#144 Tom & Mirko: Let's Dance
Tom
Das blöde Bild in der Zeitung hat natürlich die Gerüchteküche wieder ganz ordentlich angeheizt an der Uni.
In Kombination mit meinem Automobil, dessen besondere Ausstattung natürlich auch schon lange die Runde gemacht hat, kommen die abenteuerlichsten Theorien zu Stande womit ich mein Geld verdiene.
Aber irgendwas mit Geheimdienst oder so, da ist man sich einig.
Auch meinen Eltern ist das Bild natürlich nicht entgangen und während mein Vater sich daran erinnert hat, dass ich ja mit Marco Lyrssen zusammen bin und die Sache damit für ihn geklärt ist, ist das bei meiner Mutter anders.
Sie hat mir einen Brief geschrieben in dem sie sich ein wenig verklausuliert auf die Gerüchte vonwegen Geheimdienste bezieht und moralische und ethische Bedenken wegen dieser Art der Arbeit vorbringt.
Meine Schwester ist jetzt an derselben Uni wie ich, das hätte ich wohl mehr bedenken sollen.
Ich weiß ehrlich nicht ob ich jetzt lachen oder weinen soll, denn mit der Wirklichkeit hätte sie sicher auch moralische und ethische Bedenken.
Von daher beschließe ich so zu tun als hätte ich den Brief niemals bekommen. Einfach mal abwarten ob sie mich darauf anspricht.
Kaum, dass ich heute wieder in die Uni komme, renne ich auch schon in Vergil. Oder er in mich, ganz so wach und aufmerksam bin ich noch nicht.
Während ich eine Entschuldigung murmele grinst er mich boshaft an und meint süffisant: "Ich weiß was du letztens im Parkhotel gemacht hast."
Zum Glück bin ich schlagfertig genug ihn völlig emotionslos anzuschauen und dabei sarkastisch festzustellen: "Oh, der kleine Vergil kann schon alleine die Bilder in der Zeitung angucken!"
Offensichtlich war das nicht die Reaktion die Vergil erwartet hat, denn er zischt mir erbost zu: "Darüber reden wir noch!"
Dann stehe ich vor Marco der mir nur einen traurigen Blick zuwirft und leise "Hey" sagt.
"Hallo Marco!" begrüße ich ihn zerknirscht und da er nichts weiter sagt, fahre ich fort: "Es tut mir leid, ich hätte es dir sagen müssen..."
"Hätte das etwas geändert?" unterbricht er mich.
"Nein, zu dem Zeitpunkt wo ich erfuhr, dass du da hinkommst gab es kein Zurück mehr für mich" beeile ich mich ihm zu versichern.
Zu meiner Überraschung legt er seine Hand an meine linke Wange und sagt leise aber eindringlich: "Ich will dich nur nicht nochmal verlieren!"
"Ich..." hebe ich an, verstumme aber hilflos, denn ich weiß nicht was ich darauf antworten soll.
Seine Hand wandert langsam zu meinem Kinn und löst sich dann von meinem Gesicht. "Ich hoffe nur, dass mein Vater rasch vergisst wie du aussiehst..." murmelt er, dann meint er lauter: "Lernen erstmal nur noch bei dir!"
Fast schon ein wenig unterwürfig erwidere ich: "Ja, natürlich..."
Dann wendet er sich ab und meint im Weggehen über seine Schulter: "Bis nachher in der Bib."
Was bitte ist hier gerade passiert? frage ich mich während ich ihm hinterherstarre.
.
Mirko
"Das gefällt mir schon besser..." meint Tom aus seinem Sessel heraus als ich in einem sehr taillierten, marineblauen Anzug von Hugo Boss aus der Umkleide trete.
Der sehr huschige Verkäufer schiebt mich vor den Spiegel und ich muss zugeben, auch mir gefällt was ich sehe.
"Nehmen wir, jetzt noch Hemd und Fliege dazu" höre ich Tom den Verkäufer kommandieren.
"Was kostet der denn?" flüstere ich dem Verkäufer zu.
"599, Schätzchen" wispert er zurück.
Mein Blick geht wieder zurück zu Tom, der völlig relaxt in seinem Sessel sitzt.
Kaum dass die Husche weg ist um nach der Fliege zu gucken frage ich ihn: "Weißt du was der kostet?"
Er wirft mir einen amüsierten Blick zu und die Stimme des Verkäufers imitierend meint: "Oh ja, Schätzchen, das weiß ich."
"Aber..." will ich einwenden aber er unterbricht mich affektiert: "Bssssss, ich will nichts hören..."
Dabei wedeln er noch so albern mit den Händen, dass er mich an jemand erinnert: "Boah, du bist tuntiger als dieser Rudy aus 'Das fünfte Element'."
Worauf er nur noch mal mit den Händen wedelt und "Bssssss" macht, was den im selben Moment um die Ecke kommenden Verkäufer ziemlich irritiert, denn der bleibt stehen als wäre er gegen eine Glaswand gelaufen.
Jetzt kann ich mich vor Lachen garnicht mehr halten, aber Tom bedeutet dem armen Mann mit einer huldvollen Handbewegung näher zu kommen.
"So präsentieren Sie uns die Fliegen" fordert er ihn gönnerhaft auf.
Nachdem er mir mehrere angelegt hat nehmen wir am Ende eine in Silber auch wenn Tom die in Purpurrot vorgezogen hätte. Die ist mir dann aber doch ein wenig zu bunt gewesen.
Nachdem wir also Anzug, Hemd und Fliege haben ist zu meiner Überraschung die Einkaufstour noch lange nicht beendet, denn wie Tom sagt: "Du kannst dazu keine Sneaker tragen und in Sneakern kannst du nicht tanzen!"
Von daher gilt es nun auch noch mir ein paar mehr oder minder edle Ledertreter zu beschaffen.
Zu meiner klammheimlichen Freude gestaltet sich das einfacher als erwartet, denn in meiner Größe gibt es genau ein Paar in Blau und braune Schuhe wischt Tom energisch beiseite: "Braune Schuhe sind was für Landeier, der Gentleman aus der Stadt trägt Schwarz oder Blau!"
Als die Verkäuferin in dem Schuhladen tatsächlich einwendet: "Das kann man heute nicht mehr so sagen..." trifft sie der Blick des Todes von Tom und äußerst schmallippig weist er sie zurecht: "Sie hören doch, dass man das sagen kann, im übrigen denke ich, dass ich schon mehr Gentlemen getroffen habe als Sie sich vorstellen können!"
Bevor die Ärmste noch etwas sagen kann, meint er resolut: "Wir nehmen die!"
Und so nehmen wir die.
Statt nun direkt zurück zu Tom zu fahren, fährt dieser zu meiner Überraschung Richtung Starkhausen und dann sogar in die Straße wo Lucas wohnt.
Als er dann direkt vor Lucas Haus hält muss ich es wissen: "Was machen wir hier?"
"Wir holen Lucas ab" erklärt er als wäre das doch das Selbstverständlichste überhaupt.
"Warum?" Ich stehe wohl auf dem berühmten Schlauch.
"Du hast gleich deine erste Tanzstunden und ich brauche Lucas um es dir zu zeigen" grinst Tom und dann kommt schon mein Freund in einer weißen Tuchhose und einem ziemlich weit offenen Hemd mit seinen Tanzschuhen in der Hand herangelaufen.
Kaum, dass er sich hinten ins Auto gesetzt hat beugt er sich auch schon zu mir vor und raunt: "Let's dance, Baby!"
Nun fahren wir wirklich zu Tom.
Der hat schon den Tisch und die Sessel und die Stühle aus seinem Wohnzimmer geräumt und das Sofa zusammengeklappt.
"Es ist nicht besonders viel Platz, aber dafür Parkett" meint er und fährt dann grinsend fort:
"Der Laden unten hat zu und die Oma oben hört eh nichts mehr..."
Während mein Freund schon seine Tanzschuhe anzieht stehe ich noch unschlüssig herum bis Tom meint: "Die neuen Schuhe anziehen, allez-hopp!"
Auch er selber kramt solche Schuhe hervor und zieht sie sich an.
Also mache ich wie geheißen und ziehe meine neue Schuhe an.
Nur um gleich festzustellen, dass die auf dem Parkett nur eine begrenzte Adhäsion haben.
"Zuerst Walzer oder zuerst Foxtrott?" fragt Tom während er seine Anlage einschaltet.
"Mir sacht beides nix!" bemerke ich spitzfindig.
"Ok" meint Tom nur achselzuckend und dann: "Lucas, herkommen!"
Der trottet brav zu Tom herüber und nimmt Aufstellung. Tom fast mit seiner Rechten um Lucas herum, der will das aber auch bei ihm. Lachend kommentiert Tom das: "Nee, nee Kleiner, ich bin ja für Dominanz empfänglich aber hier führe ich!"
Mein Freund guckt nicht ganz überzeugt, aber Tom greift resolut mit seiner linken Hand dessen Rechte und packt dann mit seiner Rechten fast an den Po meines Schatzes und zieht ihn kräftig an sich heran. Der quietscht sehr unmännlich auf und mault dann: "Ich will aber nicht als Frau tanzen..."
"Das kannst du ja später mit Mirko diskutieren, bei mir bist du folgsam" bügelt Tom sein Gemaule ab.
Dann wendet er sich an mich und meint: "So, zuerst Walzer, schalt die Musik an."
Den Startknopf auf der Fernbedienung drückend tue ich wie gewünscht und die Musik erklingt.
Walzer ist also diese Andre Rieu Musik...
Dann aber setzen sich die beiden Tänzer in Bewegung. Kurz noch gibt es kleinere Probleme weil Lucas eben nicht gewohnt ist 'die Frau' zu tanzen doch dann fällt mir fast die Kinnlade herunter.
Scheinbar schwerelos wirbeln die beiden über das Parkett, souverän führt Tom meinen Freund der sich gefügt hat und sehr anmutig seinen Kopf nach hinten wirft.
Ich will das auch können! Aber ich will auch nicht, dass die zwei unnötig lange so aneinander kleben. Und wo Toms rechte Hand ist bei Lucas, gefällt mir ganz und garnicht.
So freue ich mich als die Musik verklingt.
Tom geht zu seiner Anlage, fummelt da herum, dann schnappt er sich erneut meinen Freund und die beiden nehmen Aufstellung.
"Jetzt Foxtrott" verkündet er, "Mirko, press the button!"
Zu meiner Überraschung ertönt Frank Sinatra mit 'New York, New York'. Das ist also Foxtrott.
Auf mich wirkt der zumindest einfacher als der Walzer.
Etwa eine Stunde später ist mir klar, dass der Grundschritt beim Walzer zwar grundsätzlich einfacher ist als der beim Foxtrott, dass das mit dem Drehen beim Wiener Walzer allerdings eine Sache für sich ist.
Ich weiß nicht wieviele Male ich Lucas und Tom auf die Füße getreten bin aber irgendwann ist es dann tatsächlich soweit und Tom startet einmal mehr die Musik.
Inzwischen erkenne ich am Rhythmus, dass es sich um einen Walzer handelt.
Lucas überlässt mir tatsächlich die Führung und nachdem ich ein paar Male vorsichtig mit dem Grundschritt in den Takt gefunden habe wage ich die Drehung...
...und es klappt. Urplötzlich sind da nur noch die wunderschönen Augen meines Freundes welche mich anschauen und alles um uns herum versinkt während wir uns drehen.
In dem Moment verstehe ich das besondere am Miteinander-Tanzen in den ganzen historischen und den Märchenfilmen.
Als dann die Musik verstummt und wir ohne zu fallen wieder zum Stillstand gekommen sind, empfinde auf eine gewisse Art eine große Euphorie.
Dann sagt Tom in die Stille: "Na, der Wiener Walzer läuft doch schon ganz gut, wer Wiener Blut so hinbekommt ohne den Partner zu verletzen kann sich doch schon sehen lassen."
Wiener Blut, hä wat?
Mein Unverständnis muss mir wohl deutlich anzusehen sein, denn Lucas wispert mir zu: "Wiener Blut ist ein bekannter Walzer von Strauss."
Ah, Wiener Blut ist der Titel des Musikstücks, sowas muss man mir doch auch sagen...
"Für heute war es das!" verkündet Tom.
So verlassen Lucas und ich giggelnd Toms Zuhause, allerdings nicht ohne uns versichert zu haben, dass es ihm gut geht.
Seine Antwort war allerdings: "Raus mit euch, ich muss heute Abend eh noch arbeiten!"
Zum Glück habe ich Lucas noch schnell angerempelt, denn der wollte noch was sagen.
Was blödes jede Wette!
"Und, was wolltest du Tom noch fragen?" piesacke ich ihn.
"Hmm also..." es scheint ihm peinlich zu sein, also war es was Dummes, "ich hätte fast gesagt: 'Wieder einen Prinzen angeln?'"
"Wie gut, dass ich dich gestoßen habe" merke ich dazu nur an.
"Also, stoßen darfst du mich gerne noch mehr, wenn wir bei mir sind" erwidert er lasziv.
"Na dann, auf zu dir, worauf warten wir?"
Wird Zeit, dass ich dich mal wieder ordentlich zurechtstoße!
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