Tag 47

Tyreese

Ich habe mich gestern entschieden. Endgültig. Laura kam ins Zimmer und gab mir die letzte Dosis der ersten Therapie, als ich den Entschluss fasste. Ich atmete tief ein und öffnete meinen Mund, doch es kamen keine Worte heraus. Die junge Krankenschwester sah mich mit einem abwartenden Blick an und fragte: »Wollen Sie mir etwas mitteilen, Mr. McLane?« Doch ich schüttelte nur meinen Kopf. Da war sie wieder; die Angst und Unsicherheit, durch die ich damals Grace verloren habe. Ich wälzte mich den ganzen Tag in meinem Bett hin und her und brachte es nicht zusammen, irgendjemandem von meiner Entscheidung zu erzählen.

Am nächsten Tag – also heute – kommt Patrick freudestrahlend ins Zimmer. Er hatte ein Gespräch mit einem der Ärzte. »Na, hast du positive Nachrichten erhalten?«, frage ich und unterdrücke den Reiz zu gähnen. In letzter Zeit liege ich oft die ganze Nacht wach, obwohl ich ständig müde bin.
»Oh ja, Tyreese. Megasuperobergalaktischgeile Nachrichten!« Ich sehe ihn mit verwirrtem Blick an. »Solche Ausdrücke zu verwenden schaffst auch nur du. Na los, sag schon.«
»Okay...« Er zieht einen Stuhl an mein Bett heran und setzt sich. Ich wundere mich schon seit einigen Tagen, warum er so... fit ist. Er hat verdammt viel Appetit und erzählt ständig Witze. Ich spiele schon seit geraumer Zeit mit dem Gedanken, dass ich erst jetzt den richtigen Patrick kennengelernt habe. »Tyreese, ich werde wieder gesund. Die Chemotherapie schlägt gut an und ich bin auf einem sehr guten Weg.«
»Was?« Ich setze mich aufrechter hin und spüre, wie sich ein Kloß in meiner Kehle bildet. „Ich benötige nur diesen einen Zyklus der Behandlung und danach keine mehr. Ich darf nach Hause und komme nur noch für die Chemos hierher.« Seine Augen strahlen und ein Grinsen liegt auf seinen Lippen. Und ich liege hier blöd herum und kann mich nicht für meinen Freund freuen. Ich sollte mich zusammenreißen. »Wow, Patty, das ist toll! Wann gehst du?«
»Ich weiß es noch nicht. Ich denke, dass ich Ende dieser Woche...« Ich habe mich wohl nicht genug zusammengerissen. »Mann, Tyreese. Es tut mir so leid.« Patrick rückt näher zu mir und sieht mich eindringlich an. »Du wirst auch gesund werden. Du musst nur genau so stark sein wie ich und die Behandlungen durchziehen. Du machst das doch mit links!«
»Nein, Patty. So wird es bei mir nicht laufen. Ich nähere mich jeden Tag ein Stückchen mehr dem Tod und das wird sich nicht ändern. Ich werde die Behandlung abbrechen.« Endlich ist es raus. Patricks Miene friert ein und er beginnt, seinen Kopf zu schütteln. »Hast du das gerade wirklich ausgesprochen? Ne, Tyreese. Du verarschst mich. Das kannst du unmöglich ernst meinen.« Ich senke meinen Blick und begutachte den Saum der kratzigen Bettdecke. »Doch, Patrick. Mr. Davies hat mir mitgeteilt, dass die Chemo nicht anschlägt und ich habe keine Lust, wieder von vorne zu beginnen. Es tut mir leid, aber ich habe mich dazu entschieden und niemand kann mich noch umstimmen. Ich kann und will das nicht länger durchziehen, da es sowieso zu nichts führt.«
»Du willst dich ernsthaft dem Tod überlassen? Mit fünfundzwanzig Jahren?! Was ist mit deinen Kindern? Was ist mit Grace? Du... Du bist doch ein kompletter Vollidiot! Nein, Tyreese!« Er springt auf und tigert im Zimmer auf und ab.
»Könntest du bitte damit aufhören?«, fahre ich ihn genervt an. Er bleibt ruckartig stehen und mustert mich. Ich kenne diesen Blick. Ich kann ihn in jedem Gesicht erkennen, das mich anschaut, wenn es realisiert, wie scheiße ich eigentlich aussehe. Wie ein hoffnungsloser Fall. Deshalb werde ich das Beste aus meinem Leben machen und die restliche Zeit mit Ashley, Robin und Gracy verbringen. Mein Entschluss steht fest. 

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