Kapitel 19

Phil:

Alex sah schon ziemlich wütend aus. Das hatte ich ja mal wieder toll hinbekommen. Aber warum musste ich ihn auch gerade heute treffen? Schuldbewusst sah ich ihn an. Ich wusste nicht wie ich reagieren sollte. Ich konnte ihm schließlich nichts von meinem Bruder erzählen. Naja, ich konnte schon, aber dann würde ich ihm eine Menge erklären müssen. Er wusste schließlich nichts von ihm. Und ich fühlte mich jetzt gerade eigentlich nicht instande, über das Vergangene zu reden. Als ich nach mehreren Sekunden immer noch nichts gesagt hatte, ergriff er wieder das Wort. "Ich musste deine Schicht übernehmen!" Er war anscheinend wirklich wütend. Kleinlaut murmelte ich eine Entschuldigung, er hatte ja Recht. Ich hätte mich nicht krankmelden sollen. Aber ich war mir immer noch sicher, dass es die richtige Entscheidung gewesen war, ich hätte mich eh nicht auf den Dienst konzentrieren können.

Alex stand immer noch mit verschränkten Armen da und sah mich streng an, ich sollte mir schleunigst eine Ausrede überlegen. "Ich hatte Kopfschmerzen", murmelte ich wenig überzeugend. "Achso. Du hattest Kopfschmerzen. Und hast dich nur deswegen krank gemeldet?", fragte er misstrauisch. Ich nickte. "Du musst mich nicht anlügen", sagte Alex gekränkt. "Was, ich...", begann ich ohne überhaupt zu wissen, was ich sagen wollte, aber Alex unterbrach mich. "Ist ja auch egal, sag beim nächsten Mal einfach früher Bescheid, wenn du mal wieder Kopfschmerzen hast und jemand deine Schicht übernehmen muss!" Dann drehte er sich um und ging einfach, ohne sich zu verabschieden. Das war ja auch wirklich eine dämliche Lüge gewesen. Denn normalerweise musste es mir richtig schlecht gehen, bevor ich mich krank meldete.

Ich sah ihm noch ein paar Sekunden lang nach und überlegte, ob ich ihn zurückrufen sollte. Schlussendlich entschied ich mich dagegen, ich würde es wahrscheinlich nur noch schlimmer machen. Er war gekränkt, weil ich ihm nicht die Wahrheit gesagt hatte. Irgendwie konnte ich ihn verstehen, aber ich war trotzdem wütend auf ihn. Wütend, weil er meiner Sorgenliste gerade noch einen weiteren Punkt hinzugefügt hatte. Wütend, weil ich mir jetzt auch noch darüber Gedanken machen musste. Dabei hatte ich eigentlich schon genug Probleme. Es ist nicht seine Schuld, machte ich mir klar. Ich hätte vermutlich genauso reagiert, wenn ich spontan seine Schicht hätte übernehmen müssen. Unglücklich ließ ich mich auf einen Stuhl fallen, heute machte ich einfach alles kaputt. Laura sah mich von der Seite an, in ihrem Blick lag etwas, dass ich nicht deuten konnte.

Nachdem wir sehr lange Zeit einfach nur geschwiegen hatten, beide in Gedanken versunken, fragte ich: "Können wir fahren?" "Meinetwegen", erwiederte sie. Ich hatte das Gefühl, in ihrer Stimme einen distanzierten, leicht misstrauischen Ton zu hören. Aber das bildete ich mir vermutlich nur ein. Außerdem hatte ich jetzt nicht die Energie, mir auch noch darüber den Kopf  zu zerbrechen. Langsam lief ich zum Auto, Laura folgte mir. Inzwischen hatte es leicht zu regnen begonnen und der Himmel war mit dunklen, bedrohlich aussehenden Wolken verhangen. Kurzum, das Wetter passte genau zu meiner Stimmung. Fluchend setzte ich mir meine Kapuze auf und begann noch schneller zu laufen, als der Regen plötzlich heftiger wurde. Es schüttete jetzt und ich war heilfroh, als ich endlich beim Auto angekommen war und einsteigen konnte.

Erst als ich im trockenen, warmen Auto saß, sah ich mich wieder nach Laura um. Sie war immer noch zehn Meter vom Auto entfernt und humpelte so schnell sie konnte. Ihr Pullover war völlig durchnässt und ihre Haare hingen nass herunter. Schnell lehnte ich mich zur Beifahrerseite und öffnete die Tür, keinen Augenblick zu früh, denn Laura war jetzt auch am Auto angekommen. Sie warf ihre Krücken auf den Sitz und sprang dann hinterher. Fluchend schnallte sie sich an, ich musste lachen, weil sie sich so über ein bisschen Wasser aufregte. Sie warf mir einen bösen Blick zu und ich startete das Auto. Dann fuhr ich los in Richtung meiner Wohnung.

Die Sicht war ziemlich schlecht, Tropfen prasselten wie wild auf die Windschutzscheibe. Ich dachte wieder über den heutigen Tag nach. Alex. Mein Bruder. Laura. Sie alle spukten ununterbrochen in meinen Gedanken herum und machten es mir unmöglich, an etwas anderes zu denken. Ich sah auf die regennasse Straße hinaus. Der Asphalt glänzte vor Nässe, es waren nur wenige Autos unterwegs. Ich fuhr gerade von einer Seitenstraße auf eine Kreuzung zu, als plötzlich ein Auto vor mir auftauchte. Scheiße, wo kam der den plötzlich her, ich hatte Vorfahrt. Ich drückte das Bremspedal bis zum Anschlag durch.  Aber es reichte nicht. Ich hörte ein lautes Krachen, dann ging ein Ruck durch meinen Körper und ich wurde in den Gurt gedrückt. Schmerzen fuhren durch meine Brust und meinen Hals, als sich der Gurt tief in meine Haut drückte. Dann war alles still.

Einen kurzen Moment lang hing ich noch schlaff im Gurt, bevor ich mich langsam aufrichtete. Probehalber wackelte ich mit den Zehen, aber ich konnte alles gut bewegen. Noch mal Glück gehabt! Ich drehte mich zu Laura um. Sie hing schlaff in ihrem Gurt und bewegte sich nicht. Sie war ohnmächtig, dass sah ich sofort. Als allererstes wählte ich den Notruf, danach schnallte ich mich ab, stand auf und lehnte mich zu Laura hinüber. Schnell fasste ich zu ihrem Hals, erleichtert atmete ich auf. Sie hatte Puls! Aber ich musste trotzdem versuchen, sie so schnell wie möglich wach zu bekommen. "Laura, hey kannst du mich hören?", versuchte ich es. Ein leises Stöhnen entwich ihren Lippen. "Augen auf!", sagte ich mechanisch. Ihre Augenlieder flatterten, dann nichts mehr. Ich setzte ihr einen Schmerzreiz. Keine Reaktion. Noch einer. Wieder nichts. Scheiße! Ich begann jetzt zu schreien, konnte nicht mehr ruhig bleiben. "Laura?"

Sorry Leute, der Cut musste sein, aber ich versuche, schnell weiter zu schreiben! Und ich wollte mich bei euch bedanken, 2000 Reads! Danke, danke, danke! Ihr seid die Besten, ich hätte nie gedacht, dass mein erstes Buch so viele Reads bekommt! Bleibt alle gesund!

LG Leandra

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