| ELEVEN |
ℒ𝒾𝒶
Nachdem Allys Familie eingetroffen war, stellte sich heraus, von wem sie ihre Tollpatschigkeit hatte. Mrs. Loomer war mindestens genauso anfällig für makabere Situationen, wie ihre Tochter. Angefangen damit, dass sie bei der Begrüßung am Flughafen direkt in Nicks Arme gestolpert ist.
Kurz darauf hat sie ihren Koffer versehentlich gegen Mitchells Schienbein gerammt, woraufhin dieser sich zusammengerissen hatte, nicht in Tränen auszubrechen. Jedenfalls hatte ich den Eindruck, dass er es getan hätte, wären weniger Zeugen anwesend gewesen.
Wir beschlossen, die Loomers erst einmal ankommen zu lassen und die Deko in Angriff zu nehmen. Leider waren Adele und ich die einzigen, die auch nur ansatzweise gut basteln konnten. Jonah musste sich um Max kümmern und Mitchell war keine sonderlich große Hilfe, wenn es darum ging, das vorgegebene Muster der Pom-Poms akkurat auszuschneiden.
»Kann ich euch vielleicht behilflich sein?«, erklingt eine melodische Stimme aus Richtung der Haustüre, woraufhin Adele aufspringt und einer großen, schlanken Brünetten in die Arme Springt.
»Simone! Ich dachte, du kommst erst morgen!«
Es schien Ally Cousine zu sein, mit mir ihr auf demselben College studiert hatte. Adele hatte mir erzählt, dass Simone sich für ein anderes Hauptfach entschieden und einen Platz an der NYU bekommen hatte. Das bedeutete allerdings, dass sie an das andere Ende des Landes ziehen musste.
»Dachte ich auch. Aber dann hat Allys Mom meine angerufen und so hat es sich dann ergeben, dass ich mich dazu entscheiden habe, den früheren Flug zu nehmen.«
»Wieso hast du nichts gesagt, wir hätten abholen können.«
»Das habe ich übernommen«, ertönt eine weitere, mir unbekannte Männerstimme.
Adeles Kinnlade klappte herunter, ehe sie dem braun gebrannten, jungen Mann in die Arme fiel. »Oh mein Gott, Diaz Carrera! Dich habe ich ja eine Ewigkeit nicht mehr gesehen!«
»Ihr kennt euch?«, hakte Jonah irritiert nach.
»Ja, Diaz war einer meiner Surfschüler.«
»Du meinst wohl – einer deiner besten Surfschüler.«
Sie boxte ihm in die Schulter. »Das wärst du gewesen, hättest du dich nicht andauernd vor den großen Wellen gedrückt.«
»Alles erstunken und erlogen«, beteuert er. »Die Wahrheit ist, dass Adele mich gequält hat. Sie hat mich mein Surfboard immer extra lange schrubben lassen, damit ich mich wegen meiner Patzer auf dem Wasser schlecht fühle.«
Wir lachten. »Aber mal was anderes - was machst du hier?«
Diaz und Simone tauschten ein paar verstohlene Blicke aus, äußerten sich aber nicht konkret dazu. Jedoch war Adele nicht blind und stemmte kurz darauf die Hände in die Hüften, ehe sie die beiden mit einem schiefen Grinsen musterte. »Ihr beide also ... Seit wann geht das schon?«
»Seit ... einer ... Weile«, stammelte Simone und ließ dabei den dunkelbraunen Lederriemen ihrer Handtasche von ihrer Schulter gleiten. »Aber genug davon. Was können wir tun, damit wir hier schnell fertig werden?«
Ich reichte ihr Schere und ein paar der Pom-Poms. »Ich hoffe, Diaz und du seid in der Lage, vorgezeichnete Kreise auszuschneiden. Ansonsten sitzen wir noch übermorgen hier.«
»Klaro!«, warf Diaz ein. »Ich habe fünf Schwestern. Winzige Formen aus rosafarbigem Krepppapier auszuschneiden ist bei uns zu Hause eine Sportart gewesen.«
»Vielleicht warst du deshalb so ein schlechter Surfer«, flötet Adele.
»So, wie du die Kreise ausschneidest, könnte man meinen, du hast zwei linke Hände, Adele«, feuerte Diaz zurück. »Ich beweise dir, dass ich besser basteln kann, als du.«
»Herausforderung angenommen!«
Während die beiden sich ein Wettbewerb im Ausschneiden liefern, spüre ich Mitchells Präsenz in meiner unmittelbaren Nähe. Ich schiele unauffällig zu im herüber und stelle fest, dass seine Finger viel zu große für die winzigen Kinderscheren sind, die Ally für uns alle besorgt hatte.
Leider kam ich nicht drumherum, mir ein Lachen zu verkneifen, was ihm nicht entgangen zu sein schien: »Was?«
»Nicht, nur ... es sieht so lustig aus, wie du mit deiner riesigen Hand diese winzige Schere hältst.«
»So, das findest du also komisch, ja?«
»Ja, finde ich«, erwidere ich grinsend und wende kurz darauf den Blick wieder ab. »Du solltest das Surfbrett an den Nagel hängen und stattdessen Komiker werden.«
»Fängst du jetzt auch schon an, wie Adele?«
»Nein, war nur ein Vorschlag.« Im Nachhinein war ich froh darüber, dass Mitchell es nicht als Anspielung auf seine Prothese aufgefasst hatte. Denn das wäre alles andere, als meine Absicht gewesen. »Dich in deinem Tun zu beobachten ist ziemlich amüsant, weil du nicht die Art von Mensch zu sein scheinst, die nicht krampfhaft versucht, witzig zu sein.«
»Danke für die Analyse meines Wesens, Doktor Freud.«
»Gern geschehen«, gab ich zuckersüß zurück.
»Meinst du, du kannst für einen kurzen Augenblick die Schwere beiseite Legen und mit mir rausgehen, damit wir reden können?«
Ich legte den Kopf schief und sah ihn verwirrt an. »Worüber willst du denn mit mir reden?«
»Das würde ich gerne draußen besprechen. Wenn das für dich ... okay ist.«
Nickend erhebe ich mich und steuere gemeinsam mit Mitchell die Haustüre an. »Wir kommen gleich. Vertreten uns nur kurz ... die Beine.«
»Alles klar«, erwiderte Adele in einem deutlich höheren Ton als sonst. Als ich mich zu ihr umdrehte, schenkte sie mir ein verschmitztes Lächeln und zwinkerte mir zu.
Ich beschloss, dem ganzen keine weitere Beachtung zu schenken und verließ kurz darauf den Raum.
»Schieß los, worüber wolltest du mit mir reden, Mitch?«
»Wollen wir am Strand spazieren gehen?«
Ich zog eine Augenbraue nach oben, beschloss aber, die Dinge aus zeittechnischen Gründen nicht länger zu hinterfragen. »Ja, okay. Aber nur kurz. Wir müssen heute mit den Pom-Poms fertig werden. Immerhin kommt in drei Tagen die Lieferung mit den Probe-Gestecken, um die wir uns auch noch kümmern müssen.«
»Kein ausgedehnter Spaziergang – verstanden«, erwiderte er mit erhobenen Händen.
»Tja, dann ... lass uns mal zum Strand runtergehen.«
Auf dem Weg nach unten haben wir kein Sterbenswörtchen miteinander gewechselt, was mich irgendwie verunsicherte.
Was konnte Mitch nur von mir wollen? Und wieso mussten wir deshalb extra zum Strand runtergehen?
»Also, was ist nun?«, hakte ich ungeduldig nach. »Was wolltest du mir sagen?«
»Es ist eher eine Frage.«
»Dann frag, ehe wir hier noch Wurzeln schlagen.«
Mitchell warf einen Blick auf das Meer und sah der Sonne dabei zu, wie sie langsam am Horizont unterging und den Himmel in ein kräftiges Orange tauchte. Dann schloss er für einen kurzen Moment lang die Augen und tat einen tiefen Atemzug.
»Ist das nicht wunderschön?«
»Was, das Meer?«
»Ja. Ich könnte Stunden damit zubringen, es anzustarren und an nichts zu denken.« Er öffnete seine Augen wieder und sah zu mir herüber. »Aber seitdem ich hier bin, fällt es mir ziemlich schwer, an nichts zu denken.«
»Kann ich verstehen«, ich verschränkte die Arme vor der Brust, »so eine Hochzeit bedeutet ziemlich viel Stress. Vor allem, wenn die Mutter des Bräutigams einem zusätzliche Steine in den Weg legt.«
»Das meine ich nicht, Lia.«
Verwunderung machte sich in mir breit. »So? Und was meinst du dann?«
Mitchell drehte sich zu mir um und sah mich an. Dabei waren seine Blicke so durchdringend, dass meine Kehle plötzlich ganz trocken wurde und ich viel Mühe aufbrachte, zu schlucken.
»Ich möchte, dass du auf der Hochzeit mein Date bist.«
Ich soll sein ...?
Mir stockte der Atem und ich blinzelte heftig. »Dein Date?«
»Ja, mein Date. Ich möchte zusammen mit dir auf diese Hochzeit gehen.«
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Na, was sagt ihr dazu?
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