Kapitel 10 - Zerfallende Welten

Es war schon einen Monat vergangen, seit Miriam auf die Schule gekommen war. Sie spürte das schon diese kurze Zeit sie sehr verändert hatte. Sie starrte nach draußen in den Regen. Es wurde langsam Herbst. Heute würde das Training unangenehm werden. Miriam schwang sich vom Fenstersims, auf dem sie gerade noch gesessen hatte und machte sich auf dem Weg zum Frühstück, während Elena noch schlafend in ihrem Bett lag.

Im Speisesaal setzte sie sich zu Mo, der seinen Stammplatz auf einer der obersten, schwebenden Ebenen hatte. Er lächelte sie an und ihr Herz schlug schneller. Mo hatte ihr so viel geholfen und er war der einzig mit dem sie sich hier gut verstand. Seit zwei Wochen trafen sie sich jeden Morgen um mit ihr zusammen zu trainieren. Sie war längst nicht mehr die letzte, wenn Flick mit ihnen lief, auch wenn sie trotzdem noch nicht ganz mit ihm mithalten konnte.

„Welche Aufgaben hast du denn heute zugeteilt bekommen?", fragte Miriam ihn. Die Schule hatte Mo seine verpatzte Mission immer noch nicht verziehen.

„Die Standartaufgabe, allen die nicht aufstehen können ihr Essen zu bringen; die ist allerdings schon erledigt; dann natürlich auch wieder später das Aufsammeln von zusammenklappenden Schülern und während du im Unterricht bist, darf ich als Küchenhilfe arbeiten. Vielleicht solltest du das Mittagessen also auslassen."

Beide lachten.

„Hast du noch was von Malvin gehört?"

Mo schüttelte den Kopf. „Nein leider nicht, aber der Rest des Teams soll bald von ihrer Mission zurückkehren und wahrscheinlich endet dann die Strafe."

Die Strafe würde enden? Miriam zeigte es nicht, aber sie war traurig darüber. Das würde heißen, dass er bald wieder auf Missionen gehen würde, doch sie musste hierbleiben.

„Das hört sich doch gut an. Da freust du dich sicher."

„Na klar, ich kann es kaum erwarten mal wieder etwas zu reisen. Die Schule ist zwar schön, aber auf Dauer doch etwas langweilig."

Dann nach kurzem Schweigen sprach er das aus, was sie nicht aussprechen wollte. 

"Wir werden und dann nicht mehr so häufig sehen können."

Miriam nickte niedergeschlagen, doch als sie seinen mitleidigen Blick sah, lächelte sie.

"Naja, außer du vermasselst mal wieder eine deiner Missionen, oder sie befinden mich für so gut, dass ich schon nach einem Monat mitkommen kann."

Auch Mo lachte jetzt. Sie unterhielten sich weiter über den Unterricht. Mo hatte so viel mit ihr über fortgeschrittene Magie gesprochen, dass sie fast alle ihre Klassenkameraden in der Theorie überholt hatte. Sie kam ihrem Ziel Anton und Jona zu retten immer näher. 

Als sie fertig waren mit Essen, räumten sie ihr Geschirr weg und machten sich auf den Weg zum Trainingsplatz, der etwas abseits des Schlosses lag. Am frühen Morgen waren hier nur sehr wenige Leute und Miriam konnte ungestört mit Mo trainieren. 

Zuerst liefen sie gemeinsam ein paar Runden und dann kamen sie zum spannenden Teil; Mo brachte ihr bei Erde zu kontrollieren. Auf dem Übungsplatz waren mehrere große Felsen. Mo hatte ihr gezeigt, wie er mit nur einem Schlag den Fels in zwei Schlagen konnte und wollte es ihr nun beibringen. 

Die ersten Versuche hatten für Miriam mit schmerzenden, an dem Fels aufgeplatzten Knöcheln geendet und sie hatte gezweifelt, dass sie überhaupt die Kraft besaß den Felsen in nur irgendeiner Weise zu verändern. Nach ein paar Tagen jedoch hatten sich erste Erfolge gezeigt, als sie es schaffte eine Delle in den Felsen zu schlagen. 

Jetzt hatte die Delle schon eine beachtliche Größe angekommen und Miriam wusste, es würde nicht mehr lange dauern und dann konnte sie auch Felsen zerschmettern. 

Als ihre Muskeln brannten und sie außer Atem da stand beendeten sie das Training. 

"Du solltest dich beeilen, sonst kommst du noch zu spät zum Unterricht."

"Ja, ich mach mich auf den Weg. Sehen wir uns beim Mittagessen?"

"Ich dachte du würdest meine Warnung ernst nehmen, aber anscheinend wills du dich wirklich vergiften."

Miriam konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. "Wenn du dich zu ungeschickt anstellst schmeißen sie dich bestimmt aus der Küche."

"Das könnte vielleicht mein Ziel sein", scherzte Mo.

Dann rannte Miriam los zu den Unterrichtsräumen. Heute war der letzte Tag der Woche, also wurde allgemeine Magie unterrichtet. Sie erfuhr immer mehr Neues über die Welten und die Regeln die überall herschten. Sie fühlte sich wie ein Mensch, der nach Jahren der Dunkelheit das erste Mal den Sonnenaufgang erlebte. Sie konnte schon die Schemen aus denen das Universum bestand erkennen, doch bis der Tag anbrach und sie alles klar sehen würde, würde noch einige Zeit vergehen.

Sie schlüpfte kurz vor einer Schülergruppe, die auch ziemlich spät dran war in den Raum und setzte sich auf ihren Platz vorne am Fenster. Als sich die letzten Novizen alle hingesetzt hatten begann Professor Gallewin zu sprechen. 

"Heute behandeln wir das Thema. Der Magieverteilung in den verschiedenen Welten und die damit einhergehenden Gefahren."

Während er erzählte lief er vor den Schülern auf und ab. 

"Ihr könnt euch das Universum mit den verschiedenen Welten vorstellen wie eine riesige Kugel. In diesen Welten die in diesem Universum liegen ist die Magie jedoch nicht gleichmäßig verteilt. In der Mitte ist sie am stärksten, am Rande am schwächsten. Die meisten Welten in diesem Universum sind unbewohnt. Nur in der sogenannten goldenen Schicht ist ein unbeschwertes Leben möglich. Am inneren Rand dieser Schicht befindet sich auch diese Welt. Das Land ist schon sehr Magie erfüllt. Mit mehr Magie kommen auch mehr magische Bestien, die so stark sind, dass man sie nicht mehr besiegen kann. Den mit Magie getränkten Universumskern nennt man weiße Schicht. Auf der anderen Seite liegt die graue Schicht. Das sind die Welten, die kaum noch Magie haben.

Das gefährliche ist jedoch, dass sich die Schichten verschieben. Alles rückt näher an den Kern heran. Ihr fragt euch sicherlich, wo darin die Gefahr liegt."

Er musterte die Klasse kurz mit einem forschenden Blick.

"In der grauen Schicht könnt ihr keine Magie verwenden. Wenn ihr dort strandet, seit ihr für immer dort gefangen, denn ihr werdet auch nicht imstande dazu sein, ein Portal zu öffnen. Das ist eine große Gefahr beim reisen. Ihr solltet also nie eine schwache Welt ansteuern, wenn ihr euch nicht sicher seit, dass ihr zurückkommen könnt. Die Welten die kurz davor stehen in die graue Zone zu rutschen nennt man auch zerfallende Welten."

Miriam stockte der Atem. So hatte Gallewin einmal ihre Welt genannt.

"Wir bekommen viele Missionen rein Leute aus diesen Welten zu retten und in andere Welten die nicht gefährdet sind zu bringen, meist ist dies jedoch auch für Weltenwanderer sehr gefährlich und kann nur nach einer langjährigen Ausbildung durchgeführt werden."

Was war mit Anton und Jona? Sie hatte keine Zeit für eine langjährige Ausbildung. Sie musste sie jetzt retten, sonst würde sie vielleicht nie die Chance dazu bekommen. 

Sie sprang auf und rannte aus dem Raum. Die erstaunten Ausrufe und Fragen ignorierte sie und rannte zur Küche. Als sie die Tür aufriss lief sie gleich in jemanden hinein. Es war Mo. Ihn hatte sie gesucht.

Mit Tränen in den Augen stand sie vor ihm. "Mo, ich brauche deine Hilfe."

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