Rote Tiefen - Vergangenheit - Teil II

Nach dieser ersten Zurschaustellung seiner Unterwerfung wurden ihm nach und nach weitere Portionen Mana zugestanden. Er durfte wieder üben, gewann etwas seiner früheren Stärke zurück. Was blieb, war die dunkle Leere in seinem Inneren. Und die Dämonenfessel.

Immer wieder prüfte sein Meister ihn, brach in seinen Geist ein um nach Widerstand zu suchen, nutzte die Dämonenfessel, um ihn zur Belustigung zusammenbrechen zu lassen und hilflos zu halten. N'Arahn ertrug es, umarmte die Angst und die Dunkelheit in seinem Inneren, nahm sie als Teil seines neuen Lebens an. Er lernte. Und vergrub die langsam wieder aufkeimende Wut über seine Situation so tief in sich, dass er sie selbst kaum für wahr hielt.

Einige Zeit war vergangen, als Jazahr ihm eine Aufgabe übertrug, die davon zeugte, dass er der Meinung war, N'Arahn habe seine Lektion gelernt. Er schickte seinen Adjutanten zu einer aufstrebenden Höllenfürstin, die derzeit keine eigenen höheren Dämonen in ihren Diensten hatte.

Sie habe jedoch gerne Gesellschaft um sich und schmücke sich vorzugsweise mit hübschen Kriegstreibern, erklärte der Ränkeschmied. N'Arahn solle sie auf dem Markt begleiten, sie schützen und ihr für eine Weile dienen. Regelmäßig würde er jedoch Berichte erwarten: Mit wem machte sie Geschäfte, wen traf sie besonders häufig, welche Waren hatte sie zu Verfügung?

„Das sollte selbst für jemanden wie dich nicht zu schwierig sein. Und halbwegs ansehnlich bist du ja. Wenigstens etwas." N'Arahn senkte den Kopf noch tiefer.

„Ja, Meister. Danke für die Aufgabe, Meister."

Der verächtliche Laut, den Jazahr ausstieß, jagte einen wilden Schmerz durch die Brust des jungen Dämons, doch er unterdrückte die Aufwallung, leerte seinen Geist. Er durfte sich nicht verraten, denn... Denn was? Da war nichts.


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Der Dienst bei der Verführerin erwies sich als vergleichsweise angenehm. Tatsächlich war er mehr Ausstellungsstück, als dass er echte Arbeit hatte. Die Begleitung auf dem Markt war denkbar einfach, da sie ein Gefolge aus niederen Dämonen und Hauptleuten mit sich schleppte, das seinen Schutz völlig überflüssig machte.

Doch Llanna lobte seine Statur und ließ ihn kleinere Übungskämpfe mit anderen Adjutanten oder niederen Dämonen ausfechten, bei denen es aber eher um die Zurschaustellung körperlicher Attribute ging, als um Verletzungen und Sieg. Nicht N'Arahns bevorzugte Art des Kämpfens, doch eine durchaus positive Abwechslung nach den Erlebnissen bei seinem Meister.

Trotzdem erstattete er, wie verlangt, regelmäßig Bericht. Er wusste nicht, wann er zurückberufen werden würde, so dass er versuchte, nützlich zu sein.

Die Trennung von dem Ränkeschmied machte ihm jedoch auch möglich zumindest ab und zu über seine Alternativen nachzudenken. Keine besonders glücklichen Gedanken, denn obschon er dem Höllenfürsten körperlich wieder weit überlegen war, ließ ihm die Dämonenfessel keine Chance.

Und nun hatte sein Meister auch noch nach Schwachstellen der Dämonin gefragt. Wann war sie alleine? Welche Kräfte setzte sie bevorzugt ein? Hatte sie Schmuckstücke, die Schutz versprachen? Der angehende Kriegstreiber wusste, worauf dies hinauslaufen würde, und es gefiel ihm nicht. Er würde sich gut vorbereiten müssen.


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Nach einem Tag voller Besuche und Festlichkeiten, bei denen N'Arahn sich äußerst unwohl gefühlt hatte, zog die Höllenfürstin sich mit ein paar ausgewählten anderen höheren Dämonen zurück. Erst später ließ sie nach dem ausgeliehenen Adjutanten schicken; als er zu ihr kam, war sie bereits wieder alleine. Die Luft hatte sich vollgesogen mit den Gerüchen von Lust, süßem Wein und Früchten; die herumliegenden Kissen waren zerwühlt.

N'Arahn spürte eine neue Aufregung in sich hochsteigen. Bisher hatte sie nichts dergleichen von ihm verlangt, doch er wäre gerne bereit gewesen, ihr in dieser bestimmten Hinsicht zu Diensten zu sein. Sie war attraktiv, mit ihrem von Schattenmacht in seinen Augen besonders vorteilhaft gerundeten Körper, den roten Lippen und dem Blick, der Hitze und Erfüllung versprach.

Und er könnte etwas Entspannung gebrauchen, etwas Wärme, die seine Leere füllte. Eine andere Möglichkeit, diese Energie, die sich fast wie Wut anfühlte, herauszulassen.

Die Verführerin lag ausgestreckt und sich wohlig räkelnd in einer Kissenlandschaft. Als N'Arahn herantrat, klopfte sie auf die Kissen neben sich. Gehorsam ließ er sich bei ihr nieder und wartete ab, was sie vorhatte. Die Höllenfürstin rückte näher an ihn heran, streckte sich und richtete ihr sehr durchscheinendes Gewand etwas, als wolle sie sich einen Anschein von Züchtigkeit geben.

„Du weißt, dass du nach deinem Einsatz hier von ihm bestraft werden wirst, nicht wahr?"

N'Arahn zeigte seine Überraschung nicht, versteinerte, während Llanna ihre Finger mit leichtem Druck über seinen Ärmel gleiten ließ.

Er tat doch, was sein Meister von ihm wollte. Er gehorchte ihm. Warum sollte er ihn bestrafen? Und warum sprach sie ihn auf so etwas an?

„Momentan sollst du nur Informationen sammeln. Doch der nächste Auftrag wird lauten, mich zu töten." Der angehende Kriegstreiber zuckte nun doch unwillkürlich. Llanna kicherte, schmiegte ihren Kopf an seine Brust und ließ ihre Finger zwischen den Knöpfen seines Hemdes hindurchschlüpfen.

„Jazahr ist kein besonders guter Ränkeschmied, auch wenn er sich dafür hält. Zu berechenbar."

Ihr Atem war warm, strich über den Stoff, sickerte durch die dünnen Bänder, die er seit der Übergabe an die Höllenfürstin als Erinnerung tragen musste, auf seine Haut. Er hatte sich bei seinem Meister bedanken müssen, dass sie ihm gegeben wurden, da sie seinen Lernprozess beschleunigen sollten. Er hasste das ziehende, manchmal schneidende Gefühl, wenn sie sich in seine Haut pressten. Wie sie an seiner Dämonenfessel rissen und die Ränder des Rings über seinen Hals schaben ließen. Sie behinderten seine Bewegungen nicht, schienen aber die Dunkelheit und die Verzweiflung immer wieder fester an ihn zu binden.

„Und selbst, wenn du das schaffst, mich zu töten, wirst du keinen Lohn erhalten." Sie drehte sein Gesicht zu ihr hin. „Wach auf."

Obwohl er wusste, dass das Manipulieren ihre Gabe war, folgte er dem Sog ihrer Worte. Zum ersten Mal seit langer Zeit fühlte er sich wach und klar. Er konnte den Hass, der in ihm seinem Meister gegenüber brodelte, nun deutlich erkennen. Wollte Rache, wollte sich befreien.

Die Höllenfürstin brachte ihn in ernsthafte Gefahr. Wenn sein Meister ihn wieder prüfte...

„Denk nach, mein kleiner Krieger."

Fingerspitzen tanzten sanft über sein Kinn, streiften hinab, tippten an die Dämonenfessel, wanderten an den Rand seines Hemdes. N'Arahns Haut prickelte, Lust schwappte wie eine Welle über ihn, mischte sich mit heißer Wut; die Verführerin verstärkte seine aufsteigenden Begierden. Noch jemand, der dich nur benutzt.

Die Bewegung seiner Hand fühlte sich zäh an, als müsse er seine Finger durch einen Widerstand schieben, doch er drückte die Höllenfürstin weg. Vorsichtig, fast sanft. Sie schien überrascht, beinahe so sehr wie er selbst. Dann kicherte sie, als er sich aufsetzte und etwas Raum zwischen ihnen schuf.

„Tatsächlich." Sie legte den Kopf schief und bedachte ihn mit einem schläfrigen Blick. „Da ist mehr Willen in dir, als ich erwartet hätte."

Das Herz des Adjutanten raste. Er hätte nicht aufgeputschter sein können, wenn er gerade einen Ringkampf hinter sich gehabt hätte. Doch er senkte den Kopf und schwieg.

„Bist du ihm wirklich so ergeben? Oder lässt du dich von Angst fesseln?" Vielleicht wollte sie ihn provozieren, ihren Tonfall bewertete er zumindest als herausfordernd. Doch er konnte sich nicht darauf einlassen. Noch hatte er keinen Befehl erhalten, er durfte sie nicht angreifen und so gegen den Willen seines Meisters handeln. Wenn Jazahr ihn jetzt allerdings prüfte, würde er seine Wut nicht verstecken können. Er musste die Dunkelheit wiederfinden...

„Ich bitte Euch, mich aus Euren Diensten zu entlassen, Herrin." Eigentlich hatte er sie nicht ansprechen wollen. Doch es war vielleicht seine einzige Chance, etwas Zeit für sich zu bekommen, um wieder alles zu unterdrücken, was ihn verraten konnte. Wie sonst sollte er dem Schicksal entkommen, das die Höllenfürstin gerade für ihn bereitete?

Sie lachte, ein perlender Laut, voll geübter Fröhlichkeit.

„Das wäre das kleinere Übel für dich, nicht wahr? Doch was springt für mich dabei heraus?" Er konnte den Stoff ihrer leichten Bekleidung rascheln hören, als sie sich schüttelte. „Nein. Nein, ich strebe nach etwas, das mehr Spaß macht. Du kannst mir dabei helfen, oder mir im Weg stehen. Ich lasse dir die Wahl."

Wieder raschelte es, jetzt klang die Dämonin geschäftsmäßiger. „Du bist noch sehr jung, daher ordne ich für dich ein, worin du verwickelt bist." Sie seufzte geziert.

„Solltest du mich tatsächlich töten können, sobald Jazahr es dir befielt, ist es allein sein Gewinn. Er hat mich als Konkurrentin eliminiert und kann zusätzlich den Schmied deiner Dämonenfessel diskreditieren. Denn, und du wirst die Wahrheit in meinen Worten sehen können, er wird bestreiten, dass es einen Befehl gab. Er wird meinen Tod bedauern und die Schuld auf eine fehlerhafte Dämonenfessel schieben. An dir wird er ein Exempel statuieren", sie ahmte den herablassenden Tonfall des Ränkeschmieds nach, „Kriegstreiberanwärter müssen in besonderem Maße kontrolliert und auf ihren Platz verwiesen werden."

Sie hatte Recht. Sie brauchte keine Suggestion ihm gegenüber, damit er ihr glaubte. Es war genau, was sein Meister tun würde. N'Arahn krümmte sich innerlich; er war nicht bereit, schon wieder auf diese Art bestraft zu werden. Und da Jazahr nichts von Milde hielt, würde er mit Sicherheit die nächste Stufe seiner Züchtigung einleiten.

Llannas Stimme durchbrach seine Gedanken: „In diesem Szenario gewinne ich nichts. Es wird allerdings auch nicht eintreten." Die kurze Pause ließ dem jungen Dämon genügend Zeit die Aussichtslosigkeit seiner Situation zu spüren. Was auch immer er jetzt tat, er war verdammt. Wenn sie ihn einfach töten ließ, wäre das schon eine Gnade.

Vielleicht las sie ihn, vielleicht war nur allzu offensichtlich, wohin seine Gedanken gingen, vielleicht hatte sie ihn genau hierhin lenken wollen. Doch sie sprach aus, was er dachte: „Ich könnte dich töten lassen. Einfach weil es mir gefällt und weil es sicherer für mich ist. Ich könnte dich mitsamt deinem Versagen an deinen Meister ausliefern. Oder..."

N'Arahn wusste, dass sie ihn gefangen hatte. Er würde ihrem Angebot zuhören, eine andere Wahl blieb ihm nicht.

„Ich hatte vorhin ein sehr... zufriedenstellendes Gespräch mit dem Schmied deiner Fessel." Ruckartig hob der angehende Kriegstreiber seinen Kopf; die blauen Augen der Verführerin blitzten ihn amüsiert an.

„Du könntest zu Jazahr zurückkehren. Um ihn zu töten, nicht um dich erneut zu unterwerfen." Sie spitzte die vollen Lippen und blinzelte übertrieben. „Wie klingt das, mein Süßer?"

N'Arahns Puls raste erneut. Sollte es tatsächlich einen Ausweg geben? Vielleicht war es nur eine Falle, ein Vorschlag, der ihn zu Verrat an seinem Meister verführen sollte, um ihn dann erst recht dem Ränkeschmied auszuliefern.

Doch die Höllenfürstin war selbst noch jung und konnte potentielle Verbündete wahrscheinlich gut gebrauchen. Ein Konkurrent ausgeräumt, ein Geschäftspartner durch die Bewahrung vor Gesichtsverlust näher an sich gebunden. N'Arahn fielen die verschlungenen Gedanken von Verrat, Verführung und Geschäft nicht leicht, aber in dieser Konstellation konnte er etwas Schlüssiges erkennen.

Zudem war seine eigene Situation so verzweifelt, dass er bereit war, das Risiko einzugehen. Er ließ seinen Kopf hängen, als ihn mit der getroffenen Entscheidung eine neue Welle von Fatalismus flutete.

„Wie?"

„Ich kann dir die Fessel nicht abnehmen. Aber ich kann sie schwächen. Der Rest liegt dann bei dir."

„Was ist der Preis?"

Llanna lachte wieder dieses kunstvolle Lachen, das nicht wirklich zum Mitlachen einlud. Ein Schaudern zog über N'Arahns Haut, ließ ihn die Bänder, die sich über seinen ganzen Körper spannten, überdeutlich spüren.

„Ah, wie niedlich. Was willst du mir schon bieten, das ich nicht sowieso haben kann?" Er konnte aus den Augenwinkeln sehen, dass sie abwinkte. „Du wirst das Risiko tragen, denn ein Versagen wird allein auf dich zurückfallen. Du weißt am besten, was das für dich heißt."

Sie beugte sich zu ihm vor, so dass er ihren Atem an seinem Ohr spüren konnte. Ihre Nähe und der Geruch nach ihr und den früheren Geschehnissen in diesem Raum, benebelten seine Sinne.

„Also streng dich an. Lass deiner Lust nach seinem Blut freien Lauf. Und vielleicht, falls du zum Höllenfürst aufsteigst...", sie hatte sich wieder von ihm zurückgezogen und hinterließ ein giftiges Sehnen in ihm, „vielleicht darfst du dann wieder hierher kommen."


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