21.

Gemeinsam betraten Erik und ich die Schule und sofort war mir klar, dass etwas passiert war - und damit meinte ich nicht, dass das Schulfest schon im vollen Gange war. Alle schauten uns komisch an und tuschelten. Doch ich war nicht überrascht. Irgendwann musste ja sowas passieren. Es war von Anfang an nur eine Frage der Zeit gewesen, bis sie sich über uns lustig machen würden. Doch ich fand es gar nicht so schlimm. Ich fing an, Erik zu vertrauen. Und da wir nun in der gleichen Situation gefangen waren, brachte es uns auch näher zusammen. Und solange ich einen Menschen hatte, auf den ich mich verlassen konnte, waren alle anderen unwichtig.
Das Erste, was mir in's Auge stach, als wir unser Klassenzimmer betraten, war die Tafel. In großer, krakeliger Schrift hatte jemand ‚T+E’ geschrieben und mit einem Herz eingerahmt. Rund herum waren gefühlt einhundert Penisse gemalt. Man hätte es als Mobbing werten können, doch ich fand es eher lustig. Ich brach in schallendes Gelächter aus, während mich alle verwirrt anschauten.

„Ist schon traurig, dass ihr euer Selbstwertgefühl erhöht, indem ihr andere mobbt. Und dann bekommt ihr es nicht Mal hin, die Tafel schön zu dekorieren.”, brachte ich heraus, bevor mich ein weiterer Lachanfall mitriss. Erik, der immer noch neben mir stand, stieg nun auch in mein Lachen ein und zusammen standen wir mitten im Klassenraum und sahen aus, wie zwei behinderte. Doch das störte uns nicht im geringsten. Irgendwann wendeten sich unsere Klassenkameraden wieder wichtigeren Dingen zu und auch wir hörten auf, zu lachen.

„Stört es dich eigentlich nicht, dass deine Freunde dich mobben?”, wand ich mich an Erik.

„Nö, wieso sollte es auch? Wenn sie mich nicht so akzeptieren, wie ich bin, dann sind sie es auch nicht wert, meine Freunde zu sein. Außerdem hab ich doch dich. ”, damit grinste er und zog mich mit zur Essensecke. Kuchen und kleine Snacks waren feinsäuberlich auf mehrere Tische verteilt.

„Danke übrigens nochmal, dass du mit zum Schulfest gekommen bist...”, dabei grinste er mich ganz scheinheilig an.

„Du weißt genau, dass ich das nicht freiwillig mache, sondern nur, weil wir zusätzliche Hausaufgaben bekommen, wenn wir nicht hier sind und helfen... Aber wenigstens gibt es Kuchen - ein geringer Trost.”, damit schnappte ich mir einen Pappteller und gabelte mir ein Stück Kuchen auf. Während ich meinen Kuchen mampfte und meine Laune merklich stieg, saß Erik nur da und schaute mir zu.

„Willst du nichts essen?”, fragte ich, zwischen zwei Schmatzern. Er schüttelte nur den Kopf und grinste weiter vor sich hin.

Nachdem ich mein drittes Stück Kuchen verdrückt hatte, liefen wir ein bisschen durch die Schule. Viele Klassen hatten ihr Klassenzimmer geschmückt, manche boten sogar Mitmachsachen an. Bei einer Klasse konnte man Schach spielen und eine Andere hielt einen Vortrag, über die Informatik-AG an unserer Schule. Irgendwann blieben wir dann in einem Zimmer und schauten zu, wie mehrere Schüler sich in einem Quiz-Duell maßen. Die Fragen waren nicht wirklich spannend, doch die Reaktionen der anwesenden Lehrer, auf falsche Antworten, war sehr lustig. Bei der nächsten falschen Antwort rastete der Lehrer fast aus. Ich wollte gar nicht wissen, was das für ein Druck für die Schüler war, doch ich fand es amüsant.
Leider mussten wir dann wieder in unser Klassenzimmer, um beim Aufräumen zu helfen. Circa 18:00 Uhr durften wir endlich gehen. Nachdem wir die Schule verließen, wollte Erik schon den Weg zu mir nach Hause einschlagen. Doch ich hielt ihn am Handgelenk fest und stoppte ihn damit.

„Können wir vielleicht zu dir gehen?”, fragte ich vorsichtig.

„Ähm...”, er legte kurz eine Denkpause ein, „Klar.”

„Danke...”

Still folgte ich ihm, bis zu seinem Haus. Es stand umgeben von Bäumen in einem kleinen Park. Die Hausmauern waren schon etwas älter, doch ich zählte es immernoch als eine Villa. Fasziniert sah ich mich im Vorgarten um. Wie schaffte man es, Pflanzen so wunderschön zum blühen zu bringen. Wenn ich mich um Pflanzen kümmerte, dann starben sie immer nach kurzer Zeit.
Während wir über den Kiesweg zur Haustür liefen, herrschte eine peinliche Stille. Zumindest schien es so, als wäre es ihm peinlich. Und durch mein Staunen machte ich es bestimmt nicht besser. Doch das war mir in diesem Moment egal.
Nachdem er endlich die Eingangstür aufgeschlossen hatte, wurde mein Staunen nicht weniger - im Gegenteil. Das Haus war ganz anders, als unser eigenes. Es war eher dunkel gehalten, was aber gut zum Stil des Hauses passte. Alles wirkte groß, doch es war nicht riesig. Und es machte auch keinen protzigen Eindruck. 

„Möchtest du etwas trinken?”, riss mich Erik aus meinem Staunen. Nach einem kurzen Nicken meinerseits, führte er mich in die Küche. Diese war heller eingerichtet, als der Rest des Hauses und strahlte eine unglaubliche Sauberkeit aus.

„Sag mal, haben deine Eltern einen Putzfimmel?”, fragte ich, während er mir ein Glas Saft einschenkte. Dankbar nahm ich dieses entgegen und trank ein paar Schlucke.

„Ich würde es nicht als Putzfimmel bezeichnen, aber sie machen immer alles sauber, wenn wir Besuch bekommen. Und wir bekommen ziemlich oft Besuch.”

„Apropo, deine Eltern... Wo sind die überhaupt? Auf Arbeit?”, damit stellte ich mein leeres Glas weg und folgte ihm aus der Küche raus.

„Ne, die sind dieses Wochenende zum Glück zusammen im Urlaub, um mal wieder Zeit zu zweit zu verbringen.”, sagte er, als wir vor einer Tür ankamen. Er öffnete sie und wir warten beide in sein Zimmer.

„Warum ‚zum Glück’? Magst du sie nicht?”, fasziniert nahm ich sein Zimmer und vor allem, seinen Buchschrank unter die Lupe.

„Ich mag sie schon, aber ich hab dir doch erzählt, dass meine Familie gläubig ist und da wären sie mit dem allen hier nicht einverstanden.”

Ich drehte mich zu ihm um und sah, wie er sich gerade auf seinen Schreibtischstuhl setzte. Mit einer einladenden Bewegung, erlaubte er mir, mich auf sein Bett zu setzten.
Ich ließ mich darauf nieder und schaute mich still weiter im Zimmer um. Nachdem ich mit meiner Beobachtungstour fertig war, bemerkte ich, dass Erik mich die ganze Zeit musterte.

„Was ist?”, fragte ich lachend und weckte ihn damit auch aus seinen Gedanken.

„Hab ich dir eigentlich schon Mal gesagt, wie unglaublich hübsch du bist...?”, grinste er mir, peinlich berührt, entgegen.

„Ja, ich glaube, dass hast du letztens schon mal gesagt...”, entgegnete ich gespielt nachdenklich.

„Achso, na dann brauch' ich es jetzt ja nicht noch mal tun. ”, dabei drehte er sich weg, um sein Grinsen zu verstecken.

„Aber du darfst es natürlich gerne noch mal sagen...”

„Nenene, einmal nur, sonst wirst du zu überheblich.”

„Ich und überheblich...?
Ich sehe nur die Realität...”

„Ach, und die wäre...?”

„Das ich unglaublich hübsch bin...”, damit fingen wir beide an, herzlichst zu Lachen und es wurde schwer, wieder aufzuhören.

„Weißt du, du bist echt unmöglich...”, brachte Erik atemlos heraus.

Irgendwann bekamen wir uns dann doch wieder ein und redeten ein bisschen über unterschiedliche Themen.

„Wenn du jetzt schon mal bei mir bist und es Wochenende ist, dann könntest du-”, fing er an, doch ich unterbrach ihn.

„Oh nein, was kommt jetzt?!”

„Ich wollte nur fragen, ob du mir bei den Hausaufgaben helfen kannst?”, fragte er lachend und boxte mich dabei gegen meinen Arm.

„Bei den Hausaufgaben?! Du willst, dass ich dir bei den Hausaufgaben helfe?! Seit wann machst du denn bitteschön Hausaufgaben?”, lachend wollte ich zurückboxen, doch er wehrte meinen Arm ab.

„Eigentlich mach ich sie nie, aber da du jetzt ja da bist...”

„Ich werde sie aber nicht für die machen!”, empörte ich mich scherzhaft.

„Das sollst du ja auch gar nicht...”, erwiderte er genervt und schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn.

Und so kam es dazu, dass ich Erik bei seinen Hausaufgaben half. Während er teilweise an den Aufgaben verzweifelte, verzweifelte ich daran, ihm alles zu erklären. Manche Sachen verstand ich auch selber nicht. Dann endete es immer damit, dass wir uns darüber aufregten, warum die solche scheiß Aufgaben erstellten. 
Meine Position auf Erik's Bett änderte sich ständig. Zuerst saß ich noch, das wandelte sich dann aber in liegen, bis ich irgendwann kopfüber über die Bettkante hinaus hing. Dabei rutschte ich ganz langsam weiter über die Kante und wenn ich irgendwann fallen würde, dann würde ich ziemlich hart den Boden küssen.

„Wir haben es geschafft.”, jubelte Erik, „Wir sind endlich mit diesen scheiß Aufgaben fertig. Zumindest größtenteils... Jetzt weiß ich, warum ich nie Hausaufgaben mache.”

„Oh ja, vielleicht sollte ich damit ab jetzt auch anfangen.”, stimmte ich in sein Gejubel mit ein.

„Was, nein. Du musst deine Hausaufgaben machen, damit du schön schlau wirst und mir dann immer helfen kannst.”, stoppte er meine Freuden-Parade.

„Willst du damit etwa sagen, dass ich noch nicht schlau bin.”, empörte ich mich erneut an diesem Tag.

„Doch doch, schon. Aber du musst ja noch viiiiiiiiel viel schlauer werden. Bis du alles weißt, was man nur wissen kann.”, ermunterte er mich.

„ Aber ich will gar nicht alles wissen, was man wissen kann. Dann würde ich ja auch wissen, welche Unterhosen alle aus unserer Schule tragen.”

„Du brauchst gar nicht super schlau zu sein, um zu wissen, was für eine Unterhose ich trage.”, er war kurz davor, seine Hose runter zu ziehen, als ich ihn lachend davon abhalten konnte.

„Spinner...”, murmelte ich lachend vor mich hin. Einige Zeit saßen wir einfach da und genossen die Ruhe, bis mein Bauch anfing, zu knurren.

„Komm, lass uns runter gehen und etwas essen.”, dabei reichte mir Erik sein Hand und zog mich vom Bett auf meine Füße. Zusammen gingen wir wieder in die Küche. Dort angekommen, schaute ich ihm zu, wie er im Kühlschrank mach essbaren Sachen suchte. Heraus holte er ein paar Eier und Schinkenwürfel und briet damit typische Spiegeleier.
In der Zwischenzeit schaute ich ihm zu und klaute ab und zu mal einen Schinkenwürfel.

„Hey, wenn du die Schinkenwürfel jetzt schon alle isst, dann bleiben keine mehr für die Eier übrig.”
Schmollend drehte ich mich um und deckte den Tisch. Als die Eier fertig waren aßen wir gemeinsam, wobei ich den Großteil aß. Ich hatte einfach extrem viel Hunger. Danach wuschen wir noch das Geschirr ab und machten es uns vor dem Fernseher gemütlich. Wir suchten einen einfachen Film raus und genossen den Abend.
Irgendwann merkte ich noch, wie mein Kopf auf Erik's Schoß lag und er mir durch die Haare strich.

„Gute Nacht”, flüsterte ich und schlief ein.

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