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Bismarcks VW Passat steht am Straßenrand und wir stehen neben dem Passat. Nein, wir sind nicht auf den Tanklaster aufgefahren und brennen tut auch nichts. Außer dem Eifer in den Adern der Schweizer Zollbeamten, die gerade mit Hingabe und Leidenschaft alles aus der Karre schmeißen, was nicht Niet- und Nagelfest ist. Ein aufgebrachter Deutscher Schäferhund hüpft ebenfalls durchs Auto und schnüffelt lautstark, während er so stark an der Leine zieht, dass er sich fast selbst erwürgt.

„Vielleicht finden die die ganzen Feuerzeuge, die ich schon in meinem Auto verloren habe", meint Bismarck und zieht an seiner Zigarette.

„Vielleicht finden sie Dope, von dem wir nichts wissen", überlege ich.

„Selbst wenn, das kriegen wir eh nicht. Die behalten das dann", wirft Vincent ein. Er hat genau wie ich ebenfalls eine brennende Zigarette zwischen den Fingern.

„Stimmt ja", sage ich. „Wenn wir wenigstens Musik hören könnten."

Aber die Schweizer Zollbeamten mögen entweder keinen Punk oder generell keine Musik. Unverständlich.

„Wie lang fahren wir eigentlich noch?", fragt Bismarck. Ich reiche ihm meine Bierdose, weil er vor den Beamten eh nicht saufen sollte, und zieh mein Smartphone aus meiner Hosentasche. Bismarck nimmt einen Schluck. Muss er wissen. Ich entsperre es und rufe die Navigationsapp auf, in der unsere Route eingestellt ist und unser Pfeil auf der Stelle steht.

„Ne Stunde", sage ich. Wir brauchen schon seit einer halben Stunde noch eine Stunde, so lange stehen wir nämlich schon hier. Wenn wir nicht bald weiterfahren können, hat uns Adolf zu Fuß eingeholt. Auch wenn die wahrscheinlich gar nicht losgelaufen ist und sich stattdessen im Sauer-sein übt.

Ich stecke mein Handy ein und hole mir mein Bier zurück.


Einräumen dürfen wir alles, nachdem die Männer in Uniform nicht gefunden haben, was sie gesucht haben. Drei von Bismarcks Feuerzeugen haben sie zutage befördert, eine Plastikpackung mit Kaugummis, mein altes Tastenhandy, das ich mit auf Konzerte und Demos genommen habe, weil ich meins ständig verliere und kein Vertrauen in die Bullerei habe, eine Unterhose, die aussieht, als gehöre sie Adolf und eine Socke, die wahrscheinlich von Bismarck ist – keine Ahnung, ich will jedenfalls nicht dran riechen – und natürlich jede Menge Müll und den ganzen Kram, den wir absichtlich dabeihaben.

Bismarck fängt an, den Müll zusammenzusammeln, während wir die Sachen wieder einladen. Er findet, dies ist der perfekte Moment zum Ausmisten, während hinter uns schon das nächste Auto auseinandergenommen wird. Ich nicke den drei jungen Arabern zu, die genau wie wir am Straßenrand stehen und nicht mal Tattoos und komische Klamotten brauchen, um verdächtig auszusehen. Ihr Auto ist aber aufgeräumter als Bismarcks, zumindest landet weniger Zeug auf der Straße.

„Wo is'n der Mülleimer?", fragt Bismarck den Zollbeamten, der mit seinem todessehnsüchtigen Hund am Auto der Araber bereitsteht.

„Was?", fragt der, während der Hund sich die Stimmbänder rauskläfft.

„Der Mülleimer", wiederholt Bismarck langsam und deutlich und hebt beide Hände, die voller Plastik und anderem Rotz sind.

„Wir sind doch keine Autoputzstation", sagt der Zöllner.

„Ihr habt keinen Mülleimer?"

Der Mann schüttelt den Kopf und sieht Bismarck skeptisch an. Der schüttelt ebenfalls den Kopf.

„Keinen Mülleimer. Ihr seid beschissener als jeder Rastplatz, ey", seufzt er und geht zu seinem Auto zurück, um den Müll auf einen Haufen in den Kofferraum zu legen. Ich wette, da bleibt der für die nächsten Jahre liegen.


„Müssen wir nicht mal irgendwann irgendwo anders hin, als immer nur geradeaus?", fragt Bismarck, als wir schon eine Weile wieder unterwegs sind.

„Ach ja", sage ich. Ich nehme mein Smartphone aus der Hosentasche und entsperre den Bildschirm. Die Navigationsapp ist noch geöffnet und muss sich kurz sammeln, ehe sie mir verrät, dass wir bereits von der Autobahn hätten abfahren müssen.

„Wir mussten da hinten runter", sage ich und zeige mit dem Daumen nach hinten.

„Super", sagt Bismarck, der ziemlich genervt auf mich wirkt.

„Bist du genervt?", frage ich ihn, während ich schaue, was die App als nächstes vorschlägt. Generell vermeide ich es eher einen Weg einzuschlagen, den irgendwelche Amis mir vorschlagen – es sei denn, sie heißen Emma Goldman – aber einen Straßenplan besitze ich nicht und hatte auch keine Lust, mir irgendwo einen auf unbestimmte Zeit auszuleihen. Müsste ja auch die Schweiz mit drauf sein.

„Nee, gar nicht. Wieso auch?", erwidert er, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass er das nicht ernst meint.

„Gib mal 'n Bier", sage ich über die Schulter zu Vincent und höre wieder den Reißverschluss.

„Was ist denn jetzt? Wie soll ich fahren?", nervt Bismarck jetzt mich. Ist echt ansteckend dieses Genervtsein, schlimmer als die Grippe oder so.

„Immer mit der Ruhe, Bisi, der Sturm auf die Schweiz läuft doch gut", erwidere ich, während ich das Bier von Vincent entgegennehme.

„Ich schmeiß dich gleich aus meinem Auto", droht Bismarck und die Bierdose zischt, als ich sie öffne.

„Du bist echt ein bisschen unentspannt", lässt sich Vincent vernehmen. Ein Blick über die Schulter zeigt mir, dass er das grüne Täschchen in der Hand hält, in dem er sein Drehzeug transportiert. Er schiebt sich einen Filter in den Mundwinkel und das inspiriert mich. Ich klemme mir die Bierdose zwischen die Oberschenkel und greife in den Fußraum, wo ein blaues Täschchen mit meinem Drehzeug wartet. Mein Smartphone lege ich auf meinen Oberschenkel, ziehe den Reißverschluss auf und schiebe mir ebenfalls einen Filter in den Mundwinkel. So sind sie, die Künstler. Sie inspirieren uns und machen unser Leben ein wenig besser, ein wenig bunter, oder – in diesem Fall – ein wenig verrauchter.

„Sag mir jetzt, wo ich langfahren soll", verlangt Bismarck von mir, aber ich bin kein Soldat oder wie auch immer man die Komischen nennt, die einem Kaiser unterstellt sind.

„Chill", gebe ich jetzt selbst unentspannt zurück und werfe mit dem Blättchen in der einen und dem Tabak in der anderen Hand einen Blick auf den Bildschirm von meinem Smartphone. „Die nächste runter und dann fahren wir die Autobahn in die andere Richtung zurück." Ich nenne ihm noch den Namen der Ausfahrt und widme mich dann wieder meiner Zigarette.

Bismarck seufzt tief und hat sein Ziel erreicht – ich bin jetzt ebenfalls abgefuckt. Tja, ist halt wie in der Realität – Bismarck hat noch Kriege gewonnen. Die Menschen damals waren bestimmt ähnlich genervt wie ich jetzt gerade von dem ganzen Getue und dem ganzen Stress für nichts.

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