Prolog


Der Mond strahlte hell und klar auf die Lichtung und tauchte sie in ein mystisches Licht. Magie lag in der Luft. Die verborgenen Völker waren versammelt, es konnte beginnen. Lichte, Dunkle und Neutrale standen in weiten Abständen voneinander, konnten es jedoch nicht vermeiden, sich ab und an feindselige Blicke zuzuwerfen. Schließlich trat eine hübsche, wenn auch klein geratene Elfe hervor und sprach mit ihrer honigklaren Stimme: „Wir alle wissen, warum wir gekommen sind. Die Abtrünnigen morden, foltern und töten die Unsrigen." Mit ihren großen, runden, goldenen Augen betrachtete sie das Gesicht jedes Einzelnen. Viele hatten Angst, doch waren sie entschlossen, heute Nacht das Richtige zu tun. Hexen, Zauberer, Dämonen der Unterwelt, Arben, Wichtel, Elfen, Oger, sprechende Tiere und noch viele mehr waren gekommen. Von ihnen allen waren heute die Mächtigsten und Klügsten hier versammelt. Obwohl es unter ihnen viel Hass gab, würden sie heute ihre Feindschaft ablegen müssen. Ein zustimmendes Raunen ging durch die Anwesenden. Ein Oger, stark und unermüdlich wie ein Felsen, lenkte die Aufmerksamkeit auf sich, indem er in einem, für die Dunklen ungewöhnlich traurigen Tonfall, das Wort ergriff: „Die Seelenfresser haben fast meine ganze Familie ausgelöscht, dieses Kind wird meine Rache sein." Er hob entschlossen sein Schwert und rammte es mit einem unmenschlichen Schrei in den Boden. Jeder Einzelne trat noch hervor, um sich zu verabschieden. Nach und nach schwand die Abneigung, an ihrer Stelle trat eine tiefe Verbundenheit. Den Sprechern wurde der gebührende Respekt gezollt. Aber letztendlich sagten sie alle das Gleiche: Sie waren verloren und das Kind war das Einzige, was ihnen noch Hoffnung schenkte. Schon bald fühlten sie sich bereit, von ihrem bisherigen Leben Abschied zu nehmen, ihre Liebsten zu verlassen und sich auf vollkommen fremdes Terrain zu begeben. Die Zeit war endlich reif. Es wurden Gebete, Geheimnisse oder Abschiedsgrüße gemurmelt. Einige schlossen die Augen, die erwartungsvolle Spannung vibrierte in der Luft. Sie würden ein Opfer bringen, um alle zu retten. Kurz darauf folgte eine grüne Explosion, ein schmerzlich lauter Knall, und dann war es wieder still. Unnatürlich still. Alle waren verschwunden, die Luft stank nach Tod und Verwesung. Die Bäume wichen erschrocken zurück, kein Laut drang aus dem dichten Wald. Zurückgeblieben war totes, schwarzes Gras. Dichter Rauch stieg vom Boden auf und würde auch nie mehr weichen. In der Mitte der Lichtung lag jedoch etwas äußerst Lebendiges. Kate trat aus dem Schatten der Bäume hervor. Fröstelnd zog sie sich die Kapuze tiefer ins Gesicht, ihr Blick huschte unruhig über die Lichtung. Ihre Mutter hatte immer davon erzählt, dass dieser Tag kommen würde und sie hatte auch nie daran gezweifelt, doch dass ausgerechnet sie dazu bestimmt war, dies zu erleben, hätte sie sich nie träumen lassen. Ein weiteres Mal ließ sie den Blick über die Lichtung wandern, um mögliche Feinde in den Schatten zu erspähen. Letztlich kam sie zu dem Schluss, dass nirgendwo Seelendiebe lauerten, die nur darauf warteten, die Seele der Hüterin an sich zu reißen. Die junge Frau lief aufgeregt zu dem sich windenden Wesen. Vorsichtig hob sie es hoch und hielt ein kleines Menschenkind in den Armen. Ein Paar dunkler, ernster Augen blickte ihr entgegen, dann senkten sich die Lider des Babys. Die Hüterin hielt es ganz fest an sich gedrückt, als hätte sie Angst, man könnte es ihr wieder entreißen. Schon jetzt breitete sich eine wohlige Wärme in ihrer Brust aus und sie wusste, sie liebte das Kind, welches nun friedlich in ihren Armen schlief. Bei dem Gedanken, was es erwartete, lief ihr ein kalter Schauer über den Rücken. Instinktiv drückte sie es näher an sich. Für dieses Kind hatten sich alle geopfert, es würde die Rettung sein oder der Untergang. Sie wusste es nicht.

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