Kalt und tödlich
Ein heißer, unerträglicher Schmerz schoss durch meinen Körper, als sich das Schwarze vor meinen Augen, das meinen ganzen Körper dazu gebracht hatte, sich abzuschalten, langsam verzog. Er zog sich durch meinen ganzen Körper, jede Zelle und jeden Muskel, hauchte mir jedoch auch wieder Leben ein, das ich für so kurze Zeit verloren hatte.
Wie eine Ertrinkende schnappte ich nach Luft, jedoch schoss der nächste Schmerz durch meinen Körper, durch meine Lunge, die sich anfühlte, als würde sie brennen. Ich wollte meine Augen öffnen, doch konnte ich es nicht. Es schien, als würden Gewichte auf meinen Augen lasten, die nicht fortgehen würden. Ich hörte ein leises Murmeln, doch konnte ich nicht sagen, ob es nah oder fern war. Es schien beständig zu sein, die Lautstärke veränderte sich. Plötzlich spürte ich eine Hand an meinem Oberarm, spürte die Wärme, die von ihr ausging. Ich schnappte nach Luft und wollte irgendetwas sagen, doch kam kein Ton über meine Lippen. Ich konnte nicht reden, was mich panisch machte. Ich wollte sehen, was passiert war, wo wir waren, wer hier war und was mit mir los war. Ich wusste nur noch, dass dort ... eine schwarze Wand gewesen war, die auf mich hinabgefallen war, ehe mein Gedächtnis versagte. Ab da schien alles wie ausgelöscht, ein großes Loch klaffte dort, sodass ich nicht wusste, was in der Zeit geschehen war.
»Caitlyn«, hörte ich jemanden mit besorgter Stimme im Hintergrund sagen. Die Stimme war zwar nahe, das spürte ich, doch war sie leise, so als fehlte es ihr an Kraft. »Caitlyn, du ... Du bist aufgewacht«, stellte diese erleichtert fest und ich hörte ein erleichtertes Aufatmen, dann Stimmen weiter entfernt, die leise zu diskutieren begannen. Ich verstand sie nicht, obwohl ich es wollte. Ich sah auch nichts, roch nur, dass wir uns in der Natur befanden, spürte, wie der Wind mir tröstend über die Wange strich und dabei einige Haare aufwirbelte.
Nach Kurzem konnte ich dann - die Stimmen hatten leise weitergesprochen - meinen Mund öffnen und formte die Worte: »Wo sind wir?« Mein Gesagtes hörte sich eher wie ein Krächzen an. Daraufhin spürte ich eine Hand, die mir sanft über die Wange strich.
»In Sicherheit«, hörte ich die Stimme wieder und merkte, wie sie an Ausdruck und Stärke gewann. Ich merkte, wie ich auch langsam die anderen Stimmen deutlicher verstand, die sich darüber unterhielten, wie es dazu kommen konnte und was wir nun tun sollten.
»Sind sie weg?«, hustete ich und rang nach Luft.
Ich spürte zitternde Lippen auf meiner Stirn, die mir einen sanften Kuss auf die Stirn hauchten. »Ja, sie sind weg. Du hast uns gerettet, Cait. Uns alle.«
***
Nachdem ich die Augen geöffnet hatte und wieder in die Realität zurückgekehrt war, hatten wir uns zusammengesetzt und darüber geredet, was wir nun tun würden. Rey hatte mich die ganze Zeit gestützt, da mir da noch die Kraft gefehlt hatte, mich richtig aufzurichten. Er hatte gemeint, dass wir zum Treffpunkt zurückgehen würden, um Quentin und den anderen Rebellen diesen Vorfall mitzuteilen. Zudem müssten wir dann darüber nachdenken, wie wir weiter fortfahren würden. Immerhin war unser Lager im Wald aufgeflogen und nicht mehr sicher, um sich zu verstecken und bis zu dem Zeitpunkt zu warten, an dem Quentin das Okay für die Versammlung aller Kräfte und dem dazugehörigen Angriff geben hätte. Wir mussten jetzt zu ihm, klären, wie es weitergehen würde, was das für uns bedeuten würde.
Rey kam mit einem aufmunternden Lächeln, das mich dennoch nicht so richtig erreichen konnte, zu mir, die Waffen, die er zuerst über die Schulter getragen hatte, legte er neben mir ab, ließ seinen Blick kurz zu den andern schweifen, die sich ebenfalls noch Nützliches aus den Überresten geholt hatten, und setzte sich dann seufzend neben mich. Er sah mich besorgt von der Seite an, während ich vor mich hinstarrte und versuchte meine Gedanken und sonstigen Kram, der in meinem Kopf kursierte, zu ordnen. »Hey«, meinte er und legte mir eine Hand auf die Schulter, versuchte dabei Blickkontakt aufzubauen. »Caitlyn. Du musst dich darum nicht sorgen.«
Mit noch schwachen Lidern sah ich zu ihm auf und seufzte, als ich das Verständnis, die Fürsorge in seinen Augen erblickte. »Aber ich habe sie alle mit einem Mal umgebracht«, hauchte ich und ein Zittern erfüllte meinen Körper. Ich schluckte stark, schüttelte knapp den Kopf, ehe ich meinte: »Lass uns lieber los.« Ich wollte gerade aufstehen, da wurde ich wieder nach hinten gezogen und an eine Brust gedrückt. Arme schlangen sich um meinen kraftlosen Körper. Ich wollte mich aus seiner Umarmung winden, aufstehen und die Schwäche nicht preisgeben, die in mir war, doch war Rileys Griff so fest, dass ich es nicht schaffte und schließlich aufgab, dagegen anzukommen. Seufzend entspannte ich die Muskeln und drückte mich näher an ihn, um seine Wärme zu spüren, das Gefühl zu bekommen, jemand wäre bei mir, unterstütze mich in jeder nur erdenklichen Weise. »Mir geht es gut«, hauchte ich nach einer Weile, damit Rey mich endlich losließ und wir uns mit den anderen aufmachen konnten.
Rey lockerte seinen Griff um mich ein wenig, sodass er mir in die Augen blicken konnte. Er schluckte stark, Tränen blitzten in seinen wunderschönen Augen auf, ehe er eine Hand von meinem Rücken löste und über die eine Schramme an meiner Schläfe fuhr, die, wie auch die Prellungen an Rücken und Hinterkopf, noch ein wenig schmerzte. Er betrachtete sie innig, bevor er mich mit leidigem Blick ansah, Luft ausstieß und sich vorbeugte. Sein Atem strich über meine Wange, ließ mich erzittern, seine Lippen streiften über meine, ließen Wärme in mir aufsteigen. Ich schloss die schweren Augen und keinen Moment später spürte ich seine Lippen auf meinen, die mich sanft küssten, beruhigend, sodass ich das, was geschehen war, einfach hinter mir lasen konnte. Zwar ging das nicht so einfach, das wussten wir beide, jedoch vergaß ich das Schlimme der Welt nur für diesen einen kurzen Augenblick.
Seufzend ließ er seine Stirn gegen meine sinken und atmete tief aus. Er strich mir einige Strähnen hinter meine Ohren und wickelte eine um seinen Finger, sodass sie sich kräuselte. Darauf schloss er die Augen, legte die Hände an meine Wangen und hauche: »Ich liebe dich, Caitlyn. Das habe ich schon immer und das werde ich auch immer. Sei dir dessen bewusst. Vergesse dies nie. Ich liebe dich.«
***
Seine Worte waren wie ein Versprechen gewesen. Ein Versprechen, das mein Herz aufblühen gelassen hatte. Drei Worte, die so oft falsch benutzt worden, ihre Bedeutung jedoch mehr wert war als das glänzendste Gold dieser Welt. Diese drei einfachen Worte, die durch Laute geformt wurden, waren ein Beweis, eine Erklärung auf das, was zwischen uns geherrscht hatte und immer noch beständig war. Es war schon verrückt, doch war er in mich verliebt. Und ich in ihn.
Mein Körper fieberte jedoch nicht so mit wie meine Gedanken, da ich es unheimlich schwer hatte, einen Fuß vor den andern zusetzen. Das Laufen durch etliche Wälder war unheimlich anstrengend, nie ging es gerade zu, wir mussten manche steile Wege passieren. Wie lange wir schon liefen, konnte ich beim besten Willen nicht sagen, da ich die Zeit komplett aus den Augen verloren hatte. Jedoch fühlte es sich wie eine Ewigkeit an, ich sah einfach kein Ende.
Wie erwartet war ich nach hinten gefallen, Rey führte die kleine Gruppe aus acht Quators an. Ich hatte es schwer mitzuhalten, die Prellungen an meinem Rücken machten mir immer noch ziemlich zu schaffen. Riley hatte mir vorhin erzählt gehabt, dass Ashton, ein ziemlich stiller Junge, der die Kraft der Erde kontrollieren konnte, Ranken losgelassen hatte, sodass ich nicht vom Hubschrauber erdrückt wurde. Jedoch konnten die Ranken nicht alles aufhalten und so hatten sie sich, zumindest nach Reys Meinung, nach unten gebogen und mir so die Prellungen zugefügt. Doch ich war froh, dass eingegriffen wurde, wer weiß sonst, wie es sonst um meine Konstitution gestanden hätte.
In meinen Gedanken versunken merkte ich gar nicht, wie eine Gestalt zu meiner Rechten auftauchte und stillschweigend neben mir lief. Ich sah nach oben und dachte schon, es sei Rey, der zu mir gekommen wäre, jedoch erblickte ich ihn in diesem Moment immer noch vorne an der Spitze der Gruppe und somit wusste ich, dass es nur einer sein konnte: Lionel. Ich zog scharf die Luft ein und hielt sie an, starrte nach vorne, während ich meine Füße jedoch weiterbewegte. Ich schluckte stark, wollte den Kloß, der in meiner Kehle haftete, loswerden, jedoch blieb dieser an Ort und Stelle, ließ mich nicht richtig atmen. So lief ich, ohne ein Ton zu sagen, weiter, blickte gezielt nach vorne und versuchte, mir nichts anmerken zu lassen. Mein Herz raste, meine Gedanken spielten verrückt, sagten mir, dass dieser Mensch neben mir mich mit einem Zucken des Fingers töten könnte und ich somit schnellstmöglich fort von ihm sollte. Doch ich konnte nicht, ich hatte nicht die Kraft, um schneller zu gehen, von ihm fortzukommen.
»Malone?«, fragte er irgendwann und beugte sich ein wenig zu mir herüber, während wir weiterliefen. Seine Stimme hatte nichts Aggressives oder Herausforderndes an sich, sondern war einfach nur normal und fragend. Dennoch wollte ich darauf nicht eingehen, er hätte mich beinahe ums Leben gebracht. Er hasste mich aus Gründen, die mir verborgen blieben. Ich konnte ihm mein Vertrauen nicht schenken, wollte es nicht.
Er räusperte sich und trat näher zu mir, bevor er flüsterte: »Ich muss dir etwas sagen.« Er warf einen Blick nach vorne, zu Rey wohlbemerkt, und drängte: »Bitte, Caitlyn.«
Mit brodelndem Gemüt blieb ich stehen und blickte ihn mit glühenden Augen und angespannten Kiefern an, die anderen liefen weiter, ohne etwas bemerkt zu haben. »Was willst du, Lionel?«, fauchte ich und trat einen Schritt auf ihn zu, der Schmerz in meinen Schläfen immer größer werdend.
Der Junge mit den feuerroten Augen senkte den Blick, sah wieder auf und meinte stockend: »Ich ... wollte mich entschuldigen. Für das, was ich getan habe.«
Ich stieß empört Luft aus und verschränkte die Arme, während ich ihn nicht aus den Augen ließ. »Du hättest mich beinahe umgebracht, Lionel. Du ...« Ich schluckte stark, schloss kurz die Augen, um zur Besinnung zu kommen, ehe ich weiterredete: »Du hättest mich umgebracht aus mir unerklärlichen Gründen. Ich weiß noch nicht einmal, was du gegen mich hast. Was habe ich dir getan, dass du mich so verachtest? Ich ...«
Er seufzte und fuhr sich durch das Haar. Mir kam dabei in den Sinn, dass es vielleicht nur eine Ablenkung wäre, dass er die anderen aus dem Blickfeld haben wollte, um mich dann hier allein anzugreifen und verwundet oder gar tot zurückzulassen. Dennoch tat Lionel nicht das, was ich gedacht hatte, sondern er meinte nur: »Ich will mich einfach nur entschuldigen, okay? Ich will dir nur sagen, dass ... mir das leidtut und ich es nie wieder tun werde. Es war idiotisch von mir und das weiß ich jetzt.«
»Was hat dich zum Umdenken gebracht?«, stieß ich wütend hervor.
Seine feuerroten Augen blickten mich wieder an und für einen Moment hoben sich seine Mundwinkel: »Du hast ...«
»Was ist das hier?«, unterbrach urplötzlich eine erzürnte Stimme Lionel, der einen Schritt zurücktaumelte und die Luft einzog. Auch ich richtete meinen Blick nach links, wo ich Riley sah, der den Jungen mit tödlichem Blick ansah, der genauestens verriet, was er von dieser Sache hielt. Er nickte kurz mit dem Kopf und schon ging Lionel an ihm vorbei, den ich ganz anders kennengelernt hatte. Riley sah ihm noch einige Momente hinterher, der Wind fuhr ihm durch seine Haare, ehe er sich zu mir wandte und meinte: »Hat er dir weggetan?« Er kam auf mich zu, blieb aber verwirrt stehen, als ich einen Schritt zurücktrat.
»Nein, alles gut. Mir ist nichts passiert, er hat mich nicht angefasst.«
Rey nickte bedrückt und hielt mir darauf seine Hand hin, die ich nach kurzem Zögern ergriff. »Wir sind da«, hauchte er leise, als er sich zu mir vorgebeugt hatte.
Erleichtert und froh meinen Bruder endlich wiedersehen zu können drückte ich seine Hand, ließ sie los und lächelte ihm zu, ehe ich voranging und meine Schritte beschleunigte, da ich meinen geliebten Bruder endlich wieder in die Arme schließen wollte. Gräser streiften meine Beine, ich strich mit meinen Fingerspitzen über die Rinde der Bäume und bekam das dämliche Grinsen nicht mehr aus dem Gesicht, während ich Rileys Schritte hinter mir hörte. Als ich einen Hang hochgelaufen war, entdeckte ich die Höhle, die Tische und Zelte, die Waffen, die ich schon damals, als ich diesen Ort das erste Mal gesehen hatte, zu Gesicht bekommen hatte. Die Quator sah ich nicht, sie mussten sich irgendwo hinbegeben haben. Ich atmete einmal zufrieden ein, wollte gerade einen Schritt nach vorne setzen, als ich ein Knacken hörte, das durch den halben Wald hallte. Wie erstarrt bleib ich stehen, mein Herz stand für einen Moment still. Ich schloss langsam die Augen, meine Muskeln spannten sich an und ich verfluchte alles in meinen Gedanken.
»Caitlyn«, hauchte Riley ganz leise, seine Stimme nicht mehr als ein Wispern. Eine Warnung lag in ihr. Eine Warnung, die ich verstand, die mir sagte, ich solle mich nicht hektisch bewegen, nicht reden.
Ich schluckte stark, der Kloß war wieder da, ehe ich mich langsam umdrehte, den Kopf gesenkt hielt. Erst als ich mich umgedreht hatte, hob ich langsam den Kopf, meine Augen nahmen zwei Gestalten ins Visier. Ich ballte die eine Hand zu Faust und zwang mein Herz nicht zu rebellieren bei dem Anblick, der sich mir bot. Meine Augen waren auf Rey gerichtet, dem Furcht und Angst ins Gesicht geschrieben waren. Er schluckte stark und formte, obwohl ihm eine schwarze Waffe an den Kopf gehalten wurde, nur mit den Lippen: nicht. Tue es nicht.
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