erhörter ruf
› one of us - joan osborne ‹
Du gehst jeden Sonntag in die Kirche, hoffst verzweifelt, dass er dich erkennt, dich beschützt. Jeden Sonntag betest du, lauscht so aufmerksam dem Gottesdienst wie kein anderer. Jeden Sonntag nimmst du dir dafür Zeit, egal wie viele unmögliche Aufgaben und unerträglichen Schmerzen auf dir lasten. Du sitzt in der hölzernen Kirchenbank, singst die Lieder mit und überlegst dir, wie es wäre, wenn er auch hier unter euch sitzen würde. Was wäre, wenn es ihn wirklich gegeben hätte? Als ganz normalen Menschen? Doch du verwirfst deine dummen Gedanken sofort wieder, das könnte nicht möglich sein. Und doch hoffst du, dass er dich sieht, dass er dir beisteht, wenn die Schläge dich treffen, dass er die Tritte abwehrt, dass er dir in irgendeiner Weise beisteht. Doch du weißt, das kann nicht zutreffen. Du bist ihren verletzenden Worten weiter ausgesetzt, du weißt, dass sie wahr sind. Warum sollten sie auch lügen? Du bist fett, das sagen sie selbst in der Schule. Du bist hässlich und dumm, warum solltest du sonst deinen Abschluss nicht geschafft haben? Selbst wenn er einer von uns wäre, selbst dann würde er nur mitlachen und sich von dir abwenden. Weil du minderwertig bist, nicht einmal dein Glaube hilft dir vor den Schikanen. Nicht mal er. Du stehst wutentbrannt aus deiner Bank auf, als der Gottesdienst zu Ende ist. Willst dich nach Hause begeben, schließlich ist er nicht unter uns. Doch du kommst nicht weit, noch in der Kirche läufst du in jemanden, es wirft dich fast von deinen klumpigen Füßen. Du schiebst dir schnell das strähnige Haar hinter die Ohren, hoffst, dass du nicht in einen Renter gerannt bist, der nun nicht mehr aufstehen kann. Als du deinen Blick hebst, siehst du nur die schönsten Augen, die du je in deinem Leben erblickt hast und merkst gar nicht, wie dein Gegenüber dein Gesangsbuch aufhebt, das dir heruntergefallen ist. Er drückt es dir in die Hand, sagt nur drei Worte, bringt damit aber dein Herz zum Schmelzen und verdrängt alle Probleme und blaue Flecken in den Hintergrund. »Du bist wunderschön.« Vielleicht, denkst du, vielleicht ist Gott doch unter uns
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