| SEVENTEEN |
ℒ𝒾𝒶
Gemeinsam mit meiner Mutter essen zu gehen, war in meinen Augen der blanke Horror. Es war eindeutig, dass sie von Mitchells und seiner Art, sich bei den Menschen zu verkaufen, angetan war. Mir ging es genauso, auch, wenn ich das niemals offenkundig zugeben würde.
Ständig hatte sie ihm irgendwelche unangenehme Fragen über sein Liebesleben und über seine Zukunftspläne gestellt. Wie viele Beziehungen er schon hatte, ob er jemals wieder in Erwägung ziehen würde, in die Staaten zu ziehen und wie es sich anfühlt, mit einer Gliedmaße weniger zu leben.
Ich bewunderte ihn für seine geduldige Art. Er antwortete auf jede Frage so besonnen, als hätte er die Antworten zuvor einstudiert. Ich hingegen, wäre ohne Wenn und Aber ausgerastet.
Als wir einen kurzen Moment für uns hatten, weil Mom zur Toilette gegangen war, um sich die Nase zu pudern, nutze ich die Gunst der Stunde, um Mitchell in ein Gespräch zu verwickeln: »Tut mir leid, dass Mom dich mit so vielen Fragen löchert.«
»Ach, schon gut«, er lächelte, »das stört mich nicht.«
Beim Anblick seiner perfekt definierten Arme, um deren Bizeps sich die kurzen Ärmel des cremefarbigen Polohemdes spannten, wurde mir plötzlich ganz warm. Innerlich rang ich nach Luft, während ich nach außen hin versuchte, die Fassung zu wahren.
Doch Mitchell schien mich zu durchschauen. »Mache ich dich nervös?«
»W-was? N-nein, natürlich nicht. Wieso solltest du auch?«
Er legte seine Hand auf mein linkes Knie und drückte es sanft. »Deshalb vielleicht?«
Ich hingegen schluckte so laut, dass man mich vermutlich bis nach Haiti hören konnte. Mein Atem beschleunigte sich und meine Brust hob und senkte sich so hastig, dass ich meine Nervosität kaum mehr verbergen konnte. »Na gut, du machst mich nervös. Und ich was mich noch unruhiger werden lässt, ist die Tatsache, dass ich das in der Gegenwart meiner Mom nicht unter Kontrolle habe. Zumindest nicht, wenn du so weitermachst.«
»Was mache ich denn?« Das schelmische Grinsen in seinem Gesicht wird breiter, während sich meine Herzfrequenz mehr und mehr erhöht. »Meinst du etwa das hier?«
Seine Hand wanderte meinen Oberschenkel entlang nach oben und es fühlte sich so an, als würde er eine Spur aus Feuer auf meiner Haut ziehen. Ich zog scharf die Luft ein. Im nächsten Moment fühlte ich mich ertappt, weil Mom sich wieder zu uns an den Tisch setzte und mich mit einem ebenso breiten Grinsen anstarrte, wie Mitchell es zuvor getan hatte.
»Ich werde dann so langsam aufbrechen. Edward hat mich gerade angerufen, er holt mich vor dem Restaurant ab.«
Perplex blinzelte ich, ehe ich krampfhaft versuchte, die Worte in meinem Hirn zu verarbeiten. »Gut, dann ... fahre ich wohl auch mit.«
»Ach Unsinn!«, winkte sie ab. »Ihr jungen Leute wollt den Abend bestimmt noch in aller Ruhe und ohne meine Anwesenheit ausklingen lassen.« Sie lächelte. Und ich fiel beinahe vom Glauben ab, weil das bei meiner Mutter die absolute Seltenheit war.
Wer sind Sie und was haben Sie mit der Eiskönigin gemacht?, hätte ich am liebsten gefragt, beschloss aber dann, es doch für mich zu behalten.
»Okay, dann ... bis morgen schätze ich.«
»Bis morgen, Schätzchen.« Dann sagte sie an Mitchell gewandt: »Und du versprichst mir, meine Tochter in einem Stück nachhause zu bringen, ja?« Sie zwinkerte ihm zu und hauchte mir noch zum Abschied einen Kuss auf die Wange. »Das Essen ist bezahlt. Gönnt euch doch noch ein Gläschen Wein. Aber nicht übertreiben, immerhin wird morgen in aller Herrgottsfrühe geheiratet.«
Ich sah ihr nach, wie sie das Restaurant verließ und schüttelte mit dem Kopf, in der Hoffnung, endlich aus diesem Albtraum aus Peinlichkeit und Scham aufzuwachen.
»Moment, hat Isadora gerade versucht, uns beide zu verkuppeln?«, hakte Mitchell nach.
»Scheinbar. So kenne ich sie gar nicht ... Entweder hat sie einen Narren an dir gefressen, oder Allys Mom färbt auf sie ab.«
»Ich denke, es ein bisschen von beidem. Möchtest du ... noch was trinken, oder sollen wir lieber gehen?«
»Um ehrlich zu sein waren die letzten Stunden so stressig, dass ich noch sehr gerne ein Glas Wein trinken würde.«
Mitchell hob seine Hand, um dem Kellner zu uns zu winken. Nachdem dieser die Bestellung aufgenommen hatte und wenig später mit einem Glas Weißwein und einer Cola Light erschienen war, ließen wir den Abend ruhig ausklingen. Wir unterhielten uns über Gott und die Welt, lernten uns richtig kennen. Und ich musste wohl oder übel zugeben, dass ich Mitchell Kane mochte. Sehr sogar.
***
Der nächste Morgen verlief ziemlich hektisch. Während Jonah Max zu Adeles Eltern gebracht hatte, waren wir Mädels damit beschäftigt gewesen, uns herzurichten und jeden Moment auf der Kamera einzufangen. Ally Hairstylistin befahl ihr, sich auf den Stuhl zu setzen und nicht vom Fleck weg zu rühren. Schließlich hatte sie bereits zur Begrüßung für Chaos und Unruhe gesorgt, weil sie, beim Durchwühlen des Schminkkoffers, eine teure Palette hatte fallen lassen.
Und Allys Mom war nicht viel besser. Schon beim Betreten des Raumes war sie am Türhenkel hängen geblieben, was dazu führte, dass ihr Kleid aufgerissen war. Sie nahm die ganze Sache mit Humor und sagte: »Gott, Ally, das wird deinem Vater aber gar nicht gefallen. Am Ende sind alle Augen auf meinen Beinschlitz, anstatt auf dein Hochzeitskleid, gerichtet.«
Wir lachten so herzhaft, dass die Make-up-Artistin ordentlich Concealer nachlegen musste, damit wir nicht aussahen, wie eine Horde Waschbären.
»Ich freue mich so sehr, dass das mit den Blumen noch geklappt hat«, sagte Ally mit einem strahlenden Lächeln im Gesicht. »Und jetzt kann ich es kaum erwarten, endlich zu heiraten!«
»Das glaube ich dir.« Adele legte eine Hand an Allys Schulter. »Ich freue mich so sehr für Nick und dich.«
»Ich mich auch«, klinkte ich mich in das Gespräch mit ein. »Ich könnte mir keine bessere Frau an seiner Seite vorstellen.«
»Ich danke dir, Lia. Das bedeutet mir unheimlich viel.«
Die Tür ging auf und meine Mom trat ein. »Seid ihr schon fertig? Es geht gleich los und ...« Als ihr Blick auf Ally fiel, hielt sie plötzlich inne. Ich bildete mir sogar ein, dass ein Anflug von Nostalgie sie überkam, welchen sie umgehend unterdrückte. »Du siehst hinreißend aus, Alabama. Das Kleid, das du dir ausgesucht hast, passt perfekt. Nick wird es ... er wird es ...«
»Er wird es einfach lieben!«, ergänze ich, ehe ich mich bei meiner Mom einhakte. So hatte ich sie schon lange nicht mehr erlebt. Und es war schön zu sehen, dass es noch diese einfühlsame, liebevolle Seite an ihr gab. »Wir sollten Nick nicht warten lassen. Am Ende glaubt er noch, du hättest kalte Füße bekommen.«
Mrs. Loomer und Mom hatten sich bereits auf ihren Plätzen eingefunden, ehe die Musik ertönte und wir Brautjungfern gemeinsam mit den Trauzeugen in Richtung des Torbogens voranmarschierten, wo mein Bruder bereits auf uns wartete.
»Alles gut, Süße?«, wisperte Mitchell mir unauffällig zu, woraufhin ich mit einem leisen »Ja« antwortete.
Insgeheim analysierte ich jedes einzelne Gesteck, an dem wir vorbeigegangen waren. Glücklicherweise hatte alles so gut geklappt und trotz der Hitze gut gehalten. Nicht auszudenken, was mein innerer Monk dazu gesagt hätte, wären die Blumengestecke frühzeitig verwelkt.
Nachdem wir uns jeweils links und rechts neben Nick positioniert hatten, schritt Ally gemeinsam mit ihrem Vater in Richtung des Traubogens. Sie sah einfach umwerfend aus, wie ein Engel, der gerade durch die Himmelspforten hindurchtrat.
Ich sah zu Nick, der gerade dabei war, sich mit der Hand die Tränen aus den Augenwinkeln zu wischen, als Mitchell ihm plötzlich ein Stofftaschentuch reichte.
Die Zeremonie war unfassbar schön und ich habe noch nie so viele Menschen weinen sehen – meine Mom, aka Isadora Eisenherz, mit eingeschlossen.
Sie versprachen sich die ewige Liebe, in guten wie ich in schweren Tagen. Allys Ehegelübde war so berührend gewesen, während das von Nick uns zum Schmunzeln gebracht hatte. Meinem Bruder war deutlich anzusehen, dass er seine schöne Braut endlich küssen wollte. Und ich denke, dass er es kaum erwarten konnte, endlich mit ihr in die Flitterwochen zu fahren.
»Na, wie sieht's aus, Süße? Möchtest du tanzen?« Ich sah zu Mitchell auf der mit einem charmanten Lächeln vor mir stand und mir seine Hand reichte.
Nickend ließ ich meine Finger in seine Handinnenfläche hineingleiten und erhob mich von meinem Stuhl. »Dann lass uns mal das Tanzbein schwingen.«
Es vergingen Stunden, die sich wie Minuten anfühlten, ehe Nick um den nächsten Tanz bat. Ally schnappte sich währenddessen Mitchell und zwinkerte mir dabei zu.
»Bist du glücklich?«, fragte ich meinen Bruder, der mit einem lächelnden »Ja« antwortete. »Woher weiß man, dass man den richtigen Menschen gefunden hat?«
»Du wirst es wissen, wenn du dir ein Leben ohne diese Person nicht mehr vorstellen kannst.«
»Und Ally ist für dich diese Person?«
»Für mein restliches Leben und darüber hinaus.«
»Das ist so schön zu hören.«
»Fragst du wegen Mitchell? Weil du dir unsicher bist?«
»Ja und nein«, gab ich zu. Ich mag ihn wirklich gerne, nur bin ich mir nicht sicher, in welche Richtung das gehen wird.
»Ich habe ihn gedroht, dass ich ihn umbringen würde, sollte er dir das Herz brechen.« Schnaubend boxte ich meinem Bruder in die Schulter. »Au! Du kannst mich doch nicht an meinem Hochzeitstag hauen!«
»Klar kann ich. Schließlich bin ich deine kleine Schwester.«
»Du hast recht.« Er lächelte. »Wenn ich dir einen Rat geben darf: Hör auf dein Herz. Das klingt kitschig, aber die meisten Entscheidungen, die ich danach getroffen habe, waren richtig.«
»Und du hast ... nichts dagegen, wenn ich deinen Freund treffe?«
»Solange du glücklich bist und gut behandelt wirst, ist mir jeder recht.« Er hauchte mir einen sanften Kuss auf die Stirn. »Aber jetzt muss ich wieder zu meiner Frau. Sie scheint schon sehnsüchtig auf mich zu warten.« Nicks Blick wanderte ein wenig zu auffällig in Mitchells Richtung. »Und ich glaube, dass du auch schon vermisst wirst.«
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