Kapitel 9

Phil:

Laura sah mich immer noch stirnrunzelnd an. Oh Mann, wie lange hatte ich hier jetzt still gesessen? Sie musste mich für bescheuert halten. Aber ich wusste irgendwie auch nicht, was ich noch sagen sollte. Er war mein Bruder. Was sollte ich da noch hinzufügen? Ich ertappte mich dabei, wie ich versuchte meinen Bruder in ihr zu erkennnen. Sie hatte die gleichen rebellischen Gesichtszüge und auch von ihrer Art zu reden erinnerte sie mich stark an ihn. Sonst hatte sie keine Ähnlichkeit mit ihm. Jetzt wunderte ich mich wieder, warum ich sie nicht erkannt hatte. Aber irgendwie war das logisch, in den  letzten sechs Jahren hatte sie sich stark verändert. Als ich sie das letzte mal gesehen hatte, war sie ein sehr fröhliches Kind gewesen. Jetzt wirkte sie nachdenklicher und irgendwie zerbrechlich. Auch wenn sie es nicht zeigen wollte, konnte man leicht hinter ihre Fassade sehen.  Und was ich sah machte mich traurig, so viel Schmerz. Dabei war  sie doch noch so jung.

Ich weiß nicht wie lange wir so schweigend dort gesessen hatten, als sie das Schweigen brach. "Wenn du mein Onkel bist, warum kenn ich dich dann nicht?" Ich schwieg. Dann antwortete ich mit leiser Stimme: "Du kennst mich. Aber wahrscheinlich warst du einfach noch zu jung. Außerdem hab ich mich echt verändert. Und nach dem Tod deiner Mutter...". Ich machte eine kurze Pause um mich wieder zu fangen, meine Stimme hatte schon wieder angefangen zu zittern. "Wir hatten seit fast sechs Jahren keinen Kontakt mehr". Schnell hörte ich auf zu reden. Das hatte ich noch nie jemandem erzählt. Noch nicht mal Alex, obwohl wir sehr gute Freunde waren. Irgendwie wollte ich es Laura jetzt auch nicht erzählen. Obwohl ich wusste dass es egoistisch war, dass sie eigentlich ein Recht hatte es zu erfahren. Ich wollte das alles am Liebsten vergessen. Und ich hatte Angst, dass ich die alten Wunden wieder aufreißen würde, wenn ich es erzählte. Jetzt, nachdem ich es so lange verdrängt hatte, es jedenfalls versucht hatte, merkte ich, dass die Wunden nie richtig verheilt waren. Und wohl auch nie richtig verheilen würden.

Ein dicker Kloß bildete sich in meinem Hals. Schnell sprang ich auf, murmelte eine Entschuldigung und verließ fluchtartig Lauras Zimmer. Draußen im Gang ließ ich mich auf einen Stuhl fallen. Mein Puls war sehr schnell, fast als wäre ich gerannt. Ich ärgerte mich über mich selbst. Schon wieder rannte ich weg.  Eine einsame Träne fiel auf meinen Schoß. Dann noch eine und noch eine. Angestrengt versuchte ich nicht zu laut zu schluchzen und sah mich im Gang um. Er war menschenleer. Jetzt ließ ich meinen Tränen freien Lauf. Zum ersten Mal seit langer Zeit ließ ich einfach los, ließ die Trauer zu anstatt sie zu verdrängen. Ich wusste nicht wie lange ich dort gesessen hatte, aber danach fühlte ich mich besser. Ich stand auf und ging auf Lauras Zimmer zu. Unschlüssig ließ ich meine Hand über der Türklinke schweben. Wollte ich da wirklich rein gehen? Nach ein paar Sekunden hatte ich meinen Entschluss gefasst. Ich griff nach der Türklinke und öffnete die Tür.

Laura saß immer noch in genau der gleichen Position da, wie vor meiner Flucht aus dem Raum. Denn genau das war es gewesen. Eine Flucht. Plötzlich schämte ich mich. Laura war auch nicht geflohen. Und sie war viel jünger als ich. Hätte ich nicht eigentlich der stärkere von uns beiden sein müssen? Sie schreckte auf, als sie mich bemerkte. Ich setzte mich wieder zu ihr und nahm mir fest vor, diesmal stark zu bleiben. Für sie. Ich beobachtete sie. Sie sah wirklich nicht gut aus.  Plötzlich spürte ich Wut auf denjenigen, der ihr das angetan hatte ihn mir hochkochen. Ich beobachtete sie von der Seite, sie rieb gedankenverloren über die Schnitte an ihrem Arm. Ich hätte ihr so gern geholfen, aber sie würde mir nicht sagen, wer das gewesen war. Also beschloss ich die Sache erstmal auf sich beruhen zu lassen. Vielleicht würde sie mir ja irgendwann von selbst erzählen was passiert war. Das war zwar unwahrscheinlich, aber eine andere Möglichkeit hatte ich im Moment nicht.

"Alles okay bei dir?", fragte ich sie um wieder ein Gespräch in Gang zu bringen. Sie nickte. "Ich bin nur ein bisschen überrascht, das kam jetzt ziemlich plötzlich". "Für mich auch, glaub mir", antwortete ich. Dann fragte ich:"Hast du wirklich nichts von mir gewusst?" Ich meine, normalerweise erzählt man seinen Kindern doch von seinen Geschwistern, oder? "Nein, hab ich nicht. Ich hab dich schonmal gesehen, aber ich hab irgendwie immer gedacht du wärst ein Freund oder so. Du warst ja auch selten da. Und mein Vater hat eigentlich nie viel über seine Kindheit erzählt", meinte sie. Ich schluckte, dass sie sich nicht gut an mich erinnerte war normal. Aber es kränkte mich doch, dass er anscheinend nie von mir erzählt hatte. "Naja, jetzt weiß ich das es dich gibt. Besser spät als nie", versuchte sie mich aufzumuntern und brachte ein verunglücktes Lächeln zu Stande. Ich lächelte gequält zurück und versuchte mir meine Gekränktheit nicht anmerken zu lassen. Es war ja schließlich nicht ihre Schuld.

In diesem Moment fiel mein Blick auf die Uhr. Scheiße, schon so spät! Ich musste los, morgen hatte ich wieder Frühschicht. Und es half niemandem, wenn ich völlig übermüdet zur Arbeit kam. Also verabschiedete ich mich von Laura. Ich hatte kein gutes Gefühl dabei sie allein zu lassen, aber ich konnte nicht hierbleiben. Außerdem würde sie das eh nicht wollen. Zum Glück konnte Franco mich mitnehmen, auf der Fahrt fielen mir fast die Augen zu. Zuhause angekommen zog ich mir nur noch die Schuhe aus und ließ mich dann ins Bett fallen. Ich war hundemüde und schlief sofort ein. Zum Glück, sonst hätte ich mir bestimmt noch lange Gedanken gemacht.

Hey,

Ich hab irgendwie das Gefühl das Kapitel ist heute nicht so gut geworden, aber ich lad es trotzdem mal hoch. Naja, ich hoffe es gefällt euch trotzdem. Falls euch irgendwas zum Beispiel an meinem Schreibstil stört schreibt es gerne in die Kommentare, ich werd dann versuchen was zu ändern.

Lg Leandra1a8a

 




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