Hoffnung kommt und geht im Kapitel 25


--- Edwards P.O.V. ---

Schläfrig gähnte ich, als ich mit Alphonse aus dem Zug ausstieg. Meine müden und verspannten Glieder streckend, sah ich mich nebenbei ein wenig auf dem bedürftigen Bahnsteig Mistakors um, der trotz der hellen Mittagssonne sehr düster wirkte.

„Kein sehr schöner Ort.", merkte Alphonse neben mir an, während er unseren Koffer schulterte.

Ich nickte zustimmend. „Finden wir am besten schnell Air und hauen dann wieder ab, sobald sie sicher ist."

An sich klangen meine Worte nach einer leicht erfüllbaren Aufgabe, doch unter Anbetracht der Tatsache, dass wir gar nicht wussten, ob es für Air hier „sicher" war oder nicht, hatten wir auch keine Ahnung, wo in diesem Dorf sie war und ob sie mit uns kommen würde.

Ich seufzte leicht, ehe ich ohne weiteres Zögern voranging. Alphonse folgte mir dicht auf den Fersen, nachdem er den Koffer in seinem Rüstungsinneren verstaut hatte.

Mit zügigen Schritten liefen wir den kleinen Dreckweg entlang, der langsam zu einer gepflasterten Straße wurde. Häuser zierten den Wegesrand, während einige Menschen ihnen auf der Straße entgegenkamen, auch wenn die meisten sehr unfreundlich und beschäftigt aussahen. Nach einigen Minuten laufen hattet ihr eine Art Marktplatz erreicht. Nur wenige Stände standen am Rand des runden Platzes, doch der Geruch von Essen erfüllte dennoch die Luft. Auch Bier konnte man riechen, welcher vermutlich von dem nahen Wirtshaus herrührte.

„Oh man, ich mag es hier gar nicht...", grummelte ich und machte meinem Unmut Luft. Nicht nur dass der Ort allgemein suspekt war, nein die vielen Blicke der Bewohner waren zusätzlich nervig. Gut, mein roter Mantel und Als große Rüstung waren nicht gerade unauffällig, doch heute nervten mich die Blicke besonders.

„Bruderherz, sei doch nicht so negativ...", versuchte Alphonse mich zu beschwichtigen. „Du bist bestimmt wegen der Nachtfahrt im Zug nicht gut drauf..."

Ich jedoch schüttelte trotzig den Kopf. „Nein, das liegt an dem scheiß Dorf. Lass uns schnell (V/N) finden, damit wir hier so bald wie möglich wegkommen."

„(V/N)?"

Ich drehte überrascht den Kopf als mich jemand von der Seite ansprach. Eine ältere Dame stand mir gegenüber, deren Kleidungsstil definitiv im letzten Jahrhundert stehengeblieben war. Sie schaute mich mit einer Mischung aus Misstrauen als auch Neugier an.

„Äh, ja. (V/N) (N/N). Kennen Sie sie?", fragte Alphonse schnell.

Die alte Dame nickte. „Oh ja! Die Kleine ist seit gestern wieder im Dorf wie man sich erzählt! Ich habe sie selbst noch nicht gesehen, aber Helmut hat gut im Ebersherz geprahlt, wie viel sie gearbeitet hat."

„Helmut? Ebersherz?" Ich neigte den Kopf verwirrt zur Seite.

„Ah, ja ihr seid ja nicht von hier. Helmut ist (V/N)s Onkel müsst ihr wissen. Er kümmert sich um sie, seit ihre Eltern gestorben sind. Ein Jammer, dass das Kind immer wegrennt. Unser Dorf könnte ihre Magie gut gebrauchen, doch sie ist viel zu egoistisch damit." Die alte Frau nickte, wie um sich selbst zuzustimmen. „Jetzt ist es zwar noch früh, aber heute Abend ist Helmut sicher wieder im Ebersherz. Das ist unser Wirtshaus, das dort hinten."

Sie zeigte mit ihrem knochigen Finger in die Richtung. „Er kann euch bestimmt sagen, wo seine Nichte ist."

„Könnten Sie uns nicht einfach sagen, wo dieser Helmut oder (V/N) wohnt?" Ich grummelte etwas.

„Oh, ah ja. Helmut wohnt diese Straße dort runter, im vorletzten Haus mit dem blauen Briefkasten. Aber macht euch nicht viel Hoffnung, dass die Kleine dort ist. Sie muss sicherlich arbeiten, oder rennt wieder vor ihren Pflichten weg." Nun schüttelte die Alte den Kopf, deutlich unzufrieden über (V/N).

Ihre Reaktion ließ mich mehr knurren, ehe ich mir ein „Danke." erzwang und mich abwandte. „Alphonse, komm."

Ich nahm meinen Bruder bei der Hand und ging die angewiesene Straße hinunter, dabei die Briefkästen ausgiebig musternd.

Al lief eine Weile schweigend neben mir her, ehe er zögerlich ein Gespräch anfing. „Was denkst du, warum sie so gemein über (V/N) geredet hat?"

„Keine Ahnung, vermutlich weil sie ne dumme alte Schrulle ist.", knurrte ich zurück.

„Aber es klang so komisch... Warum sollte (V/N) hier arbeiten? Und meinte sie mit Magie etwa ihre Luft-Alchemie?"

„Vermutlich... scheinbar haben die keinen Plan, was der Unterschied zwischen Hexerei und Wissenschaft ist." Ich seufzte etwas. „Wie ich das doch hasse, wenn Menschen-"

„Denkst du, (V/N) wird von ihrem Onkel gezwungen, für ihn zu arbeiten?", unterbrach Al mich mit besorgtem Unterton.

Ich schwieg kurz, ehe ich nickte. „Ich denke schon. Also werden wir sie einfach vor ihrem Onkel beschützen und mitnehmen."

Alphonses Stimme klang wieder etwas hoffnungsvoller und fröhlicher. „Wir retten sie also? Wir als Ritterhelden retten sie, die gefangene Prinzessin, vor dem bösen Monster?"

Bei der Beschreibung und der kindlichen Unschuld meines Bruders musste ich leicht lachen. „Ja, wir retten sie wie Prinzen in einem Märchen ihre Prinzessin retten."

„Super! Da freut sie sich bestimmt ganz doll!" Al strahlte förmlich neben mir.

Und tatsächlich hob sich auch meine Stimmung etwas bei dem Gedanken, diesmal Air helfen zu können.


--- dein P. O. V. ---

„Was zur..."

Perplex sahst du von einem Dach aus auf die entfernte Straße runter. Zwar konntest du es auf die Distanz nicht gut erkennen, doch die auffallend rote Farbe des einen und die silberne Reflexion des anderen ließen keinen anderen Schluss zu, als dass die beiden Gestalten dort unten die Brüder Elric waren.

Dir etwas Schweiß aus dem Gesicht wischend, sahst du nochmal hin und beobachtetest, wie die beiden die Straße vom Marktplatz aus Richtung Dorfrand entlanggingen. Sie liefen den Weg zum Haus deines Onkels entlang.

Waren sie etwa wegen dir hier? Wer hatte ihnen gesagt, dass du hier warst?

Doch du musstest für die Antwort nicht lange grübeln. Natürlich waren sie wegen dir hier, schließlich gab es hier in der Nähe nichts alchemistisch Bedeutsames, was sie hätten suchen können. Und geschickt wurden sie bestimmt von Oberleutnant Hawkeye.

Du seufztest leicht. Es war ein denkbar ungünstiger Augenblick für die beiden Alchemisten hier zu sein. Aber du musstest zugeben, dass du innerlich ein wenig Erleichterung verspürtest. So problematisch ihre Ankunft in deinem Heimatdorf auch war, der Gedanke von zwei freundlichen... Bekannten ließ dein Herz etwas leichter werden.

Doch die Freude weilte nicht lange.

„Hey, was träumst du da oben so rum! Beeil dich endlich!", keifte Helmut von unten.

Seufzend sahst du zu ihm herab, wie er genervt neben einem anderen Mann stand, auf dessen Dach du hocktest. Dich geschlagen gebend, fokussiertest du dich wieder auf deine Arbeit und säubertest mit einigen Gesten die Abwasserrohre und den Schornstein durch deine Alchemie. Nachdem der Dreck und das Laub entfernt waren, klettertest du verrichteter Arbeit die Leiter wieder herunter.

„Na also, hat ja lang genug gedauert.", gab dein Onkel meckernd von sich. Doch du hattest nichts anderes erwartet, schließlich war er kein Mann, der andere außer sich selbst gerne lobte.

Du nicktest nur, während Helmut von dem Nachbarn Geld für die Dachreinigung entgegennahm. Danach packte dein Onkel dich grob am Arm und zog dich weiter.

Super, ab zum nächsten Haus, dachtest du dir genervt. Die Brüder Elric waren wieder ganz vergessen, als Helmut dich auch bis zum Abend weiter beschäftigte.

Erst als die Sonne schon langsam untergegangen war, ließ er dich endlich gehen und verabschiedete sich mit einem „Ruh dich aus, damits morgen gut weitergehen kann!" ins Wirtshaus.

Erschöpft sahst du dem Braunhaarigen hinterher, ehe du den Weg zum Haus einschlugst. Du fühltest Muskelkater im ganzen Körper von dem vielen Herumklettern und Rennen. Noch dazu machte sich ein allgemeines Gefühl der Schlappheit in deinem Körper breit, welches vermutlich von der übermäßigen Alchemienutzung herrührte.

Mit wackligen Schritten liefst du die Straße entlang, schließlich vor der Haustür stehen bleibend. Du wolltest schon deinen von Helmut geliehenen Schlüssel aus deiner Hosentasche kramen, als du merktest, dass die Tür nur angelehnt war. Verwirrt mustertest du das ganze kurz, da du dir sicher warst, dass dein Onkel am Morgen die Tür verschlossen hatte. Doch als du ein Geräusch aus dem Inneren des Hauses hörtest, gingen sofort deine Alarmglocken an. Schnell öffnetest du die Tür und eiltest den Flur entlang nach drinnen ins Wohnzimmer, die Hände auf Höhe deiner Kette gehoben, um sofort Alchemie gegen mögliche Angreifer einsetzen zu können.

„Wer ist hier?!", riefst du laut ins Wohnzimmer, bereit das Haus deiner Eltern vor jeglichen Eindringlingen zu verteidigen.

Umso überraschter warst du, als dir plötzlich eine Katze um die Beine streifte. Und dabei handelte es sich nicht um deine schwarze Katze Bondy, sondern um eine kleine Tigerkatze. Doch als du danach Stimmen hörtest, wurde dir sofort klar, woher die Katze kam.

„Alphonse, warum bitte hast du vier Katzen mitgeschmuggelt?! Jetzt rennen die hier überall rum, wie sollen wir die einfangen?!", keifte Edward hörbar aus der Küche.

Schnellen Schrittes gingst du aus dem Wohnzimmer weiter in die Küche, dort wie erwartet die beiden Brüder um den Küchentisch herumstehend sehend.

Alphonse stand vor seinem Bruder, dabei scheinbar bedröppelt und beschämt auf den Boden guckend, während eine Katze auf seinem Kopf saß. Eine zweite hing in Edwards Haaren, während du die dritte genannte Katze hingegen nirgendwo erkennen konntest.

„Es tut mir leid, Bruderherz...", nuschelte Alphonse.

„Von wegen! Du machst das ständig, also echt mal!", meckerte Edward weiter.

Um die Diskussion zu beenden, räuspertest du dich laut.

Erschrocken zuckten die beiden Brüder zusammen, da sie dich davor scheinbar noch nicht bemerkt hatten.

„AIR!", rief Edward, ehe er schluckte und diesmal gefasster sprach. „Air, da bist du ja. Wir haben dich gesucht!"

„Gesucht? Indem ihr in das Haus meiner Familie einbrecht?", fragtest du misstrauisch.

„Ah, ja also..."

„Geht es dir gut, geht es dir gut???" Al kam besorgt auf dich zugelaufen und umarmte dich einmal eng. „Du bist nicht verletzt?"

Perplex sahst du über Alphonses Schulter und klopftest ihm leicht auf den Rücken. „J-Ja, alles gut, alles gut."

„Zum Glück, wir haben uns schon Sorgen gemacht!", antwortete die große Rüstung erleichtert.

„Ähm, und warum...? Und... könntest du mich loslassen?", fragtest du etwas verlegen, nachdem Alphonse die Umarmung weiterhin nicht gelöst hatte.

„Ah, 'Tschuldigung!" Schnell löste er sich von dir und kratzte sich verlegen am Helm.

Edward trat nun auch näher. „Ach, wir haben uns einfach nur Sorgen gemacht."

„Lügner, Hawkeye hat euch geschickt. Richtig?", entgegnetest du etwas kühler.

Der Fullmetal Alchemist schien deine subtile Stimmänderung sofort zu bemerken. Auch sein Gesichtsausdruck wurde ernster. „Ja. Also, geht's dir wirklich gut? Du siehst fertig aus."

„Ich brauche nun wirklich keine Babysitter! Was denkt sich der Oberleutnant nur dabei...", grummeltest du lautstark deine Gedanken hinaus. Dein Blick richtete sich bedeutungsvoll auf die beiden Brüder. „Ihr müsst gehen.", sagtest du entschieden. „Und zwar sofort."

„Was? Kannst du vergessen, wir sind heut' Mittag erst angekommen!", konterte Edward sofort.

„Fullmetal.", knurrtest du. „Ihr geht."

„Ganz sicher nicht!", widersprach der Junge erneut.

„Edward, ihr geht!", schriest du lauter.

„NEIN!"

„DOCH!"

„NEIN!"

„DO-"

Ein lautes Rumms unterbrach euch. Erschrocken sahen du und Edward zur Seite, um zu erkennen, dass Alphonse auf den Tisch geschlagen hatte.

„Was zur...", nuscheltest du.

„Hört beide auf zu streiten!" Alphonses Blick richtete sich auf euch beide. „Bitte, (V/N), lass uns erklären, warum wir hier sind. Und dann kannst du uns immer noch rauswerfen."

„Rauswerf'n? Nein, das mach ich jetzt schon.", kam es dann allerdings finster von hinten.

Du spanntest dich sofort an. Scheiße, dachtest du. Das ist ganz ungünstig.

Langsam drehtest du dich um und sahst deinen Onkel im Flur stehen. Sein Blick war finster und schon leicht vernebelt. Scheinbar hatte er im Wirtshaus sofort mit Trinken angefangen. Doch Gott weiß, warum er jetzt nach Hause zurückgekehrt war.

„Onkel, was machst du schon hier...?", versuchtest du möglichst ruhig zu fragen. Doch allein der wütende Blick des Mannes brachte dich zum Schweigen. Egal wie selbstbewusst du sonst warst, insbesondere auch vor den Elrics – jetzt war alles weg davon. Die Stimmung im Flur genügte um dein Blut vor Angst gefrieren zu lassen.

Mit schnellen Schritten näherte sich dein Onkel dir, ehe dein Kopf durch die heftige Ohrfeige von Helmuts großer Hand auch schon zur Seite gerissen wurde.

„Was ich hier mach?!", brüllte Helmut dir ins Gesicht. „Die Frage is eher, was du hier für lausigen Müll in's Haus gebracht has', du Mistgör!"

Ergeben senktest du den Kopf und hieltest dir die Wange. Dir war zum heulen zumute. Nicht wegen der Ohrfeige, nicht wegen dem Schreien. Nein, wegen der Tatsache, dass du trotz aller Stärke vor ihm immer noch klein beigabst. Du warst bereit, gegen Mörder und Monster zu kämpfen, dich Feuer und Blut zu stellen, mit deiner Alchemie alle Hindernisse aus dem Weg zu räumen – doch deinen Onkel konntest du nicht besiegen.

Was genau dich aufhielt, war dir selbst nicht klar. Ob es die unterbewusste Tatsache war, dass er trotz allen Umständen deine letzte lebende Familie war oder ob es an der ständigen Angst lag, die Helmut dir seit deiner Kindheit als Form des Respekts eingeflösst hatte oder ob du dich vor dir selbst fürchtetest – Angst habend, dass du, solltest du dich gegen ihn wehren, deine Grenzen überschreiten würdest.

Scar war schon nah dran gewesen, dich deine selbstgesetzten Tabus und Werte brechen zu lassen. Um Edward zu beschützen oder zu rächen hättest du Scar getötet. Doch bei deinem Onkel ging es nur um dich, deine eigenen egoistischen Gefühle. Und du warst dir nicht sicher, wie groß die Zerstörung wäre, würdest du dich gegen ihn zur Wehr setzen.

Du wolltest es vorerst nicht herausfinden. Und mit deinen zitternden Händen und in den Augenwinkeln hängenden Tränen könntest du wohl sowieso nichts ausrichten.

„Isch hab disch gefragt, was das hier für Plag'n sind?!", schrie Helmut weiter als du ihm nicht sofort antwortest.

Seine Hand hob sich bereits erneut, vermutlich um deine andere Wange ebenso rot zu färben. Doch noch während er ausholte, nahmst du eine Bewegung neben dir wahr. Roter Stoff zischte an dir vorbei, blonde Haare streiften deine Wange.

Erschrocken japste Helmut auf, als Edward seine gehobene Hand festhielt, nur um ihm anschließend einen festen Schlag mit rechts in den Magen zu geben und ihm den Arm auf den Rücken zu verdrehen, wodurch dein Onkel auf die Knie sackte.

Vollkommen perplex sahst du auf deinen am Boden hockenden Onkel herab, der selbst nicht ganz zu begreifen schien, was passiert war. Doch die Verwirrung wechselte schnell wieder zur Wut, weshalb du dich beeiltest, dieser zuvorzukommen.

„E-Edward! Lass ihn los, bitte!", meintest du, dabei an Fullmetals Schulter ziehend. Dieser schien Onkel Helmut jedoch gar nicht loslassen zu wollen und sah finster auf diesen herab.

„Edward! Edward, BITTE!", wiederholtest du lauter, ehe du hilfesuchend zu Alphonse sahst. Anhand seiner Körperhaltung merktest du, dass auch der jüngere Elric überfordert mit der Situation war. Doch bei deinem Blick verstand er schnell, eilte mit zu ihnen herüber und zog seinen Bruder mit mehr Kraft bestimmt von deinem Onkel weg.

„Was zur... Was erlaubs' du dir, du dummes Balg...?!", nuschelte Helmut lauter, zunehmend finster dabei zu Edward hinübersehend.

Sofort stelltest du dich zwischen die beiden Parteien, dabei deinem Onkel eine helfende Hand entgegenhalten. „Tut mir leid, tut mir leid, Onkel. Ich bringe sie sofort raus, versprochen. Ruh du dich auf dem Sofa aus, ich komme sofort.", sprachst du möglichst beruhigend auf ihn ein.

Der Zorn in Helmuts Augen verschwand nicht wirklich, doch ihn schien deine folgsame Art etwas zu besänftigen. Unwirsch nahm er deine Hand und zog sich an dir hoch, ehe er knurrend zum Sofa ging.

„Kanns' froh sein, dass ich ken Bock auf Prügel eben hab... Beeil disch mit denen, isch muss mit dir redn, Klene.", murmelte er gerade so hörbar, der Alkohol dabei wieder deutlicher in seiner Stimme hörbar.

„Jawohl, Onkel.", antwortest du laut, erleichtert dass eine weitere Prügelei verhindert werden konnte.

Nachdem du sicher warst, dass dein Onkel auf dem Sofa saß, wandtest du dich den Elric-Brüdern zu und deutetest ihnen an, zur Haustür zu gehen. Obwohl Edwards Blick deutlichen Protest äußerte, wurde er von seinem Bruder zur Tür geschoben.

Den beiden Jungs nach draußen folgend, zogst du die Haustür hinter dir zu und lehntest dich etwas erschöpft dagegen und atmetest einmal tief durch.

Wie schief das hätte gehen können..., dachtest du besorgt. Wenn sie sich geprügelt hätten... Es hätte so viel passieren können, sowohl deinem Onkel, als auch den beiden Brüdern...

„(V/N), geht's dir gut...?", riss dich Alphonses Stimme aus deinen aufkommenden Gedanken.

„Mh? Ja, ja alles gut." Du sahst zu den beiden und lächeltest sie an, was sie scheinbar nicht sonderlich erfreute.

Alphonse stand ganz ruhig da, doch seine Hände waren angespannt zu Fäusten geballt, während sein Blick unablässig auf dir ruhte. Dass er keinen Gesichtsausdruck zum lesen hatte, wurde dir eben wieder unwohl bewusst.

Edwards Gesichtsausdruck war dafür umso aussagekräftiger. Seine Augenbrauen waren wütend gesenkt, die Augen leicht zusammengekniffen. Du bildetest dir sogar ein, ein kleines Knurren aus seinem vor Unmut verzogenen Mund hören zu können.

Du räuspertest dich leicht. „Ja... also..."

„Du musst nicht lügen. Deine Wange ist knallrot von diesem Arschloch!", sagte Edward laut. „Ich hätte ihm auch eine verpassen sollen!"

„Du hast ihm schon genug verpasst!", widersprachst du heftig. „Weißt du eigentlich, was du da drinnen angerichtet hast?!"

„Angerichtet?!" Der Knirps wirkte nun noch aufgebrachter.

„Was wollt ihr hier überhaupt?!", fragtest du, dabei selbst bemerkend, dass sich etwas Verzweiflung in deine Stimme gemischt hatte.

Fast als würde er den stummen Hilfeschrei verstehen, trat Edward näher. Der Blonde wirkte noch immer sauer als er sich die Handschuhe von den Händen riss und direkt vor dir stehenblieb.

„Was wir hier machen?", meinte er rhetorisch fragend. Er hob seine Automailhand, strich dir einige Haare zur Seite und legte sie dann auf deine Wange. Du spürtest sofort die angenehme Kälte, die von dem Metall ausging und dass unangenehme Brennen linderte.

Deine Augen sahen durch die Nähe direkt in die goldenen Edwards, der dich genau musterte. Kurz war es still, mit Edwards Frage noch immer unbeantwortet in der Luft hängend, ehe dein Gegenüber sich mehr zu dir beugte und dir deutlich sagte:

„Wir retten dich jetzt, Prinzessin."



--- Roy Mustangs P. O. V. ---

Mein Zeitgefühl war mittlerweile wirklich weg. Wie lange sollte dieses Trauerspiel noch weitergehen? Statt mich selbst oder diese Situation zu bemitleiden, wurde ich vielmehr genervt.

Ich war sauer auf mich selbst, dass ich mich so billig hatte fangen und einsperren lassen, dass ich es noch immer nicht geschafft hatte mich zu befreien und dass ich denkbar wenig wusste über diesen Ort hier oder meine Peiniger.

Knurrend sah ich auf den Boden meiner Zelle, die mittlerweile von immer mehr Blut und Dreck geziert war. Ich konnte riechen, wie sehr ich stank und wollte mir gar nicht erst vorstellen, wie ich wohl aussah.

Der Gedanke ließ mich leicht lachen. Sicherlich hatte ich damals genauso ausgesehen, als ich vor Senseis Tür nach Unterricht gebettelt hatte. Wie viele Jahre war das nun schon her? Der Tag, an dem ich Riza das erste Mal getroffen hatte...

Gerne würde ich weiter in Erinnerungen schwellen, doch das dumpfe metallische Knallen einer schweren Tür unterbrach mich. Sofort war mir klar, dass mein täglicher Besuch erneut gekommen war, um mir die gleiche Frage zu stellen.

Mich in den Ketten mehr aufsetzend, versuchte ich bei dem schwachen Licht der flackernden Glasröhren den Weg von der großen Metalltür bis zu meiner Zelle zu erspähen.

Unwohlsein breitete sich in mir aus, als ich keine Schritte hörte. Es war eindeutig jemand hereingekommen, doch wo war er? Stand er noch an der Tür, regungslos im Halbschatten?

Ich spannte mich an, mein Unbehagen steigend. Zögerlich öffnete ich den Mund, bereit in die Finsternis zu rufen, als sich plötzlich etwas nasses von hinten über meine Lippen legte.

Erschrocken atmete ich aus Reflex ein, dabei schnell Wasser in Mund und Nase spürend. Ein nasser Lappen, vermutlich zum Waterboarding!, schoss es mir durch den Kopf. Bestmöglich die Luft anhaltend, versuchte ich meinen Körper zu beruhigen, da dieser aufgrund des verschluckten Wassers sich etwas schüttelte.

Nach hinten gerissen werdend, konnte ich meinen üblichen Entführer hinter mir stehen sehend. Trotz der mangelnden Beleuchtung konnte ich seine eisblauen Augen klar in der Dunkelheit sehen, wie sie hassend und wütend auf mich herabblickend, gleichzeitig auch Freude über die kommende Folter zeigend.

Mein Kopf wurde immer unangenehmer zurückgezogen, während der nasse Lappen weiter fest auf mein Gesicht gedrückt wurde.

„Jetzt wohl nicht mehr so laut, mh, Mustang?~", fragte der Mann höhnisch, dabei breit grinsend. „Atme doch, na komm, was ist denn schon mit ein bisschen Wasser? Ach ich vergaß, Wasser macht dich ja nutzlos!"

Er lachte laut und schallend, was mich leicht knurren ließ. Luft anhalten war an sich kein Problem, schließlich hatte ich sowas auch während des Soldatentrainings üben müssen. Doch als die zweite Hand des Mannes von meinen zuvor schmerzhaft fest gepackten Haaren zu meiner Kehle wanderte und dort zudrückte, fiel es mir umso schwerer, ruhig die Luft anzuhalten.

Schließlich durch das Würgen nach Luft schnappend, röchelte und hustete ich heftig als nur Wasser statt Sauerstoff kam. Das Gefühl von Flüssigkeit in den Atemwegen war denkbar unangenehm und ließ meinen Körper vor Protest zucken. Durch den Luftmangel spürte ich schwarze Punkte am Rande meines Sichtfeldes tanzen, die mir erholsame Bewusstlosigkeit versprachen, jedoch schnell verschwanden als mein Folterer mir im letzten Moment doch den Lappen wegzog und etwas Luft gönnte.

Röchelnd und keuchend atmete ich mehrfach hektisch ein und aus. Das Blut pochte mir in den Ohren und ich fühlte mich, als wäre ich einen Marathon gerannt. Alles in meinem Körper kribbelte und insbesondere mein Hals und meine Nase fühlten sich von dem Wasser wund an. Die letzten Reste Wasser vor mir auf den Boden spuckend, ließ ich den Kopf danach erschöpft hängen.

„Was denn, machen wir schon schlapp?", verhöhnte mich der Mann hinter mir weiter. Ich spürte, wie er sich mehr über mich beugte, vermutlich bereit, den Lappen erneut auf mein Gesicht zu drücken.

Doch diesmal würde ich mich nicht so einfach überraschen lassen. Als sein Kopf nah genug war, gab ich ihm eine feste Kopfnuss, die den stämmigen Mann tatsächlich ein gutes Stück nach hinten straucheln ließ.

Schnaufend sah ich zu ihm, wie er sich knurrend und fluchend wieder aufrichtete, mich dabei ebenso wütend ansehend.

„Was denn, machen wir schon schlapp?", fauchte ich ihm entgegen, ihm dabei seine eigenen Worte wieder an den Kopf werfend.

„Du scheiß Bastard, wie gern ich dich umbringen würde...!", zischte der Braunhaarige sauer.

„Oh, glaub mir, ich würde dich auch gern töten.", erwiderte ich nun ebenso zornig.

Einige Augenblicke lang schauten wir uns gegenseitig finster an, ehe das Geräusch der sich öffnenden Tür erneut ertönte.

Am liebsten würde ich hinsehen, um mich vergewissern zu können, was nun als nächstes auf mich wartete, doch die Gefahr eines plötzlichen erneuten Angriffs von dem Mann in meiner Zelle ließ mich innehalten, um lieber ihn weiter zu beobachten.

„Scheint, als wäre deine Schonfrist um, Mustang.", knurrte dieser. „Mal schauen, ob du mit Gesellschaft redest."

Zu meiner Überraschung wandte er sich von mir ab und ging aus der Zelle. Verwirrt folgte ihm mein Blick, bis er knapp um die Ecke bog und aus meinem Sichtfeld verschwand.

Die neu hereingekommene Person – oder Personen, ich konnte es durch den Hall der Schritte in diesem Kerker schlecht hören und kaum sehen – befanden sich ebenso in einer Stelle des Gangs, die ich nicht sehen konnte.

Die Ohren spitzend versuchte ich etwas von ihrem Gespräch zu hören, doch das Nuscheln und Geflüster war zu leise. Doch ich bemerkte auch immer wieder ein weiteres Geräusch, wenn auch gedämpft, als würde jemand in Stoff sprechen.

„Na dann, zeigen wir ihm unser schönes Präsent~", sagte schließlich eine arrogante Frauenstimme. Schritte näherten sich mir, von zwei Menschen schätze ich, wobei eine dem Klacken auf dem Boden nach hohe Schuhe anhaben musste.

Schließlich bogen sie um die Ecke, eine Frau mit langen schwarz gelockten Haaren und neben ihr eine kleinere Person, mit blauer Militäruniform und blonden offenen Haaren-

„Hawkeye?!", rief ich erschrocken, als ich meinen Oberleutnant im Griff der schwarzhaarigen Frau erkannte.

Hawkeye stand schief und schwer atmend neben der Frau, ihre Hände scheinbar auf den Rücken gefesselt. Blut klebte in ihren Haaren und tropfte von ihrem Gesicht, welches jedoch dem Boden zugewandt und von ihren blonden Haaren verdeckt war. Ihr schlanker Körper zitterte leicht und sie schien nicht ganz geistig anwesend zu sein.

Die Frau neben ihr grinste breit, ehe sie fest Hawkeyes Haare packte und ihren Kopf hochriss.

Mit vor Schock geweiteten Augen sah ich in das Gesicht Hawkeyes, welches vor Schmerz verzogen war. Nur langsam fanden ihre braunen Augen den Weg zu mir.

Mir zog sich das Herz in der Brust zusammen. Sie war nicht gebrochen, doch ich konnte so viel Schmerz in ihren Augen lesen, dass es mir für einen Moment die Luft wegnahm.

Was hatten sie ihr angetan?! Wie lange hatten sie Hawkeye schon in ihrer Gewalt?!

Tausend Sorgen auf einmal schossen mir durch den Kopf, doch die Gedanken verstummten sofort, als ich Hawkeyes brüchige und leise flüsternde Stimme hörte.

„R-Roy... Tut... mir leid..."



---

Zuletzt geupdatet im letzten Jahr? Woopsie Daisy.

Meine Update-Zeiten haben sich nicht verbessert, sorry xD Aber ich bin noch dran, auch wenn es dauert und Studium eben des Todes stresst T^T

Wie fühlt ihr euch mit dem Kapitel? Edward will euch retten, während Roy nun mit Riza gefangen ist?

Was denkt ihr, sind Onkel Helmuts Motive? Was will er von euch, und welche versteckte Angst zwingt euch, ihm zu gehorchen?

Und was wird aus Mustang, wie soll er mit Riza entkommen?


Bleibt gespannt, wann und wenn es weitergeht :D

Habt noch einen schönen Tag und bleibt gesund uwu


Lg Sterni

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top