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Mittlerweile waren zwei Monate vergangen, seit ich Ney dazu bekommen hatte, den ersten Schritt dahin zu gehen, dass er sich auf den Weg der Besserung begab. Damals musste er noch zwei Wochen länger im Krankenhaus bleiben. Die Ärzte mussten erst sichergehen, dass er wirklich selbstständig aß, ich in der Lage war mich soweit um ihn zu kümmern, dass er nach Hause konnte und sie mussten sichergehen, dass medizinisch keine Gefahr mehr bestand. Ich hatte Ney jeden Tag dazu gezwungen mindestens eine Stunde in der Sonne an der frischen Luft zu verbringen. Ich wusste, wie wichtig Sonne für das Gemüt war und ich wusste auch, dass ein tristes Zimmer ihm nicht helfen würde seine Freude am Leben zurück zu kriegen. Trotz dessen, dass er jeden Tag mit mir rausging, er wieder selbstständig aß und so weiter, lag immer noch eine gewisse Gezwungenheit in seinem Tun. Ich wusste, dass er es nicht aus freien Stücken tat. Er tat es für mich, er tat es, damit die Ärzte ihn entließen. Ich hatte damals die Hoffnung, dass eine gewohnte und heimische Umgebung ihm dabei helfen könnten, wieder glücklich zu werden. Ich hatte gehofft, dass es ihm besser gehen würde, wenn wir nach Hause konnten. Wenn er endlich wieder in seinem Bett liegen konnte, wenn er endlich in seiner gewohnten Umgebung war. 

Denn auch wenn es den Anschein machte, dass es ihm besser ginge, bezog sich das bloß auf das physische. Durch die frische Luft und das Essen, ging es ihm körperlich zwar etwas besser, aber psychisch ging es ihm immer noch dreckig. Das wusste ich und ich wusste auch, dass sich das im Krankenhaus nicht ändern würde. Deswegen hatte ich die Hoffnung gehegt, dass es ihm Zuhause langsam wirklich besser gehen würde. Tatsächlich, sah ich das erste Mal, seitdem er wieder wach war, ein Lächeln auf seinen Lippen, als wir zusammen unser gemeines Haus betraten, wobei ich ihn schob. Es handelte sich zwar nur um ein sehr zaghaftes und schwaches Lächeln, aber es war ein Lächeln und das war schon mal mehr als die der Wochen davor. Seitdem er wieder mit mir zusammen in unserem gemeinsamen Haus wohnte und sich in dem Rollstuhl mehr oder weniger frei bewegen konnte, sah ich immer wieder ein Lächeln auf seinen Lippen. Schließlich kam der Tag, an dem er zu mir kam und mich fragte, ob ich mit ihm rausgehen würde. Es schien zwar bloß eine einfache Bitte zu sein, doch es war so viel mehr. Es war der erste Schritt, der wirklich aktiv von ihm ausging. Es war das erste Mal, dass Ney von sich aus raus wollte und nicht, weil ich ihn darum bat. So kam schließlich auch der erste Tag, an dem ich ihn in der Küche vorfand, wie er sich essen machte und so weiter. Vor zwei Wochen kam dann der Tag, an dem er zu mir kam und mich um etwas bitten wollte. Ich hatte gelernt, wie wichtig es war, dass ich ihn ernst nahm und ihn nicht versetzte oder sonst was tat. Deswegen ließ ich das Training an dem Tag spontan ausfallen. Der Fakt, dass am nächsten Tag Champions League war und ich eigentlich spielen sollte, ignorierte ich. Ney war deutlich wichtiger, als Fußball es je sein könnte. Somit lief ich neben ihm her ins Wohnzimmer und setzte mich auf die Couch. Ney hatte innerhalb der ersten drei Wochen, die er im Rollstuhl verbracht hatte, gelernt, wie er sich mit diesem bewegte und wie er so schnell wie möglich selbstständig irgendwo hinkam. Er wollte nicht immer auf mich warten müssen, bis er wohin konnte und diesen Wunsch hatte ich akzeptiert. So hatte ich gelernt ihm nicht jedes Mal zu helfen, wenn er mal etwas langsamer unterwegs war oder nicht beim ersten Versuch um eine Ecke kam. Ich hatte gelernt geduldiger zu sein und ihn machen zu lassen. Ich hatte gelernt ihn selber machen zu lassen und zu verstehen, dass er trotz des Rollstuhls immer noch ein selbstständiger junger Mann war, der nicht für alles Hilfe brauchte. Sobald er sich dann aus dem Rollstuhl gehievt hatte und neben mir auf dem Sofa saß, hatte er angefangen seinen Wunsch zu erklären. 

Er wollte gerne mit der Therapie anfangen. Er wollte wieder lernen zu laufen. Diese Therapie machte er jetzt seit drei Wochen. Jeden Tag kam ein junger Mann zu uns und führte verschiedene Übungen mit Ney durch. Er war über Neys Unfall und seine komplette Krankenakte im Bilde. Er hatte seine Übungen dem Ganzen angepasst und richtete sich komplett nach Neys Tempo. Wir hatten es so einrichten können, dass er immer dann kam, wenn ich beim Training war. Als ich heute wieder nach Hause kam, fand ich Ney auf der Couch wieder, der Rollstuhl lag etwa zwei Meter weit weg von ihm umgekippt auf dem Boden. Es sah schon fast so aus, als wenn Ney ihn weggeworfen hätte. "Amour?", fragte ich vorsichtig nach. Ney regte sich nicht. 

Ich lief um das Sofa herum und setzte mich vorsichtig neben ihn. Den umgekippten Rollstuhl ließ ich fürs erste außer Acht. Wenn er ihn wirklich mit Absicht weggestoßen hatte, dann konnte ich mir vorstellen, dass er gerade nicht wirklich gut auf diesen zu sprechen war. „Was ich los Baby?", fragte ich vorsichtig nach. Ney schnaubte.

„Warum bist du überhaupt noch bei mir. Ich bin doch völlig unnütz. Ich kann nichts machen. Ich bin zu nichts in der Lage. Ich bin ja sogar zu dumm, um Laufen zu lernen", zischte er mich an. 

Etwas überrascht von seiner Reaktion nahm ich meine Hand wieder von seinem Oberarm. Durch das ständige herumfahren im Rollstuhl hatte er deutlich an Bizeps gewonnen, womit seine Arme gefühlt doppelt so breit waren wie meine. „Ney, du bist nicht unnütz. Du bist ein unfassbar starker Mann. Ich kenne niemanden, der so eine Geschichte erzählen kann, wie du es kannst. Die Ärzte hatten dich schon aufgegeben, doch du hast sie eines Besseren belehrt. Du gibst nicht auf, auch wenn es aussichtslos erscheint. Du kämpfst weiter und hast trotz den Geschehnissen noch deine Lebensfreude. Du bist einfach unglaublich, ich bin unfassbar froh dich an meiner Seite zu haben. Ich bin stolz dich meinen Freund nennen zu können. Du bist mein Vorbild Ney", redete ich ihm Mut zu.

„Wie kann ich dein Vorbild sein Kyky? Wenn dir etwas passieren würde, wenn du beispielsweise die Treppe runterfallen würdest und das Bewusstsein verlieren würdest, könnte ich dir nicht einmal helfen. Ich könnte dich nicht zum Sofa oder irgendwo anders hinbringen. Ich könnte dir nicht helfen. Wie also kannst du stolz auf mich sein?", fragte er. Die Wut in seiner Stimme war verschwunden, stattdessen konnte ich jetzt die Verzweiflung hören. Ich nahm ihn vorsichtig in den Arm. Er ließ es zu und drückte sich wie schon so oft an meine Brust. Wie so oft schon kraulte ich seinen Hinterkopf. 

„Wie kommst du darauf?", fragte ich irgendwann nach. 

„Die Therapie... ich mache immer noch keine Fortschritte. Ich kann immer noch nicht ohne Hilfe stehen. Ich kann nicht einmal auf meinen eigenen Beinen stehen Kylian. Manchmal frage ich mich, ob das überhaupt noch Sinn macht. Vielleicht sollte ich es einfach aufgeben. Vielleicht ist es einfach aussichtslos. Vielleicht muss ich mich auch einfach mit dem Gedanken anfreunden, dass ich nie wieder so laufen kann wie früher", hauchte er. Ich drückte ihn von mir weg. 

„Nein Ney, du schaffst das. Das weiß ich. Wir schaffen das zusammen. Du hast es schon so weit geschafft, du kannst jetzt nicht einfach aufgeben. Das lasse ich nicht zu und das weißt du auch. Du wirst weitermachen", sprach ich mit fester Stimme gegen ihn an. 

„Im Ernst Kylian, ich schaffe das nicht, es ist zu viel", seine Stimme war bloß noch ein Hauchen. Ich schloss kurz die Augen und bemühte mich um eine verständnisvolle Reaktion. 

„In Ordnung. Lass uns eine Pause machen, lass uns einfach alles einmal pausieren und wieder etwas Kraft tanken", ging ich auf ihn ein. Ney lachte trocken auf.

„Das hier ist das Leben, das kannst du nicht pausieren", gab er von sich. Ich schüttelte den Kopf. Dann griff ich nach vorne auf den Wohnzimmertisch. 

Dort stand mein Laptop, welchen ich jetzt hochfuhr. „Was machst du?", fragte Ney mit matter Stimme. 

„Die Welt pausieren", war meine simple Antwort, ohne vom Laptop aufzusehen, ,,was hältst du von Tunis?"

„Was soll das Kylian, wir können nicht einfach abhauen", gab Ney genervt zurück. 

„Gut, dann also Tunis", gab ich zurück. Von Ney kam noch eine Weile Protest, weshalb ich unsere Koffer einfach alleine packte. Ich rief Tuchel an und erklärte ihn alles. Auch wenn er nicht begeistert war, stimmte er dem Ganzen zu und somit würde ich nicht einmal Stress bekommen, wenn ich jetzt nach Tunis flog. Ney war schließlich schlafen gegangen. Deswegen weckte ich ihn um drei Uhr nachts wieder. 

„Was willst du Kylian? Ich will schlafen", murrte er. 

„Kannst du gleich im Flugzeug", gab ich zurück. Ney setzte sich auf. 

„Hör auf mit dem Quatsch, du kannst nicht einfach so das Leben pausieren, dass klappt nicht", seine Stimme war deutlich genervt. Ich setzte mich neben ihn auf das Bett und nahm sein Gesicht in meine Hände.

„Lass dich doch mal drauf ein. Ich habe mit Tuchel gesprochen, es ist in Ordnung. Wir können nach Tunis, du musst nur mitwollen. Wenn wir da sind, lassen wir all das hier einfach mal hinter uns. Wir nehmen uns eine Pause und tanken neue Kraft", redete ich sanft auf ihn ein. 

„Tuchel hat zugestimmt?", fragte Nye ungläubig. Ich nickte.

„Kommst du jetzt mit oder nicht?", wollte ich wissen. 

„Ich komme mit, aber auch nur wenn du deswegen keinen Stress mit dem Verein kriegst", stimmte er zu. So flogen wir noch in derselben Nacht nach Tunis.

•••

Ich hoffe es hat euch gefallen vielen Dank an dreaming_t für das überarbeiten und bis zum nächsten mal

[hoffentlich wird die Auszeit ihm gut tun. Kylian ist immer noch so unbeschreiblich toll. Er ist in den schwersten Moment für Ney da und baut ihn auf <3 positive vibes an Ney]

»Ich liebe Kylian. Kylian bekommt im gegenzu zu dir noch meine Ich liebe dich's. Oh Kylie <3 So süß <3«

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