Kapitel 6 - Magie

Miriam wachte früh auf, als ihre Zimmernachbarin Elena begann sich für den Unterricht fertig zu machen. Die Sonne war schon aufgegangen und schien durch das große Fenster zwischen ihren Betten. Elena hatte die Gardinen aufgerissen und die Fenster geöffnet um zu lüften. Das Zimmer war perfekt symmetrisch aufgeteilt, was Miriam genauso wie am Vortag wieder bestaunte. Das einzige was die beiden Zimmerseiten unterschied, war, das in Elenas Hälfte überall Sachen lagen. Aus ihrem Schrank quoll Kleidung auf ihren Schreibtisch hatte sie einen großen Spiegel aufgestellt und überall lagen Tücher und anderes Wirrwarr was Miriam nicht eindeutig identifizieren konnte.
Sie hatten noch nicht viel miteinander gesprochen, doch Miriam fand Elena auch unsympathisch.

Elena hatte sich vor an ihren Schreibtisch, vor den Spiegel gesetzt und begann erstmal damit ihren gesamten Schmuck zu begutachten. Dabei öffnete sie mindestens fünf kleine Truhen, bis sie sich schließlich für eine Halskette mit einem riesigen blauen Edelstein entschied und sich die passenden Ohrringe dazu raussuchte.
Miriam dachte daran wie viel Essen ihr der Schmuck auf ihrer Welt eingebracht hätte. Niemand ihrer Freunde hätte hungern müssen...
Langsam wühlte sie sich nun auch aus ihrem Bett. Ein Bett war ein Luxus den sie nie wieder hergeben wollte, ihr Körper schmerzte gar nicht so wie sie es gewohnt war. Sie spürte ihn kaum und es war ein herrliches Gefühl. Gallewin hatte ihr neue Kleidung bringen lassen. Ein gelbes, ein grünes und ein blaues Shirt und drei weite, schlichte, braune Hosen. Sie sahen schon etwas abgetragen aus, aber um Längen besser als ihre eigene Kleidung.
Ihre Sachen hatte sie über Nacht angelassen. Sie waren das einzige, was ihr noch aus ihrer Welt geblieben war. Sie ging mit ihren neuen Sachen aus dem Zimmer in die Mädchenduschen. Schälte sich nun doch aus ihren Sachen heraus, legte sie ordentlich zusammen und drehte das Wasser auf.
Sie spürte wie der Schmutz von ihr runter gewaschen wurde. Jahre des Lebens auf der Straße färbten das Wasser dunkelbraun und erst nach einigen Minuten wurde es wieder klar. Sie stand trotzdem noch eine Weile unter dem lauwarmen Wasserstrom und genoss die frische die er mit sich brachte.

Als sie fertig angezogen in ihr Zimmer zurück ging, herrschte schon rege Betriebsamkeit auf den Gängen. Im Zimmer angekommen legte sie ihre alten Sachen in den Schrank, der ihr zugeteilt worden war. Nur die Uhr nahm sie noch schnell aus ihrem Mantel und steckte sie in ihre Hosentasche.

Elena war derzeit damit beschäftigt etwas passendes zum anziehen aus ihrem überfüllten Schrank herauszusuchen. Sie hatte nicht einmal aufgeschaut, als Miriam ins Zimmer zurückgekommen war. Als sie sich nun mit triumphierenden Gesicht und einem mit Perlen verzierten Kleid zu ihr umdrehte, sagte sie: "Das passt perfekt zum Schmuck."
Dann stockte die kurz. "Ich hätte nicht gedacht, dass du blond bist. Unter all dem Dreck hatte ich dich mehr für brünett gehalten." Miriam wusste nicht wie sie auf den Kommentar reagieren sollte, da sprach Elena schon weiter. "Welchen Unterricht hasst du bekommen? Bist du auch im Wasserelement - Grundlagen Kurs?" Miriam blickte kurz auf den Stundenplan, den sie auf ihrem Nachttisch liegen hatte.
"Ja, da bin ich auch drin."
"Dann können wir da gleich gemeinsam hingehen. Ich muss mich nur noch kurz fertig machen."
Elena brauchte jedoch etwas länger bis sie schließlich fertig war und Miriam schaute immer wieder aus dem Fenster in diese unwirkliche, einfach zu perfekte Welt.
Als Elena schließlich fertig war und ihr kurzes Kleid und den Schmuck angelegt hatte, gingen sie los. Miriam fand, das Elena sich nicht so schick hätte machen müssen. Sie sah sonst auch niemanden, der so aufgetakelt herum lief, doch sie traute sich nicht jemanden so reichen zu kritisieren.

"Von welcher Welt kommst du", fragte Elena.
"Ich weiß nicht wie meine Welt heißt. Sie ist wohl eine derjenigen die kurz vorm sterben ist. Das meinte auf jeden Fall Professor Gallewin."
Elena wirkte schockiert.
"Mein Beleid. Du musst echt froh sein, da weg zu sein. Ich habe bis jetzt nur schlechtes über die Randwelten gehört."
Miriam zuckte mit den Schultern.
"Meine Welt war nicht schön, aber ich hatte gute Freunde. Ich wünschte sie wären hier."
"Wieso bist du ohne deine Freunde gegangen, oder...", diesmal wirkte Elena noch bestürzter, "haben sie es etwa versucht und es nicht geschafft."
Miriam schüttelte den Kopf. "Nein, es war... Es war eine spontane, notgedrungene Entscheidung, als ich allein unterwegs war."
Elena musterte sie kurz.
"Du wurdest nicht darauf vorbereitet? Ein Wunder das du überlebt hast. Ich habe mit einem Lehrer gelernt, wie ich die Bestien besiegen kann und bis zur Kuppel komme und es war trotzdem schwierig."

Miriam überlegte. Elena musste rechts gegangen sein. Wenn aber so viele Bestien auf der anderen Seite gewartet hatten und die Leute davon erzählten, wieso gingen dann trotzdem so viele dort lang und nahmen nicht den anderen Weg?
Sie blieben gemeinsam vor einer blauen Tür stehen.
Elena schluckte: "Dann geht es wohl los, es ist schon das dritte Mal das ich diese Woche zu spät komme." Mit einem nervösen Lächeln öffnete sie die Tür und sie gingen gemeinsam hinein.
Eine große, streng wirkende, alte Frau stand vor ihnen und musterte sie. Sie trug eine schmale Brille und ein langes, formloses Kleid.
"Miss Martines, es ist jetzt schon das dritte Mal diese Woche das sie zu spät dran sind und die Woche hatte bisher nur drei Tage. Setzen sie sich und kommen sie nach dem Unterricht nochmal zu mir. Und Sie müssen Miss Miriam Dreizehn sein. Ich bin Mrs. Creck. Lassen Sie sich nicht von den schlechten Manieren von Miss Martines anstecken. Suchen Sie sich einen freien Platz und dann geht es los."
Miriam überflog schnell den Raum und sah, dass sich die einzigen freien Plätze in der ersten Reihe befanden. Sie setzte sich ans Fenster und lächelte. Es war immer wieder schön nach draußen schauen zu können.
Mrs. Creck fing an mit ihrem Unterricht. "Heute werden wir ein paar Praxisübungen machen."
Die Klasse schien darüber sehr erfreut zu sein. "Für die, die mit Wassermagie hierher gekommen sind, wird es zu einfach sein, als das ihnen die Stunde etwas nützt. Sie können sich für diese Stunde freinehmen."
Ein paar Schüler standen auf und gingen, darunter auch Elena, doch die meisten blieben.
"Ihr werdet heute lernen eine Wasserkugel schweben zu lassen. Dafür müsst ihr euch auf die Kraft in eurem Innern konzentrieren. Lasst sie fließen wie das Wasser und stellt euch vor was ihr machen möchtet. Dort in der Ecke stehen Wassereimer für euch. Nehmt euch einen und probiert es aus. Denkt dabei an die kreisenden Handbewegungen die wir durchgenommen hatten."
Miriam holte sich einen Eimer und hievte ihn auf ihren Tisch. Nun blickte sie ihn an. Sie wusste nicht recht was sie machen sollte. Eine Wasserkugel zum schweben bringen? Wie sollte das funktionieren? Mrs. Creck kam zu ihr rüber.
"Bist du dir über den Ursprung deiner Magie im klaren?"
"Nein, Madam."
"Die Magie kommt aus deinem Herzen und spiegelt deine Willensstärke wieder. Die Geschichte der ersten Nutzung der Magie erzählt von einem Mann der das Meer überqueren muss um zu seiner Geliebten zurück zu kommen. Doch er wird von einem Sturm über Board geworfen und droht zu ertrinken. Doch der Wille zu seiner Familie zurück zu kommen ist so stark, dass er dadurch die Magie in seinem Herzen entdeckt, das Wasser bändigt und sicher vom Wasser nach Hause getragen wird. Auch du musst deinen Willen entdecken. Wenn du einmal weißt wie du Magie nutzt dann wirst du es nie vergessen. Erinner dich an deine Zwischenweltsprüfung. Wie konntest du das Portal öffnen?"

Miriam dachte an das Licht das sie gesehen hatte. An das panische Gefühl einfach überleben zu wollen und da geschah es. Das Wasser vor ihr fing an zu blubbern und sie selbst spürte wie die Magie in ihr zu fließen begann. Jetzt wusste sie was Mrs. Creck gemeint hatte.

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