11 Pflicht
Der Raum war behaglich warm und wurde von etlichen Kerzen in vielarmigen Leuchtern in ein weiches Licht getaucht. Aus einer Schale, dampften Wohlgerüche.
Decken und Kissen waren mit Seide bezogen und schimmerten wunderschön.
Adhara ließ ihre Hand über den glatten, kühlen Stoff gleiten.
Der Nachmittag war zu weiten Teilen eine Enttäuschung gewesen, aber nun war sie aufgeregt wegen der bevorstehenden Nacht.
Anders als sie gedacht hatte, war es nicht freudige Erwartung und Zuneigung, die ihr Herz zum schlagen brachten. Sie empfand nur eine dumpfe Ungewissheit, die wohl jeder verspürte, der etwas zum ersten Mal tat.
Sie lag neben ihrem Gemahl auf den weichen Matratzen und weder er noch sie rührten sich.
Auf dem Gang verklangen gerade die Laute des Wachwechsels.
Der Ritter von Goldwald würde nun in sein Quartier, weit entfernt von ihrer Tür zurückkehren. Sie ertappte sich bei dem Gedanken an die letzten Nachmittage, an denen er ihr den Palast gezeigt hatte. Es war tröstlich gewesen, in seiner Nähe zu sein.
„Meine Dame", sagte der König unvermittelt und setzte sich im Bett auf. „Wir sollten vielleicht - beginnen", schlug er zögernd vor.
Adhara sah ihn an. „Natürlich."
Er bewegte sich nicht.
"Wart Ihr schon einmal mit einer Frau zusammen, Majestät?" Sie hatte sich entschlossen, gerade heraus zu sprechen und ihre Pflicht als Königin gewissenhaft, wenn auch ohne Hingabe, zu erfüllen.
„Ich - nein. Das, das hat mich nie interessiert", stammelte er.
„Dann vielleicht mit einem Mann?", fragte sie.
„Nein. Auch das nicht. Ich - ich interessiere mich nicht dafür", erklärte er etwas ruhiger.
Adhara musterte ihn.
Er wich ihrem Blick aus und strich verlegen einige Falten seines Ärmels glatt. In diesem Moment wirkte er sehr jung.
Sie setzte sich ebenfalls auf. „Wißt Ihr, was ihr tun müsst?", forschte sie vorsichtig weiter.
„Natürlich. Ich habe eine umfassende Unterweisung erhalten. Es gehört zu den Pflichten eines Königs, einen Thronerben zu zeugen."
Sie hob ihre fein geschwungenen Brauen ein wenig.
Ihre Mutter hatte es versäumt mit ihr darüber zu sprechen, was geschah, wenn Mann und Frau sich ein Bett teilten. Ihre Kinderfrau, die runzelige Irmel, dagegen, hatte sich ihrer angenommen, nachdem sie zum ersten Mal vom Sanguin besucht worden war.
Jedoch wußte sie noch weit mehr über diese Dinge.
Adhara war auf dem Land aufgewachsen und die einfachen Menschen, die den ganzen Tag auf dem Feld arbeiteten, hatten wenig Sinn für Schamhaftigkeit.
Besonders im Sommer und im Herbst, wenn die Ernte eingefahren wurde, waren die Heuböden und Schuppen beliebte Orte für kleine Stelldicheins gewesen.
Sie war mit den Kindern der Mägde und nahen Bauern durch die Burg und die Umgebung gestreift und hatte das ein oder andere gesehen, das dem König hinter seinen hohen Mauern sicher verborgen geblieben war.
„Dann, lasst uns beginnen." Sie lächelte ihn aufmunternd an und legte ihre Hand auf seinen Arm.
Der König schien weniger aufgeregt als verwirrt und mit sich selbst beschäftigt.
Sie versuchte ihn mit sanften Liebkosungen und vorsichtigen Küssen für sich und die vor ihnen liegende Aufgabe zu interessieren.
Seine Lippen fühlten sich seltsam glatt an und obwohl sie sie neckend immer wieder streifte und schließlich lockend mit ihren eigenen daran zupfte, erwiderte er keinen ihrer Versuche.
Am Ende tat er nur das Nötigste. Es schmerzte wenig und war schnell vorüber.
Er bedankte sich, drehte sich von ihr weg und zog sich dann die Decke über die Schultern.
Adhara betrachtete seinen Schopf, der als Einziges noch zu sehen war und versuchte sich mit den Erlebnissen des Tages und ihrer Hochzeitsnacht abzufinden.
Beinahe nichts war so gekommen, wie sie es sich ausgemalt hatte.
Der Jubel des Volkes auf dem Balkon war wie in ihrer Vorstellung gewesen, ihr Kleid wunderschön und die Speisen erlesen. An den Tanz und die bewundernden Blick, die dabei auf ihr geruht hatten, würde sie noch lange denken müssen.
Doch schon den Kuss vor dem Hohen Okton wollte sie lieber vergessen.
In der Stille, während ihr junger Gemahl schlief, die Kerzen langsam verloschen und der Schnee draußen dick und weich das Land zudeckte, gestand sie sich ihre Enttäuschung ein.
Der König hatte kein Interesse an ihr, oder irgend jemandem. Seine Mutter herrschte über die Vorgänge im Palast so streng, wie ihr Sohn schwach war.
Adhara war die Königin, aber es würde schwer werden, sich zu behaupten.
Es gab keine regelmäßigen Feste, wie in ihren Träumen. Das letzte Turnier war Jahre her und seine Majestät ging keinen Zerstreuungen nach, denen sie sich anschließen konnte.
Was würde sie mit all der Zeit, die sie von nun an haben würde, anfangen?
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