| FOURTEEN |
ℳ𝒾𝓉𝒸𝒽ℯ𝓁𝓁
Es war dumm von mir gewesen, direkt auf Tuchfühlung zu gehen. Vermutlich hatte ich Lia damit verschreckt. In jenem Moment, als unsere Körper einander berührten, hatte sie mit hoher Wahrscheinlichkeit dasselbe gefühlt, wie ich. Allerdings musste ich einsehen, dass es der falsche Weg gewesen war, um sie davon zu überzeugen, auf Nick und Allys Hochzeit mein Date zu sein.
»Erde an Mitch«, flötete Adele, die einen weiteren Campingtisch aufklappte, »du solltest damit aufhören, zu träumen und stattdessen lieber Lia zur Hand gehen.« Sie deutete mit ihrem Zeigefinger an mir vorbei, woraufhin ich mich umdrehte. »Ich fürchte, der Karton, den sie da trägt, ist zu schwer für sie. Sie bricht sich noch die Wirbelsäule, wenn ihr niemand hilft.«
Sofort eilte ich zu ihr, um Schlimmeres zu verhindern. »Oh Gott sei Dank! Ich dachte schon, ich falle und werde von Probegestecken zerquetscht.«
Als sie jedoch realisierte, dass ich es war, der ihr geholfen hatte, verstummte ihr Lächeln und sie räusperte sich: »Danke. Für ... die Hilfe.«
»Jederzeit.«
»Kommt ihr alleine klar?«, wollte Adele von uns wissen. »Jonah würde mich in zehn Minuten abholen, damit wir losfahren könne.«
»Äh, klar«, erwiderte Lia. »Natürlich, fahr ruhig.«
Adeles Iriden wanderten hastig zwischen Lia und mir hin und her, ehe ein seichtes Lächeln über ihre Mundwinkel huschte. »Fein, dann ... lasse ich euch zwei Turteltauben mal alleine.«
***
»Verdammt, wieso funktioniert das nicht?« Frustriert warf Lia die Gestecke auf den Tisch. »Wie machen das diese ganzen Floristen bloß?«
»Reg dich ab, Süße. Das ist kein Hexenwerk, man braucht nur etwas Geduld.«
»Muss ich dich daran erinnern, dass du nicht einmal in der Lage warst, einheitliche Kreise aus einem Stück Krepppapier zu schneiden? Und jetzt erzählst du mir etwas von Geduld und Feinfühligkeit, dass ich nicht lache.«
»Was denn? Schließlich konnte ich nichts dafür, dass Ally dachte, Männerhände könnten mit winzigen Schweren umgehen, die eigentlich für Hobbits bestimmt gewesen waren.«
»Ausrede«, flötete sie.
»Es ist eine Tatsache und keine Ausrede.«
»Weniger quatschen, mehr Gestecke anbringen.«
»Lia, komm runter«, ich versuchte mit sanfter Stimme auf sie einzureden, »wir haben noch vier Tage Zeit, das wird schon.«
»Nein, das wird es nicht. Wir brauchen definitiv Hilfe von jemandem, der sich mit dem Scheiß auskennt.«
»Sollen wir nochmal versuchen, alle Floristen in der Umgebung abzuklappern?«
»Das haben Adele und ich schon versucht, aber leider ist es zu kurzfristig. Hinzu kommt noch die Problematik, dass es zu warm ist. Wir müssen die Blumen kurz davor anbringen, ansonsten verwelken sie.«
»Was ist, wenn wir die Gestecke und den Rest der Deko mit getrockneten Blumen vorfertigen und am Tag der Hochzeit frische Blumen untermischen?«
Lia sah mich entgeistert an, was mich zu dem Entschluss kommen ließ, dass sie meine Idee gar nicht so beschissen fand, wie ich ursprünglich angenommen hatte.
»Oh mein Gott, Mitch! Das ist brillant!« Sie zückte ihr Smartphone und fing damit an, wie wild etwas in das Display zu tippen. »Sehr gut, Ally ist mit der Idee einverstanden. Sie meinte, wir sollen sie überraschen. Farblich würde sie sich etwas wünschen, das in die Richtung Altrosa geht.«
»Gehst du jetzt zusammen mit mir zur Hochzeit?«
»Wenn das klappt, überlege ich es mir vielleicht nochmal. Dann aber als Freunde und nicht als Date.«
Wer's glaubt, wird selig.
»Abwarten, das kommt schon noch.« Sie verdrehte die Augen. »Apropos getrocknete Blumengestecke – wo bekommen wir sowas her? Online?«
»Ja, ich habe da auch schon etwas im Auge, das mit der Option auf Expresslieferung bis spätestens morgen Abend eintreffen könnte. Allerdings bräuchte ich deine Hilfe beim Transportieren, Auspacken und Anbringen. Adele und Jonah müssen um Max kümmern, aber ich könnte Simone und Diaz fragen, ob sie uns etwas zur Hand gehen würden.«
»Oder du fragst deine Mom.«
»Auf gar keinen Fall! Eher würde ich alles alleine machen.«
»Jetzt sei doch nicht so ... Sie freut sich bestimmt.«
Was zum Henker tue ich da?
Ich wollte verflucht nochmal mit ihr unter vier Augen sein, und nun bot ich ihr Nischen, sich von mir fernzuhalten. Jedenfalls glaubte ich nicht, dass sie während der Anwesenheit ihrer Mutter auf einen meiner Flirtversuche eingehen würde.
»Wir könnten Allys Mom fragen«, schlug sie vor.
»Okay. Meinst du nicht, dass Isadora sich auf den Schlips getreten fühlt, wenn du nicht sie, sondern Mrs. Loomer um Hilfe bittest?«
»Stimmt ...« Sie schien nachzudenken. »Gut, dann ... bleibt uns wohl nichts anderes übrig, als das gemeinsam durchzuziehen.«
Innerlich ließ ich einen Freudenschrei los. Besser konnte es wohl kaum sein.
Das Summen meines Smartphones riss mich für einen kurzen Augenblick aus meinen primitiven Gedankengängen. Es war Nick, der sich bei mir erkundigen wollte ob Lia und ich so weit zurechtkamen. Ich antwortete mit einem Zwinkersmiley und einem knappen »Alles gut, wir bekommen das mit den Blumen hin«, ehe ich das Handy wieder in meine Hosentasche gleiten ließ.
»Meinst du wir könnten noch schnell zum nächstgelegenen Supermarkt fahren und nachsehen, ob wir eine Alternative finden? So als ... Notfallplan.«
»Kann es sein, dass du die Dinge immer zerdenkst?«
Lia zuckt mit den Achseln. »Ja, kann sein. Aber ich bin nun mal gerne auf alle Eventualitäten vorbereitet.«
»Willst du deshalb nicht mit mir auf die Hochzeit gehen, weil du Angst davor hast, dass sich etwas Ernstes zwischen uns entwickeln könnte?« Ich ging einen Schritt auf sie zu. »Weil du ... in so einem Fall keinen Notfallplan parat hättest?«
Sie wendete den Blick ab und wirkte mit einem Mal resigniert. »Wir sollten gehen. Es ist schon spät und ich möchte die ganze Sache nicht noch unnötig in die Länge ziehen.«
***
Nachdem wir in einem nahegelegenen Supermarkt, Schrägstrich Baumarkt, fündig geworden waren, ging es für uns zurück zu der provisorisch angerichteten Strandlocation, wo Lia eifrig die frisch angelieferten Blumen an die bereits vorgefertigten Gestecke anbrachte.
»Sie schön aus«, log ich, um sie nicht zu beleidigen.
Jedoch schien das Lia nicht entgangen zu sein. Sie sah mich mit hochgezogener Augenbraue und zuckenden Mundwinkeln an, ehe ihr ein sarkastisch klingendes »Aber klar doch« über die Lippen kam.
»Okay, es sieht grauenvoll aus. Aber nur, weil die Blumen aus den gelieferten Gestecken nicht dieselbe Farbe haben, wie die aus den gekauften.«
»Stimmt, das beißt total.« Ihr entfährt ein genervtes Schnauben. »Ich denke, das reicht für heute. Wir sollten gehen.«
»Was aber, wenn die bestellten Gestecke nicht rechtzeitig ankommen, oder farblich ebenfalls nicht so der Renner sind?«
»Dann«, flötete sie, »müssen wir uns eben einen weiteren Notfallplan für unseren bereits bestehenden Notfallplan einfallen lassen.«
»Du meinst, einen Notfall Plan B?«
»Ja, sieht wohl ganz danach aus.« Lia entfährt ein tiefes Seufzen. Sie wirkt erschöpft als sie sich mit dem Handrücken die feinen Schweißperlen von der Stirn wischt. »Gott, ich könnte meine Mutter dafür umbringen, dass sie einfach den Floristen abbestellt hat. Welcher Mensch tut so etwas knapp eine Woche vor der Hochzeit? Und wieso hat der Florist sich nicht bei Ally und Nick erkundigt, ob sie das auch wirklich wollen?«
»Ich denke nicht, dass sie böse Absichten hatte.«
»Oh, da kennst du aber meine Mutter schlecht. Sie tut alles, um sich diese Hochzeit nach ihren Vorstellungen zurechtzubiegen. Ich bin heilfroh, dass Ally sich zumindest nicht dieses altmodische Kleid hatte von ihr andrehen lassen.« Sie schmunzelte. »Ich meine, Ally hat eine Wahnsinnsfigur – ihr steht absolut alles. Aber dieses Kleid war eine absolute Zumutung, selbst für eine Nonne im Zölibat.«
»So schlimm, ja?«
»Absolut. Zum Glück waren Adele und ich anwesend, ansonsten hätte sie sich vielleicht noch dazu überreden lassen.«
»Und, wie gefällt dir das Kleid, das sie sich letzten Endes ausgesucht hat?«
»Es ist perfekt. Nick wird es lieben.« Ihre Augen strahlen so sehr vor Vorfreude und Begeisterung, dass ich sie am liebsten küssen würde. Lange, sanft und innig.
»Wie sieht dein Kleid aus?«
Sie blinzelte. »Es ist rosa. Genauso, wie das anderen Brautjungfern.«
»Ah, verstehe, also deshalb die rosafarbigen Blumen. Nick meinte, dass seine Trauzeugen ebenfalls rosa Blumengestecke bekommen. Wird etwas schwierig, so ohne Florist.«
»Der Brautstrauß und die Ansteckblumen sind gesichert. Es geht lediglich um die Deko.«
»Ich hatte so etwas noch nie an«, gab ich ehrlich zu. »Aber bisher hat auch noch niemand aus meinem Freundeskreis geheiratet.«
»Ja, bei mir ist es auch das erste Mal. Und dann auch noch gleich jemand aus der Familie.« Lia kramt eines der Probegestecke heraus und zupft ein paar der Blumen heraus, ehe sie diese mit einem kleinen, durchsichtigen Gummiband zu einem Miniatur-Blumenstrauß zusammenbindet. »Komm her, damit wir uns das mal ansehen können.«
Ich trat an sie heran und sah ihr dabei zu, wie sie sich auf Zehenspitzen stellte und krampfhaft versuchte, den provisorischen Anstecker an meiner Hemdtasche anzubringen.
»Fertig«, murmelte sie kaum hörbar in sich hinein. »So könnte das dann später mal aussehen.«
Lias Hand verharrte noch immer auf meiner angespannten Brust und ich kam nicht drumherum, nach ihr zu greifen. Sie mit meinen Fingern zu umfassen und ihre Wärme in meiner Handinnenfläche zu spüren.
»Mitch, wir sollten nicht ...«
Ich schob rasch meinen Zeigefinger unter ihr Kinn, um es anzuheben. »Wir sollten was nicht, Süße?«
Sie widersprach mir nicht und sah mich nur mit diesen großen, dicht umrahmten Augen an. Ihre Brust hob und senkte sich unisono zu ihrem Atem, der nach Erdbeerkaugummi roch.
Erneut waren wir uns so nah, dass nicht mehr viel fehlte, bis unsere Nasenspitzen sich berührten. Doch dann wandte sie sich schlagartig von mir ab, als hätte ihre innere Stimme ihr plötzlich ins Gewissen gerufen, dass es falsch war, was wir hier taten.
Wir mochten uns, daran gab es keine Zweifel. Und auch Nick würde uns auf lange Sicht gesehen nicht im Wege stehen, weil wir erwachsen waren und ohnehin das taten, was wir für richtig hielten. Was unser Herz uns sagte. Aber irgendwas schien sie daran zu hindern, sich auf mich einzulassen. Und ich war mir ziemlich sicher, dass es nichts mit der Entfernung auf sich hatte, die ich bereitwillig war, für Lia zu überwinden. Es musste eine andere Ursache dafür geben, dass sie mich von sich stieß.
Die Prothese ... Es musste die Prothese sein, denn eine andere, plausiblere Erklärung für ihr Verhalten gab es nicht.
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