Kapitel 31
Phil:
Unschlüssig stand ich da, wusste nicht was ich tun oder sagen sollte. Alex schwieg, er schien gespürt zu haben, dass ich nicht weiter darüber reden wollte. Dankbar sah ich ihn an, ich war froh, dass er mir half. Mich verstand, es wenigstens versuchte. Außerdem war ich heilfroh, weil er nicht böse auf mich war, obwohl ich ihm nicht die Wahrheit gesagt hatte. Obwohl ich ihm das verschwiegen hatte. Nachdem wir eine ganze Weile so dagestanden und uns angeschwiegen hatten, sagte ich: "Ich muss los". "Zu deinem Bruder?" Alex sah mich mitfühlend an. Ich nickte nur. "Soll ich mitkommen?", fragte Alex. "Nein". Das war eine Sache zwischen mir und meinem Bruder, eine Sache, die ich allein klären musste. Trotzdem war das ein sehr nettes Angebot gewesen. "Bis morgen", sagte ich und wandte mich zum Gehen. "Ja bis morgen. Und viel Glück!", rief Alex mir hinterher. Als ich fast beim Zimmer meines Bruders angekommen war, fühlte ich mich ziemlich schlecht. Meine ganze Nervosität, Unsicherheit und Angst war mit einem Mal wieder da.
Aber es half nichts, ich klopfte und wartete mich wild pochendem Herzen auf eine Antwort. Und hoffte irgendwie doch, dass sie nicht kommen würde. "Herein?". Die raue, heisere Stimme meines Bruders erklang und steigerte meine Nervosität noch mal. Schnell öffnete ich die Tür, bevor ich es mir noch anders überlegen konnte. Ich ging ein paar Schritte in den Raum hinein, dann blieb ich wie angewurzelt stehen. Mein Bruder sah mich mit kalt funkelnden Augen an. Öffnete den Mund um zu sprechen. "Verdammt noch mal Phil, verschwinde einfach. Wir haben uns nichts mehr zu sagen!" Seine Stimme klang drohend und mir brach der Schweiß aus. Es war genau so schlimm, wie ich erwartet hatte. Einen kurzen Moment lang wollte ich ihm wiedersprechen. Schreien, dass wir uns sehr wohl noch etwas zu sagen hatten. Mich rechtfertigen. Aber ich tat es nicht. Es würde nichts bringen, mit ihm die Schuldfrage zu diskutieren. Er war felsenfest von meiner Schuld überzeugt, damit musste ich mich wohl abfinden. Und ich würde mich auch nicht vor ihm rechtfertigen, für etwas, dass nicht meine Schuld gewesen war. Jedenfalls nicht nur.
Stattdessen sagte ich mit leicht zitternder Stimme: "Doch, haben wir. Wir müssen reden!" Er sah mich wütend an. "Ich muss nicht mit dir reden! Lass mich doch einfach in Ruhe!". Er wurde zum Ende hin immer lauter, schrie jetzt schon fast. Eine kurze Pause entstand, in der ich versuchte mich zu beruhigen, mich auf unser Gespräch zu konzentrieren, mich zu fassen. Ich musste das jetzt durchziehen! "Hör mir doch einfach mal zu. Es geht um Laura!" Meine Stimme war jetzt auch lauter geworden, meine Wut machte sich deutlich bemerkbar. "Das ist mir egal! Wie kannst du mir überhaupt noch in die Augen sehen, nach all dem was du getan hast?" Er machte eine kurze Pause und starrte mich mit zusammen gekniffenen Augen an. Ich schluckte und wieder breitete sich dieses beklemmende Gefühl in meiner Brust aus. Es tat weh, zwar nicht heftig sondern aushaltbar. Aber so, dass ich die Schmerzen nicht verdrängen konnte. Jetzt wurde ich auch wieder wütend auf mich selbst. Wütend, weil ich meine Gefühle nicht unter Kontrolle hatte. Wütend, weil ich wusste, dass ich diese Schmerzen selbst verursachte. Durch meine Wut, meine Trauer. Und wütend, weil ich diesen verdammten Einsatz einfach nicht verdrängen konnte.
Unfähig etwas zu sagen, starrte ich ihn einfach nur an. Schweigend. Auf seine nächsten Worte wartend. Irgendwie flehend. Als er wieder zu sprechen, nein, eher zu schreien begann, wich ich unwillkürlich einen Schritt zurück. "Du bist Schuld, akzeptier es doch endlich. Wegen dir ist sie tot!" Ich schüttelte nur den Kopf. Starrte ihn schockiert an. Obwohl es eigentlich nicht überraschend kam. Obwohl ich die ganze Zeit gewusst hatte, dass er so dachte. Aber es ihn so deutlich aussprechen zu hören tat weh. Hatte etwas endgültiges. Trieb mir wieder Tränen in die Augen. In diesem Moment hoffte ich, er wäre fertig. Würde nichts mehr dazu sagen. Ich klammerte mich an diesen kleinen, sehr kleinen Hoffnungsschimmer. Obwohl es so untypisch für ihn wäre, jetzt aufzuhören. Natürlich war er noch nicht fertig. Seine nächsten Worte fühlten sich an wie Schläge, die mich trafen. Vielleicht sogar schlimmer. Denn Schläge taten nur körperlich weh, die Wunden, die sie hinterließen, heilten mit der Zeit. Doch seine Worte trafen mich mehr, als sie eigentlich sollten. Trafen mich genau dort, wo normale Schläge nicht hinkamen. Verletzten mich innerlich. Und hinterließen Wunden, von denen ich mir nicht sicher war, ob sie jemals verheilen würden.
"Ich werd nicht mit dir reden. Nicht bevor du dich dem gestellt hast , was du getan hast. Du hast dich ja noch nicht mal mehr entschuldigt!" Warum tat ich mir das hier eigentlich an? Ich könnte einfach gehen, ihm für immer den Rücken kehren. Diesmal entgültig. Die Antwort stand mir klar und deutlich vor Augen. Weil ich Laura helfen wollte. Aber das war nicht der einzige Grund, ich wollte es endlich klären. Mir endlich Klarheit verschaffen und vielleicht, ganz vielleicht damit abschließen können. Dieses Gespräch war schon lange überfällig. "Es war nicht meine Schuld, okay?", versuchte ich ihn zu besänftigen. Sein ohnehin schon rotes Gesicht wurde noch röter, wenn das überhaupt möglich war. Die Falten in seinem Gesicht vertieften sich noch ein wenig. "Doch. Es ist deine Schuld. Du bist ein Feigling, wenn du weiter vor deiner Schuld wegläufst!"
Die ganze Zeit schrie er. Ich hatte das Gefühl, er würde jetzt alles rauslassen. All die Vorwürfe, die er mir die ganzen Jahre gemacht hatte. All der Hass auf mich, der sich über die Jahre aufgebaut haben musste. Seine Worte taten weh. Hinterließen tiefe Narben. Aber machten mich auch wütend. Für ihn war ich der Böse, der Schlechte. Dafür hasste er mich. Aber ich war immer noch nicht in Stande in zu hassen, für mich war er noch immer nicht der Böse. Denn die Welt war nun mal nicht in gut und böse geteilt, war nicht schwarz-weiß. Sondern bestand aus sehr vielen Grautönen, jedenfalls aus meiner Sicht. Warum ich so dachte? Weil nun mal kein Mensch nur gut oder nur böse war. Weil auch er nicht böse war, sondern verzweifelt. Weil auch ich nicht nur gut war, sondern Fehler machte. Teilweise große Fehler, die man nicht so leicht wieder gut machen konnte. Vielleicht nie mehr.
Okay, was habe ich da schon wieder geschrieben? Und was soll dieser letzte Absatz bitte darstellen? Aber naja, das passt schon. Besser bekomme ich es eh nicht hin. Aber bis auf den letzten Absatz bin ich heute mal ganz zufrieden, ich hoffe es hat euch auch gefallen. Falls ihr noch Kritik oder Verbesserungsvorschläge habt, schreibt sie gerne in die Kommentare. Heute sind es 1114 Wörter geworden. Einen schönen Abend wünsche ich euch noch :)
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top