| THIRTEEN |
ℒ𝒾𝒶
»Ich kann nicht fassen, dass er es ernst meint. Der Kerl spinnt doch«, murrte ich vor mich hin, während Adele gerade dabei war, den Tisch aufzuräumen.
Wir waren nur noch zu zweit, nachdem die anderen sich aus dem Staub gemacht hatten, um Burger essen zu gehen.
»Er steht eben auf dich«, erwidert Adele. Ich kann ihr Grinsen förmlich aus dem Klang ihrer Stimme heraushören. »Ist doch total süß von ihm, dass er für dich Himmel und Hölle in Bewegung setzen würde.«
»Wir kennen uns doch gar nicht ... Abgesehen davon glaube ich, dass das nicht weiter als heiße Luft ist. Niemand würde für irgendjemanden eine Profisurfer-Karriere aufgeben und an das andere Ende der Welt ziehen. Außer, es würde sich um die eigenen Kinder handeln, dann vielleicht eher.«
»Unsinn, ihr kennt euch doch. Ihr wart auf derselben High School.«
»Ja, das waren wir«, schnaube ich und falte dabei die eingesaute Tischdecke zu einem akkuraten Viereck zusammen. »Allerdings hat es sich damals so angefühlt, als würden wir in einer Art Paralleluniversum leben. Er hat mich nie wahrgenommen, obwohl er schon damals mit Nick befreundet und unzählige Male bei uns zu Besuch gewesen ist.«
»Na ja, die kleine Schwester eines guten Freundes ist ja auch eigentlich tabu.«
Ich rolle mit den Augen. »Fängst du jetzt auch noch damit an?«
»Ich meine ja nur. Vielleicht hatte er schon immer Interesse, hat sich aber dahingehend nie geäußert. Wer weiß das schon.«
Sie hatte recht, das wusste niemand so genau. Allerdings wagte ich doch ernsthaft zu bezweifeln, dass Mitchell sich jemals für jemanden wie mich interessiert hätte. Zum jetzigen Zeitpunkt vielleicht schon, weil ich anders aussehe. Aber damals definitiv nicht. Ich war viel zu unscheinbar, viel zu anständig und viel zu ...
»Nein, er blufft. Ich habe nie in seiner Liga gespielt und das tue ich auch heute nicht.«
»Machst du Witze?« Adele kam auf mich zu und umfasste meine Oberarme. »Sieh dich an, du bist nicht nur optisch die absolute Traumfrau, sondern auch intelligent und smart. Quasi der Jackpot. Und du liebst Surfen mindestens genauso sehr wie er – besser geht's also nicht.«
***
Adeles liebe Worte schwirrten mir auch noch in den nächsten Tagen im Kopf herum. War ich wirklich so viel wert, wie sie versuchte, mir weiß zu machen?
Ich hatte keine Antwort darauf. Was ich jedoch wusste, war, dass Mitchell, seit dem Abschluss unserer Wette, keinen Versuch ausgelassen hatte, um mir näherzukommen. Zugegeben, er sah verdammt gut aus und er roch immer wahnsinnig gut. Ich mochte seinen Kleidungsstil, der etwas zwischen legere und stylisch gewesen war. Und es gefiel mir, dass er, trotz des Unfalls, etwas aus seinem Leben gemacht hatte. Es war beeindruckend, wie gut er surfen konnte und wie leicht es ihm zu fallen schien, eins mit den Wellen zu sein.
Wir hatten uns eine kleine Auszeit gegönnt, weil es in den letzten Tagen so unfassbar stressig war, dass wir kaum mehr Luft zum atmen hatten. Die Probegestecke würden morgen eintreffen. Ich wäre mit Mitchell alleine, weil Adele und Jonah gemeinsam mit Max Adeles Familie besuchen wollten und Simone ein wichtiges Online-Seminar hatte, bei dem strikte Anwesenheitspflicht bestand. Diaz musste arbeiten und Allys Eltern halfen anderweitig aus. Im Grunde genommen war ich heilfroh, dass auch meine Eltern Verpflichtungen hatten und uns weitgehend in Ruhe ließen. Vor allem Mom, die sich seit der Ankunft der Loomers irgendwie bedroht fühlte. Vermutlich hatte sie Angst, Mrs. Loomer würde sie von ihrem Thron stoßen. In Anbetracht dessen, dass meine Mutter eine ziemlich herrische Person war, hielt ich den Gedanken aber eher für unwahrscheinlich. Eher noch würde die Hölle gefrieren.
»Hey«, quiekte ich, als Mitchell mir plötzlich aus heiterem Himmel eine ganze Wasserfontäne entgegen spritzte. »Ich habe gerade versucht, meine Haare zu trocknen. Und jetzt sind sie wieder nass.«
Er lacht. »Jetzt hab dich mal nicht so! Ist doch nur Wasser.«
Ich sah mich um und stellte dabei fest, dass die anderen den Strand schon längst verlassen hatten. Nur noch Mitch und ich waren übrig, was dazu führte, dass in mir sämtliche Alarmglocken läuteten. Zu zweit am Strand bei einem Sonnenuntergang – das klang nicht nur wie ein kitschiger Liebesroman, sondern auch noch nach einem Déjà-vu. Bloß, dass wir heute deutlich weniger anhatten.
Einen tiefen Atemzug und ein lautstarkes Räuspern später, entschloss ich mich dazu, abzuhauen. Also legte ich mich auf mein Surfboard, um zum Ufer zu paddeln. Dummerweise hatte ich die Rechnung ohne Mitchell gemacht, der mich, ohne jede Vorwarnung, am Arm gepackt und ins Wasser gezogen hatte.
Weil der Kerl ein Riese war, konnte er natürlich im Wasser stehen. Ich hingegen, tauchte jämmerlich unter und klammerte mich dann auch noch panisch an Mitchells nackten Oberkörper, weil ich nicht gleichzeitig husten und schwimmen konnte.
»Ups, sorry.« Am liebsten hätte ich ihm sein dämliches Grinsen aus dem Gesicht gewischt. »Ich hätte nicht damit gerechnet, dass du untergehen würdest, wie ein Stein.«
Ich wollte etwas sagen, weil ich dieses dreiste Verhalten keineswegs einfach so tolerieren konnte. Doch da hatte er bereits seine Arme um meine Taille geschlungen und mich fest an sich herangezogen. Als hätte ich direkt in Medusas Augen geblickt, erstarrte ich sofort zur Salzsäule und bewegte mich nicht einen müden Millimeter.
Oh Gott, ich sitze quasi auf seinem Schwanz und mache dann auch noch keine Anstalten, von ihm runterzugehen.
Stattdessen sah ich dabei zu, wie sich einzelne Wassertropfen von seinen Haarsträhnen lösten und seinen Nasenrücken entlang zu seiner Nasenspitze glitten. Ich blinzelte, weil sich die Situation nicht nur makaber, sondern auch so surreal angefühlt hatte.
»War ja einfacher als gedacht. Ich müsste dich jetzt nur noch küssen.«
Bitte was?
Ich erwachte aus meiner ewigen Starre und konterte mit einem hörbar empörten: »Wow, Nick hatte recht. Du bist nicht nur ein Arsch, sondern auch ein Vollidiot.«
Genervt stemme ich mich gegen seine drahtigen Brustmuskeln, um mich von ihm loszulösen. Aber Mitchell dachte gar nicht daran, mich einfach so gehen zu lassen. »Warte. Du hast recht«, gab er mit einem schmalen Lächeln zu, »ich bin ein Arsch.«
»Und ein Vollidiot«, ergänzte ich, woraufhin er die Augen verdrehte.
»Ja, und ein Vollidiot. Aber so wie das gerade klang, war es definitiv nicht gemeint.«
»Ach ja? Wie war es denn gemeint?«
»Ich habe die Spannung zwischen uns gespürt, das ist alles. Mir fällt es nur manchmal schwer, mich gewählt auszudrücken.«
»Spannung? Welche Spannung?« Ich stellte mich dumm, obwohl ich genau wusste, was er meinte. Das elektrische Gefühl, das sich allmählich in mir ausbreitete und eindeutige Impulse in meine Leistengegend sendete, war kaum mehr auszublenden. »Ich weiß nicht, was du meinst.«
»Sie mein Date auf der Hochzeit. Und komm mit mir nach Island. Wir könnten uns zusammen die Nordlichter ansehen.«
»Nein«, entgegnete ich, weil ich mir ziemlich sicher war, dass das Mitchells typische Masche war.
»Wieso nicht?«
»Weil du mich eigentlich gar nicht magst.«
Er formte seine Augen zu schmalen Schlitzen, während seine Arme sich noch ein wenig fester um meine Hüften schlangen. »Wie kommst du darauf?«
»Mal im Ernst, Mitch«, stöhnte ich genervt. »Du hast dich noch nie für mich interessiert. Nicht während der High School und erst recht nicht jetzt, während meiner College-Zeit.«
»Du irrst dich, Süße.« Seine Nasenspitze berührte meine, was mich dazu veranlasste, abrupt zurückzuweichen. »Entschuldige bitte, ich wollte dir nicht zu nahe kommen.«
Er war gut. Verdammt gut, um genau zu sein. Mitchell wusste genau, wie er eine Frau behandeln musste, damit sie ihm bereitwillig aus der Hand fraß. Aber ich war anders.
»Schon gut.«
»Und jetzt nochmal wegen der High School, ich fand dich insgeheim schon immer hübsch. Aber du warst eben Nicks kleine Schwester, und er hat uns allen damals klar und deutlich zu verstehen gegeben, dass er uns reihenweise die Nase brechen würde, wenn wir auch nur versuchen würden, dich anzugraben. Deshalb habe ich es von vorne herein gelassen. Und dann bin ich nach Australien gezogen, weshalb sich die Sache für mich erledigt hatte.«
»W-wie jetzt?«
Nick hatte was? Kein Wunder, dass ich keine Begleitung für meinen Abschlussball hatte, wenn er die ganzen heißen Kerle vergrault hat.
Die ganzen coolen und gutaussehenden Kerle waren nun mal alle mit Nick befreundet. Und jene, die es nicht gewesen waren, hatten entweder bereits eine Freundin und sind dem Ball von vorneherein ferngeblieben.
»Sagt dir der Name Hugh Patterson noch etwas?« Tatsächlich klingelte da etwas, weshalb ich nickte. »Der Kerl hatte versehentlich vor Nick geäußert, dass er deinen Hintern in der Jeans, die du an diesem Tag getragen anhattest, heiß fand. Der arme Tropf wusste nicht, dass du Nicks kleine Schwester bist und hat kurz darauf nicht nur eine gewaltige Ansage bekommen, sondern auch eine Faust kassiert.«
Ich blinzelte perplex. »Was? Nein, Nick würde so etwas nie tun.«
»Oh doch, Süße. Das würde er.«
»Nehmen wir, das, was du sagst, stimmt – hast du keine Angst, dass du der nächste bist, dem er eine reinhauen könnte?«
»Nein. Selbst wenn er mir eine reinhauen würde, wäre es mir das wert.«
Ich bekam das Gefühl, nicht mehr eigenständig atmen zu können. Nicht mehr eigenständig denken zu können. Mein Herz schlug so schnell, dass es sich so anfühlte, als wollte es meinen Brustkorb durchbrechen und herausspringen.
»Da kann ich dich beruhigen«, Mitchell hing gebannt an meinen Lippen, »dazu wird es nicht kommen, weil ich mich von dir nicht zu irgendeiner Dummheit verführen lasse.«
Die Gunst der Stunde war gekommen, sich von ihm loszureißen. Also tat ich es und umklammerte mein Surfbrett, ehe ich in Windeseile in Richtung Ufer paddle. Ich sah nicht zurück. Und als ich wieder festen Boden unter meinen Füßen hatte, klemmte ich mir mein Board unter die Arme und eilte zu den Umkleiden an der Strandpromenade.
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