppenleiter ist zieht mich beiseite und meint völlig unverblümt: "Denkst du wirklich, dass du hier reinpasst?" Ähm, wie bitte? Ich versuche ruhig zu bleiben und antworte freundlich: "Ich bin nur wegen Mirko hier." "Ich denke auch nicht, dass du ein guter Umgang für den bist!" setzt dieser Lars noch einen drauf. Ich mustere ihn, aber sein Gesicht sagt mir weiter nichts, also erwidere ich mit kaltem Ton: "Kennen wir uns?" Er bekommt einen abwertenden Gesichtsausdruck und zischt mir zu: "Nicht direkt, aber ich weiß genau was du bist!" Ah daher weht der Wind. "Möchtest du nicht gleich allen sagen was ich bin, warum so rücksichtsvoll?" fauche ich ihn mit vor Sarkasmus triefender Stimme an. Er wirkt kurz verunsichert, dann wird sein Blick wieder angewidert und er sagt: "Muss ja nicht sein oder?" "Keine Sorge" versichere ich ihm, "ich bin Weg sobald Mirko alleine oder nicht mehr herkommen will, ich merke wenn ich nicht willkommen bin!" "Lass' den Jungen doch in Ruhe!" erdreistet sich mein Gegenüber da zu sagen. "Mirko in Ruhe lassen? Damit er jeden Tag in der Schule wieder in Ruhe gemobbt und geprügelt werden kann? Und sich zu Hause nichts zu sagen traut?" erwidere ich und meine Stimme ist eiskalt vor Wut. "Was glaubst du wer du bist? Räum' mal mit deinen Vorurteilen auf!" "Na so schlimm kann es ja bei dem daheim nicht sein, wenn man mal sieht mit welchen Klamotten der hier herumläuft" versucht Lars mich weiter zu provozieren. "Weil DU ja auch genau weißt, dass er die von seinen Eltern hat?" ätze ich und er entgegnet mit gespielter Gleichgültigkeit: "Ja von wem sonst?" "Frag' ihn doch einfach selbst!" gifte ich ihn an, "aber eines kann ich dir versichern, wenn du ihm irgendeinen Dreck über mich erzählst, dann wird 'das was ich bin' dafür sorgen, dass du sowas von gefickt wirst." Lars wendet sich stirnrunzelnd von mir ab und ich gehe mit den Worten "Brauch mal kurz frische Luft" nach draußen um mich zu beruhigen.

Wäre Mirko nicht würde ich jetzt sofort abhauen. Das mir jemand sagt, dass ich nichts wert bin, Dreck bin, nicht willkommen bin, es triggert mich auch 3 Jahre nach der Schule immernoch massiv. Mühsam schlucke ich den Kloß in meinem Hals herunter und versuche das Zittern meiner Hände zu beruhigen. Du wirst nicht weinen! sage ich mir selbst wieder und wieder.

Plötzlich kommt dieser Lars zu mir nach draußen und baut sich vor mir auf: "Hab ihn gefragt, er sagt die sind von dir!" "Und, wenn schon..." murmele ich und versuche das Gefühl was er in mir auslöst zu unterdrücken. "Und dafür soll er dich dann ranlassen?" blökt dieser Idiot mich nun an. "Ja sicher, mein einziges Ziel ist ihn zu 'dem was ich bin' zu machen" höhne ich, "weil man kann sich ja nichts besseres vorstellen, so geachtet und geschätzt von allen Menschen, wie du mir ja gerade wieder so toll vor Augen führst." Die letzten Worte kommen mit einer Bitterkeit aus meinem Mund die sogar mich überrascht. Überrascht zieht Lars seine Augenbrauen hoch, aber jetzt bin ich wirklich verletzt und sauer: "Was glotzt du jetzt so blöd? Wartest du jetzt das ich heule, nachdem du mir deutlich gemacht hast was für eine Art Untermensch ich bin?" Mit einem für mich undefinierbaren Blick fixiert er mich weiterhin und aus mir bricht es heraus: "Dann kannst du dich freuen, du bist gut darinne..." Meine Stimme bricht ab und ich kann meine Tränen nicht mehr halten. Ich brauche einige Zeit bis ich mich wieder soweit im Griff habe, dass ich mich artikulieren kann. Lars steht noch immer da mit diesem rätselhaften Blick. "Und, fühlst du dich jetzt großartig, richtig überlegen?" frage ich ihn mit rauer Stimme um dann frustriert nachzuschieben: "Oder musst du mich dafür noch schlagen?" Er antwortet nicht und ich zucke deprimiert mit den Schultern: "Hab verstanden, dass ich hier nicht willkommen bin." Ich wische mir mit einem Taschentuch die Tränen ab und wende mich wieder dem Eingang zu, da hält mich Lars plötzlich an der Schulter fest: "Willst du jetzt so da rein?" "Sorge um mich oder 'was die Leute denken'?" frage ich ihn zynisch und er meint nur: "Muss ja nicht jeder wissen, dass du geheult hast..." "Keine Sorge, ich schiebs auf den Heuschnupfen, wird schon keiner erfahren, dass der achso engagierte, großartige Lars in Wirklichkeit ein intoleranter Mobber ist!" höhne ich und begebe mich wieder hinein.

Drinne ist Mirko im lebhaften Gespräch mit Lucas. Ich gehe zu den beiden hin und unterbreche sie: "Ich störe euch ja nur ungern, aber mein Heuschnupfen spielt heute ziemlich verrückt, ich würde gerne demnächst heimfahren." "Oh ja, sieht echt Scheiße aus" meint Mirko. "Wir kommen nächste Woche wieder wenn es dir gefallen hat" versichere ich ihm, laut genug, dass auch alle anderen es gehört haben. "Ich schreib Dir" versichert Lucas noch Mirko, dann verabschieden wir uns.

Da ich nicht sehr gesprächig bin fahre ich Mirko direkt zu ihm nach Hause. Die neuen Klamotten wird er sowieso nur peu a peu mit Heim nehmen, nicht dass noch irgendwer blöde Fragen stellt.

Zu Hause gehe ich sofort zu Bett, die Sache mit diesem Lars hat mich mehr runtergezogen als mir lieb ist.

Bevor ich einschlafe schicke ich noch eine Sprachnachricht an Joao: >"Go to sleep now. It's been a shitty day. Would like to hear your voice...."<

Bild oben: Lucas









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