#139 Marco & Tom: Geburtstag - Nicht allein!
Marco
Heute hat Tom Geburtstag und ebenfalls heute treffen wir seinen Vater und dessen Freundin.
Auf dem Weg in die Stadt rein erzählt er mir noch ein paar wissenswerte Dinge über seinen Papa: "Also, er hat meine Mutter verlassen als ich 18 war - und wenn du mich fragst, weniger weil seine jetzige Freundin jünger ist als wegen dem esoterischen Gespinne meiner Mutter!"
Das kann ich gut verstehen!
"Ich komme heute ganz gut mit ihm aus, allerdings, als ich Kind und Jugendlicher war, war das anders. Mein Vater war überfordert mit mir - glaube ich - und dann hat er mich geschlagen bis Oma - also seine Mutter - das spitzbekommen und ihm die Leviten gelesen hat. Endgültig aufgehört hat es aber erst als ich mit 15 einen Sessel nach ihm geschmissen habe..." berichtet er weiter.
Du Glücklicher, ich kann es immernoch nicht mit meinem Vater aufnehmen!
"Ansonsten ist er Beamter und hat eine entsprechende Weltsicht" fährt Tom fort, "dass er mit meiner Homosexualität klar kommt verdanke ich sicherlich dem Einfluss seiner Freundin, die ist vergleichsweise progressiv."
Tom hält vor einem der Stadthäuser nicht unweit des Hauptbahnhofs, springt aus dem Wagen und klingelt, kurz darauf öffnet sich das Tor zur Tiefgarage und wir fahren in diese hinein.
Nachdem er den Wagen dort geparkt hat laufen wir wieder nach draußen und dann zur Haustür.
Ein erneutes Klingeln öffnet diese und während wir eine Treppe hochsteigen erscheint an deren oberen Ende ein für sein Alter ziemlich gut aussehender Herr, der trotz seines Bartes eine Verwandtschaft mit Tom nicht leugnen kann.
Also wenn Tom nach seinem Papa gerät ist er auch in 30 Jahren noch sehr lecker...
Auch sein Vater umarmt ihn zur Begrüßung, aber anders als bei seiner Mutter scheint das Tom hier wenig auszumachen.
"Mein Vater, Hans Dieter Keran" stellt er mir ihn vor, dann wendet er sich an ihn: "Papa, das ist mein Freund Marco Lyrssen!"
Ich sage etwas wie "Sehr erfreut.." während sein Vater mich aufmerksam anguckt und fragt "Von DEN Lyrssens?"
"Ja allerdings..." bestätige ich und merke sofort zwei Dinge, erstens, dass er Respekt vor mir hat und zweitens, dass er meinen Vater kennt und ihn richtig einschätzt und deswegen Mitleid mit mir hat.
Tom registriert das auch und merkt an: "Bei Marcos Eltern sind wir noch nicht so weit...", was sein Vater sofort mit einem Nicken quittiert.
Dann wendet er sich wieder an mich und meint: "Lass uns Duzen min Jung, nenn' mich Hans und gut is'".
Das freut mich natürlich und ich antworte "Danke Hans, das freut mich sehr!"
In der Wohnung wartet dann seine Freundin die erst Tom umarmt und ihm zum Geburtstag gratuliert, dann stellt sein Vater sie mir vor: "Das ist Petra, meine Freundin, Petra, der junge Mann ist Marco, der Freund von meinem Ältesten..."
"Wir haben gleich nebenan reserviert" teilt sein Vater mit. Nebenan ist ein sehr gutes mediterranes Restaurant in das ich auch gerne gehe.
Zuerst aber gibt es Geschenke für Tom.
Trotz der nicht ganz einfachen Vorgeschichte ist der Umgang von Tom mit seinem Vater lockerer und auf eine gewisse Art herzlicher als mit seiner Mutter.
Als wir dann drüben im Restaurant sitzen kommt tatsächlich auch die Rede auf Toms Mutter.
Sein Vater fragt ziemlich unverblümt: "Und, wie geht deine Mutter damit um?"
Tom grinst und meint spöttisch: "Ihr Guru hat über 600 Werke verfasst, aber kein Wort über Homosexualität verloren, da weiß sie wohl nicht so genau was sie davon halten soll..."
Und dann lachen er und sein Vater laut und auf eine gewisse Art befreiend.
Sein Vater beugt sich zu mir und meint: "Du hast meine Exfrau schon kennengelernt?" Ich nicke und er fährt fort: "Na, dann muss ich dir ja nichts erklären..." "Nein, wirklich nicht" erwidere ich und meine Stimme sagt mehr über meinen Eindruck von Toms Mutter als meine Worte und so müssen auch sein Vater und ich lachen.
Was würde ich dafür geben, wenn mein Vater nur ein bisschen so wäre wie der von Tom.
.
Tom
Das Abendessen mit Papa und Petra lief wirklich sehr angenehm.
Gerade frage ich mich wirklich, warum soviel Angst davor hatte mich bei meinem Vater zu outen.
Und dann erwähnte der noch die beiden zusammenlebenden Arbeitskolleginnen von ihm, die mich als Junge immer mit in die Oper nach Wersermünde genommen haben.
Die waren ein Paar! Natürlich waren sie das, nur ich Trottel habe das bis heute nicht begriffen.
Ich hatte Angst mich bei meinem Vater zu outen, der mich als Kind regelmäßig einem Lesbenpaar anvertraute.
Wie konnte ich nur so blind sein?
Wie konnte ich nur so weltfremd sein?
Wie.... ach mach dir doch nichts vor, du weißt doch wie du erzogen wurdest...
"Kommst du noch mit ins Leos?" wende ich mich an Marco während ich meinen Wagen aus der Garage manövriere.
Marco schaut mich überrascht an, dann überlegt er.
"Na komm, du kannst deinen Eltern doch sagen, dass wir feiern waren, mein Geburtstag" versuche ich ihn zu überzeugen.
"Und Uni?" fragt er.
"Dann sind wir morgen halt mal nicht da..." meine ich.
"Das heißt ich schlafe später bei dir?" erkundigt er sich.
"Bei mir, mit mir, was immer dir pläsiert" raune ich.
"Okayyyyy..." sagt er, "dann los!"
Und so presche ich über den Kreisverkehr am Stern und rausche die Parkallee hinunter Richtung Uni und Leos.
Als ich vor dem Leos einparke, wende ich mich nochmals an Marco: "Die da drinnen wissen, dass das mit João vorbei ist. Sie wissen nicht alle von der Verlobung und keiner weiß, dass er ermordet wurde. Ich wäre dankbar wenn das so bleibt..."
Kurz blickt er mich erstaunt an, dann fängt er sich und sagt betont neutral: "Klar, selbstverständlich!"
Dann gehen wir hinein und ich freue mich, dass Meri, Manuel, Niclas, Mischa und alle die anderen nicht vergessen haben, dass ich noch Geburtstag habe.
Und darüber, dass sie nett zu Marco sind und keiner von ihnen auch nur einmal João erwähnt oder sich wundert, dass ich mit Marco hier bin.
Wobei ich dankbar bin, dass Marco mit mir kommt und auch dafür sorgt, dass ich später in der Nacht nicht alleine sein werde.
Trotz allem, ich bin nicht allein!
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