#112 Tom & João: Supersonic

Tom

"Ein Panzer, ein U- Boot oder die Concorde sind viel ästhetischer als alle heute zur Verfügung stehenden Kunstwerke von Picasso bis zu meinem Mist." fand einst Joseph Beuys und auch wenn ich da bei Panzern und U-Booten nicht seiner Meinung bin, was die Concorde angeht hat er durchaus Recht.
Ja, sie ist laut, sie ist gefräßig und ein Fossil aus der Zeit des Futurismus.
Aber sie ist auch ein Mythos, wird einmal eine Legende sein und sie ermöglicht es, schneller als die Zeit zu reisen.
Zumindestens, wenn man wie João und ich heute, Richtung Westen unterwegs ist.
Eine Flugzeit von drei bis dreieinhalb Stunden führt bei einer Zeitverschiebung von Minus 5 Stunden dazu, dass man in New York knapp zwei Stunden früher ankommt als man in Paris abgeflogen ist.
Natürlich zu den jeweiligen Ortszeiten.

Zumindest für mich fühlt sich das an wie gelebte Science-Fiction und ich bezweifle sehr stark, dass ich mich jemals in meinem Leben mit einer höheren Geschwindigkeit als Mach 2,2 bewegen werde.
Und wenn, werde ich dabei sicherlich nicht von edlem Porzellan speisen und Champagner serviert bekommen (meinen trinkt natürlich João).
Denn selbst wenn der Überschallschwan einen Nachfolger bekommt irgendwann zu meinen Lebzeiten, ich glaube kaum, dass der dann schneller unterwegs ist.

Von daher sind wir um 8:30 Uhr Eastern Standard Time bereits in New York und auf dem Weg unser Gepäck abzuholen.
Auch wenn es sich für mich irgendwie unwirklich anfühlt, ich beginne zu verstehen, dass Brunch um zehn Uhr mit Ricero alles andere als unrealistisch ist.

"Park Avenue/East 50th Street" sagt João zum Taxifahrer und ich gucke etwas verblüfft.
"Die kennen hier nur Kreuzungen. Selbst wenn du denen berühmte Hotels, die Metropolitan Opera oder sowas nennst, haben die keine Ahnung..." erklärt er mir.
"Machen wir den Brunch im Hotel?" erkundige ich mich.
"Ja, der ist legendär da" erwidert mein Freund.
"Ich vermute das Hotel auch?" grinse ich, denn ich habe eine ungefähre Vorstellung wo Park Avenue Ecke 50. Straße Ost ist.
"Oh ja, allerdings" erwidert er mit fettem Grinsen.
Und da die Park Avenue komplett über den Gleisen der Grand Central Station verläuft, muss es ein legendäres Hotel sein, das ebenfalls über den Gleisen steht. Und da gibt es nur eines in New York, nämlich das Waldorf-Astoria.
Oh holy shit, wir sind im Waldorf-Astoria!

"Haben wir da auch eine Suite?" erkundige ich mich neugierig?
"Rico hat eine, da ist genug Platz für uns" erwidert João unbekümmert.
Na dann, zur Not teile ich mir auch ein Bett mit Cici und Rico...

Es ist das Waldorf-Astoria. Sogar der Taxifahrer hat das begriffen und hält direkt vor dem Haupteingang.
So gleich eilen die Hotelangestellten herbei, laden unser Gepäck aus und bringen uns zur Rezeption.
Wo sich nach einem kurzen Wortwechsel herausstellt, dass die Suite von Mister Pampuch sich in den Waldorf Towers befindet und man sich nun beeilt den bereits avisierten Duke of Caxias dorthin zu bringen.
Ich laufe einfach mal hinterher, denn ich scheine hier wohl unsichtbar zu sein.

Die Suite befindet sich im 33. Stock und niemand anders als ein ziemlich aufgedrehter Cicero öffnet uns.
"Ohhhh, João... Tom..." quietscht er und fällt uns um den Hals.
Die Hotelmitarbeiter schauen ein wenig pikiert, was Cicero, João und auch Ricardo der nun hinzukommt geflissentlich ignorieren. So wie sie die Mitarbeiter eigentlich überhaupt übersehen.

Kurze Zeit später wird unser Gepäck gebracht und João und ich machen uns frisch, in verschiedenen Badezimmern wohlgemerkt.
Danach geht es auf zum Brunch.

"Der Brunch im Waldorf ist einmalig" informiert mich Cici aufgeregt, "er ist auch als 100-Dollar-Brunch bekannt."
"100-Dollar-Brunch?" frage ich verdutzt.
"Soviel kostet es pro Person" posaunt Cicero unbekümmert hinaus.
Wahrlich, ein echtes Schnäppchen!

Um ehrlich zu sein, es ist kein Brunch, es ist eine Todsünde. Oder animiert zumindest sehr erfolgreich zu einer, nämlich zur Völlerei.
Hummer, Shrimps, Austern und Kaviar, Beef Wellington und Lammkarrées, unzählige Sorten Brot und noch mehr Süßgebäck und Süßspeisen aller Art, eine vierstufige Schokoladenfontaine...
...Brunch im Waldorf-Astoria ist an Dekadenz kaum zu überbieten. Okay, ein paar nackte, gutaussehende, willige Jungs zu unseren Diensten würde das ganze noch steigern, aber dann wäre es wirklich nicht einmal mehr durch die Exzesse im späten Rom zu toppen.

"Du hast da was?" kichert Cici neben mir dreckig. "Was, wo?" frage ich, aber anstatt zu antworten beugt er sich vor und leckt mir einfach mal über meine Mundwinkel.
"Jetzt ist es weg" grinst er.
"Sicher, jeder gute Eindruck den man von uns vielleicht noch hatte allerdings auch" spotte ich.
João lacht, Ricardo weiß nicht ob er das lustig finden soll, grinst dann aber doch.
"Ihr wart also über Silvester in New York?" erkundige ich mich.
"Oh ja und es war fabelhaft!" begeistert sich Cicero sofort, "wir waren auf dem Broadway und dann gab es ganz viel Feuerwerk und wir waren in einem Musical und in diesem Club und..."
"Hol mal Luft Cici" unterbricht João ihn.
"Was hast du mit ihm gemacht, der ist ja dauerhaft im 'überdrehter Teenboy-Modus'" wendet er sich dann an Ricardo.
"Aber wirklich" mische ich mich süffisant ein, "hatte er zuwenig Sex und viel zuviel?"
Ricardo wird tatsächlich ein wenig rot.
"Viel zuviel Sex?" nimmt Cicero schon wieder Fahrt auf,"das ist doch garnicht möglich, außerdem bekomme ich von Ricardo nie genug und von Sex auch nicht und von daher ist es voll dumm so was zu behaupten, denn..."
Und da küsst ihn Ricardo einfach damit er seine Gosch hält.
"Was müssen wir ihm zu essen holen, damit er ruhig bleibt wenn Rico die Luft ausgeht?" erkundige ich mich bei João.
"Keine Ahnung" seufzt der, "sonst haben wir ihn einfach irgendwo festgebunden wenn er so drauf war, aber das geht hier ja kaum..."
"Da hilft auch nur noch ein Knebel" merke ich an, "aber wie du schon festgestellt hast, hier jetzt schwierig machbar."

Kaum das Ricardo von Ihm ablässt plappert Cicero auch schon wieder los: "Au ja Bondage, weißt du Tom, João würde das ja auch gerne einmal mit dir machen aber er hat Angst, dass dich das triggert wegen der Sache mit Felipe, aber eigentlich ist das voll geil und ich glaub João kann das echt gut und wenn du nichts dagegen hast, dann lass' es ihn ruhig mal machen denn ich glaube er traut sich nicht dich zu fragen was ich echt komisch finde, weil sonst lässt er immer den Dom voll raushängen und jetzt traut er sich nichtmal dich zu fragen, dabei könnte er es dir doch auch einfach mal befehlen und dann gucken ob es... brabbel, hust, röchel."
Ricardo hat ihm einfach ohne Vorwarnung eine komplette Banane in den Mund geschoben und tatsächlich hat das Ciceros Plappermaul zur Ruhe gebracht.

So, mein Lover will mich alles nach allen Regeln der Kunst fesseln, traut sich aber nicht?
Also ich habe da kein Problem mit.
Ich schaue zu meinem Freund, dem das was Cicero da so unbekümmert ausgeplaudert hat ein wenig peinlich zu sein scheint.
Mit einem wissenden Lächeln raune ich ihm zu: "Also ich glaube das würde mir gefallen..."
Kurz blitzt es in Joãos Augen auf, dann meint er: "Dann werden wir das machen...."
"Danke für dein Plappermaul!" feixe ich in Richtung Cicero, der immernoch an seiner Banane schluckt, angesichts des Blickes den Ricardo ihm zuwirft allerdings zu der Erkenntnis gekommen ist, dass Ausspucken keine Option ist.

Um Cici noch ein bisschen zu ärgern füge ich ironisch hinzu: "So kann man ihm also das Maul stopfen wenn man keinen Schwanz zur Hand hat."
Dessen Augen funkeln mich empört an, während João lacht und Rico achselzuckend anmerkt: "Ein Dildo geht auch..."
Jetzt trifft ihn der empörte Blick von Cicero.

Allerdings war die Bananenkur wirksam, Cicero schmollt nun zwar ostentativ, ist aber nicht mehr so furchtbar überdreht.

"Gibt es schon irgendwelche Pläne für nach der Fressorgie?" erkundige ich mich, "also zumindest für den Fall, dass wir dann noch zu irgendetwas im Stande sind..."
"Mach dir keine Hoffnung, dass wir noch zu irgendwas im Stande sind" lacht Ricardo.

"Vollgefressen ist die Trägheit unserer Tops kaum zu toppen" ätzt Cicero.
"Kann es sein, dass dein Kleiner um eine Bestrafung geradezu bettelt?" wendet sich João süffisant an Ricardo.
"Hey, ich bin hier, ich höre euch" zickt der Genannte.
"Also mein Kitten würde sich sowas niemals erlauben" merkt mein Freund an.
"Dein Kitten" faucht Cicero und in mir krampft sich instinktiv alles zusammen, jetzt wird er etwas gemeines über mich sagen!
Man sollte denken ich hätte mich an so etwas gewöhnt, hätte mir ein dickes Fell zugelegt. Aber dem ist nicht so und so erwarte ich furchtsam, dass ein Mensch den ich mag etwas sagt, dass mich verletzt, ohne dass ich verstehe warum.

.
João

Was zum Teufel ist nur in Cicero gefahren?
Erst hat er einen Laberflash und jetzt teilt er Gemeinheiten aus.
Gerade hab ich ironisch angemerkt, dass mein Sub sich das niemals erlauben würde und nun giftet er los: "Your kitten..."
Mein Blick wandert zu Tom und ich sehe wie dieser sich in Bruchteilen von einer Sekunde anspannt in der Erwartung, dass Cicero etwas Gemeines sagt, über ihn.
In seinen Augen erkenne ich den Schmerz den er fühlt, weil er erwartet, dass nun jemand der ihm etwas bedeutet etwas sagen wird, dass ihn verletzt. Und ich erkenne die Angst die er empfindet, weil er nicht weiß wie er sich davor schützen soll.

"Dein Kitten" schnaubt Cicero, "das..." und dann fällt sein Blick auf Tom, ihre Blicke begegnen sich und noch mehr als ich erkennt Cicero was er im Begriff ist anzurichten und verstummt bevor er in einem bemüht jovialem Ton seinen Satz zusenden bringt: "...das nehme ich jetzt mit zu dem Süßkram!"

Erstaunen macht sich in Toms Augen und Gesicht breit, dann begreift er, dass das was er befürchtet hat nicht kommt.
Ungeheure Dankbarkeit strahlt aus seinen Augen als er zu Cici sagt: "Au ja, ich geh mit dem Süßen zu dem Süßen..."
Als Cicero an mir vorbeiläuft zische ich ihm trotzdem leise auf Portugiesisch zu: "Da hast du ja gerade noch die Kurve bekommen, wenn du Tom weh tust...."

Eines ist aber klar, wenn die beiden Naschkatzen jetzt zu den Süßigkeiten gehen, dann sind nicht nur wir Tops nacher träge.
Heute werden wir garnichts mehr machen.  Jedenfalls nicht vor dem Abend.

"Sorry, ich weiß echt nicht was heute mit Cicero los war..." murmelt Ricardo zu mir.
"Er hat bestimmt seine Tage..." witzele ich.
"Ich glaube er ist enttäuscht weil du Tom.... also bevor ich ihm..." erwidert mein bester Freund, "du verstehst?"
"Meinst du?" Ich bin überrascht.
"Ja, denke schon..." kommt es etwas bedrückt von Ricardo.
"Oh Rico, wenn ich das gewusst hätte..." bedauere ich, aber er unterbricht mich: "Hättest du auch nicht länger gewartet..."
Nein, hätte ich nicht.
"Da hast du Recht...." gestehe ich.
"Ich werde es im Mai machen" sagt er, "ich hätte wissen müssen, dass es ihn trifft, auch wenn es doch zwischen uns längst klar ist...."
"Sie sind sich halt nie so sicher, wie wir uns" merke ich an, "das ist kein Wunder, sie haben ihr ganzes Leben lang gelernt, dass es Sicherheit nicht gibt in diesen Dingen."
"Oh ja, es ist eher ein Wunder, dass Cici keine Bindungsstörung hat..." seufzt mein bester Freund.
"Hatte er je wieder Kontakt zu seiner Mutter?" frage ich.
"Nein, wollte er nicht." beantwortet Ricardo meine Frage, "er hätte gekonnt, mein Vater hatte ja immer wieder Kontakt zu ihr, sie musste ja zustimmen..."
"Das hat sie so einfach?" staune ich, "oder hat sie gemerkt, dass es ihrem Sohn da besser ging?"
"Schön wäre es" erwidert er bitter, "sie hat sich jede Unterschrift, jede Zustimmung bezahlen lassen von meinem Papai..."
"Sie hat ihn verkauft auf Raten?" Ich bin ehrlich entsetzt und kann es kaum verbergen.
"Das ist die freundliche Lesart" meint Ricardo und ich spüre, wie sehr ihn das Verhalten der Mutter von Cicero getroffen hat, "in Wirklichkeit hat sich geglaubt, dass mein Vater Cicero als eine Art Sextoy für mich angeschafft hat."
"Sie hat ihren Sohn also anschaffen geschickt in ihrer Vorstellung" stelle ich fest und meine Stimme schwankt bei dem Gedanken, "weiß Cicero davon?"
"Nein" kommt es von Ricardo, "und ich wäre auch sehr froh, wenn er es nie erfährt!"
"Von mir nicht!" versichere ich ihm und verspüre einfach nur große Dankbarkeit dafür, dass meine Eltern so toll waren und sind, wie sie sind.

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