23.

„Tim, jetzt beeile dich doch Mal! Wir müssen los.”, rief mein Vater von unten nach mir.

„Jaja, ich bin fast fertig.”, damit zog ich mir ein T-Shirt drüben, schnappte mir meine Jacke und ging nach unten.

„Jetzt kommt, wir sind schon spät dran...”, drängelte mein Vater.

Gemeinsam stiegen wir ins Auto und er fuhr los. Die Sonne stand noch hoch am Himmel, obwohl es schon Abend war und die Wolken schimmerte orange. Schweigend fuhren wir durch die Stadt; ich schaute aus dem Fenster.
Die Gegend, in die wir fuhren war sehr schick und auch das Restaurant sah ziemlich teuer aus. Seit wann könnte sich mein Vater so etwas leisten?
Bevor wir das Restaurant betraten, atmete ich noch ein mal tief ein und schaute mich um. Danach stemmte mein Vater die Tür auf und wir gingen rein. Der Geruch von Essen und die Wärme im Restaurant schlugen mir entgegen und meine Handflächen wurden noch schwitziger. Das Restaurant war gut besucht und die meisten Gäste gehörten - wie erwartet - eher zur höheren Gesellschaft. Mein Vater schlängelte sich zwischen den Tischen durch und steuerte einen kleineren Tisch weiter hinten an. Darum saß schon eine Frau, die gerade ihre Haare zurecht machte.

„Hallo Michelle.”, begrüßte mein Vater sie. Lächelnd stand sie auf und warf sich in seine Arme. Dabei wehten ihre Haare in alle Richtungen und legten sich wie einen Schleier um die beiden.
Nachdem sie sich begrüßt hatten, wendete sich die Frau an mich. Ihre Augen bohrten sich durch mich hindurch und sie sah so aus, als würde sie mich am liebsten beißen, würde mein Vater nicht neben mir stehen. Im die abgekühlte Stimmung wieder etwas zu heben, Strecke ich ihr meine Hand entgegen.

„Hallo, ich bin Tim. Freut mich, sie kennenzulernen.”

„Michelle”, sagte sie mir, während sie meine Hand schüttelte. Anscheinend konnten wir uns beiderseits nicht leiden.

„Wie wär's, wir setzen uns hin und bestellen schon mal... Wo ist eigentlich dein Sohn, Michelle?”, unterbrach mein Vater die entstandene Stille. Dabei setzen wir uns als hin. Ich setze mich extra gegenüber von Michelle, um so weit wie möglich von ihr entfernt zu sein.

„Mein Sohn musste noch mal schnell in's Bad, aber er wird gleich wieder zurück sein.”, erklärte sie und lächelte meinen Vater dabei an.

Seufzend wendete ich mich der Karte zu und suchte mir schon mal was zu trinken. Der Großteil der Getränke war Wein, doch ganz hinten fand ich zum Glück noch ein paar Säfte. In dieser Gesellschaft wollte ich lieber kein Alkohol trinken. Während ich mit schonmal das Essen durchlas, hörte ich Schritte, die sich uns näherten. Ich dachte zuerst, es wäre ein Kellner, doch als ich den Kopf hoch, schaute ich direkt in Alec's lächelndes Gesicht.

„Hallo Tim. Wie geht es dir?”, fragte er fröhlich.

„Alec...”, ich probierte, seinen Namen nicht so zu genervt auszusprechen, „Mir geht's gut.”

Damit setzte sich Alec neben mich. Ich warf einen Blick zu meinem Vater, der ziemlich überrascht drein schaute.

„Ihr kennt euch schon?”, fragte dann Alec's Mutter, die auch ziemlich überrascht aussah.

„Ja, Tim und ich gehen in die gleiche Klasse.”, erklärte er stolz.
Damit begann ein Gespräch über die Schule. Still las ich mir die einzelnen Beschreibungen der Gerichte durch und überlege, was ich essen wollte.
Gleichzeitig fragte ich mich aber auch, warum Michelle sich so ein teueres Restaurant ausgesucht hatte. Ob sie selbst auch in diesem Viertel wohnten. Das würde ja heißen, dass Alec ein ziemlich reiches Kind war. Doch er verhielt sich gar nicht wie ein arroganter Bengel, eher wir ein Dreijähriger, der Aufmerksamkeit brauchte. Vielleicht bekam er ja Zuhause nicht genug. Würde mich auf jeden Fall nicht wundern.
Das Bestellen dauerte etwas länger, da Michelle eine Füßen Show abzog und sich gefühlt zehn Mal umentschied. Wie die Mutter, so der Sohn. Nachdem dann das endlich geklärt war, ging das Gespräch rasch weiter. Leider wurde ich nun auch mit einbezogen und ab und zu mit Fragen bombadiert. Widerwillig antwortete ich aber trotzdem immer.

„Bist du in einer Beziehung?”

„Nein”

„Wie sind deine Noten so?”

„Mittelmäßig”

„Kommst du gut mit den anderen klar?”

„Naja...”

„Verstehen du und Alec sich gut?”

„Naja-”, wollte ich antworten, doch Alec unterbrach mich.

„Natürlich verstehen wir uns gut, schließlich hat Tim mich gerettet. Das werde ich ihn nie vergessen.”, grinste er in die Runde, während ich nur die Augen verdrehte.

„Du hast ihn gerettet, Tim? Wovor denn?”

„Vor Erik...”, viel er mir schon wieder in's Wort und sah dabei sogar stolz zu mir.

„Ist das nicht...?”, fragte mein Vater laut, wobei die eigentliche Frage in seinen Augen stand. Schließlich hatten sich Erik und mein Vater ja schonmal getroffen.

„Ja.”, antwortete ich ihm nur.

Michelle, die uns still gelauscht hatte, hatte bei seinem Namen das Gesicht verzogen, so, als hätte sie nur schlechtes über ihn erzählt bekommen. Würde mich aber auch nicht wundern, schließlich waren Alec und Erik ja nicht unbedingt die besten Freunde.
Zum Glück kam dann aber endlich das Essen, wodurch die Gespräche zum Erliegen gebracht wurden. Still schweigend genoss jeder sein Essen. Dabei lockerte die entspannte Musik, die aus Lautsprechern in den Ecken des Restaurants drang, die Stimmung extrem.
Nach einer Weile hatte ich doch das Gefühlt, dass Alec in diese reiche Gesellschaft passte. Denn seine Art zu essen, war genau die gleiche, wie bei den anderen Leuten im Restaurant. Sie nahmen alle nur sehr kleine Bissen und s kaufen sehr schnell, um den Mund fast durchgängig leer zu haben. So war man immer auf ein spontanes Gespräch vorbereitet und sein Gegenüber musste nicht erst warten, bis man hintergekaut hatte. Insgesamt genossen die das Essen auch nicht wirklich, denn sie waren ja daran gewöhnt, sowas jeden Tag zu essen. Mein Vater und ich hingegen aßen sehr langsam, weswegen wir auch als letztes fertig wurden.

„Wollt ihr noch ein Dessert?”, fragte Michelle, als alle fertig waren. Dabei hatte ich aber eher das Gefühl, dass sie nur Alec und keinen Vater fragte.

„Puhh, ne.... Ich bin platze satt. Ich bekomme nichts mehr rein.”, antwortete mein Vater und rieb sich dabei den Bauch.

Enttäuscht schaute Michelle zwischen uns hin und her, doch auch wir waren satt und schüttelten nur mit dem Kopf.

„Na schön, dann werde ich Mal zahlen gehen...”, sagte sie, stand auf und ging zur Kasse.

„Tim...? Wir sehen uns doch morgen, oder?”, fragte Alec und lächelte mich dabei hoffnungsvoll an.

„Ja, wir müssen doch schließlich in die Schule, also werden wir uns vermutlich auch sehen.”, antwortete ich, zugegebenermaßen verwirrt.

„Das find ich gut.”, grinste Alec mir entgegen. Meinen verständnislosen Blick ignorierte er einfach.

Michelle kam zurück und wir verließen alle zusammen das Restaurant. Bevor wir zu den Autos gingen, verabschiedeten wir uns gegenseitig, wobei Michelle und mein Vater sich küssten. Es war komisch, ihnen dabei zuzusehen, wenn ich immer das Bild meiner Mutter im Kopf hatte. Schnell ging ich zum Auto und stieg ein. Nach ein paar Minuten kam auch mein Vater und wir fuhren los.

„Das war doch ein toller Abend!”, meinte er begeistert während wir nach Hause fuhren.

„Na, wenn du meinst.”, dabei fand ich eher, dass es ein komischer Abend war. Einerseits, dass ich Erik getroffen hatte und dass er, mal wieder, extrem aufgedreht und fröhlich war. Und dann war da noch seine Mutter, die mich augenscheinlich nicht leiden konnte. Doch das war mir egal, ich mochte sie ja schließlich auch nicht. Als wir endlich Zuhause ankamen, verkrümelte ich mich sofort in meinem Zimmer. Ich beschäftigte mich ein bisschen mit meinem Handy, bis ich eine Nachricht von Erik bekam:

Erik: Und, wie war's?

Tim: Woher weißt du, dass ich schon wieder zurück bin?!

Erik: Du bist zum ersten mal an diesem Abend online gekommen...

Tim: Oh... Stimmt

Erik: Du hast keine Frage mich nicht beantwortet

Tim: achso, ja...
Also, es war ziemlich komisch

Erik: Wie meinst du das? Ist etwas passiert?

Tim: Die neue Freundin meines Vaters kann mich vermutlich nicht leiden...

Erik: Wieso glaubst du das?

Tim: Sie hat mich die ganze Zeit so komisch angeschaut und irgendwie hat sie mich auch ignoriert...

Erik: Hmm, dass muss ja nicht gleich heißen, dass sie dich nicht mag, aber ok
Was ist sonst noch passiert?

Tim: Ihr Sohn, also...

Erik: Was ist mit ihrem Sohn?

Tim: Alec... Alec ist ihr Sohn...

Erik: Alec... DER Alec...

Tim: Japp

Erik: Also war es vermutlich ein sehr anstrengendes Treffen?

Tim: Du sagst es...
Er hat die ganze Zeit nur geredet und war so extrem enthusiastisch.

Erik: Das kann ich mir vorstellen..
Und was ist sonst noch so passiert?
Irgendwas spannendes

Tim: Naja, nicht wirklich
Es war eigentlich eher ziemlich langweilig

Erik: Hmm...

Tim: Aber zum Schluss haben sie sich geküsst...

Erik: Ohh...

Tim: Jaa, da müsste ich direkt an meine Mutter denken

Erik: ...

Tim: Irgendwie war das echt komisch...

Erik: Aber jetzt ist es ja vorbei...

Tim: Ja, zum Glück...
Ich geh schnell -4°

Damit legte ich mein Handy weg und verschwand in's Bad. Ich putze meine Zähne und ging schnell auf's Klo. Bevor ich das Bad verließ, schaute ich noch mal in den Spiegel. Was fand Erik bloß an mir?

Erik: Was heißt -4°...?

Tim: Das weißt du nicht?!

Erik: Na offensichtlich...

Tim: Nach was sieht es denn aus?

Erik: Nach minus vier Grad...?!

Tim: Ja, aber nach was sieht es denn noch aus?

Erik: Es sieht aus, wie... Eine lackende Person...

Tim: ...

Erik: Was, echt?

Tim: Japp

Erik: Warum hast du sowas geschrieben...?!

Tim: Weiß nicht...

Lachend legte ich mein Handy zur Seite. Ich könnte mir nur zu gut Erik's verstörten Blick vorstellen. Er stalkte mich doch sowieso immer, also sollte ihn so eine kleine Information nicht stören. Schnell schaltete ich mein Handy doch wieder an, damit Erik mich nicht zuspamen würde, nur, weil ich nicht mehr antwortete.

Tim: Ich geh jetzt schlafen

Erik: ok
Gute Nacht

Tim: Nachti

Damit legte ich mein Handy entgültig weg und kuschelte mich in meine warme Decke. Ich erinnerte mich wieder an den Kuss zwischen Michelle und meinem Vater. Dabei musste ich an meine Mutter denken und sehnte mich nach ihren warmen Umarmungen. Und plötzlich kam mir mein Bett so unglaublich kalt vor. Doch vielleicht würde sich das bald wieder ändern. Vielleicht würde bald wieder jemand in meinem Bett liegen und mich mit Umarmungen wärmen. Und mit diesem hoffnungsvollen Gedanken schlief ich ein.

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