49 | A new life down under
mit LonelyArktis
Man muss das Beste aus jeder Situation machen.
Das war schon immer Hunters Lebensmotto gewesen und würde sich auch nach seinem Tod nicht ändern. Da hieß es nur noch mehr: nicht aufgeben, jede Möglichkeit nutzen und den Kopf nicht verlieren.
Letzteres stellte sich in dieser Situation als besonders essentiell heraus, da er eben diesen nicht fest auf seinem Hals, sondern unter dem Arm trug, während er in der Warteschlange stand, dicht an dicht mit tausend anderen armen Seelen, die wohl ebenfalls am heutigen Tage das Zeitliche gesegnet hatten.
Interessiert betrachtete Hunter das kolossale, steinerne Tor, dass sich vor der endlos erscheinenden Schlange von Personen der Decke entgegen streckte. Von „Himmel" konnte man bei dem tristen, undefinierbaren Grau über ihren Köpfen nicht wirklich sprechen, aber er war sowieso nicht davon ausgegangen, dass er nach seinem Tod Petrus gegenüberstehen würde.
„Schneller! Beeilt euch! Keine Müdigkeit vortäuschen!", bellte ein kniehoher, schwarzer Dämon, der mit der länglichen Schnauze und dem dünnen Schwanz mehr einem Hund als einem Menschen ähnelte. „Na, los! Ihr könnt nicht müde sein – ihr seid tot!" Ein hämisches Lachen folgte seinen Worten und die Frau, der er soeben mit seinem Speer in die Seite gepiekst hatte, quiekte überrascht auf.
Der kleine Kerl ließ erneut ein unverschämtes Lachen ertönen und wollte wieder zustechen, als eine feste Hand nach dem Schaft des Speeres griff und diesen fest hielt. Irritiert schaute der Dämon nach oben und sah an einem, bis auf eine schwarze Calvin-Klein-Unterhose nackten, muskulösen Körper hoch, der gut 1,5 Meter über ihm aufragte und in einem blutigen Halsstumpf endete.
„Was zum...", setzte er zu sprechen an, als eine dunkle, angenehme Stimme seine Aufmerksamkeit zum Arm des Störenfrieds lenkten.
„Entschuldigung", sprach der Kopf mit den stahlgrauen, durchdringenden Augen, der dort klemmte und der Kleine machte intuitiv einen Schritt zurück.
Abgetrennte Köpfte bekam er seit den gängigen Enthauptungen im Mittelalter nicht mehr häufig zu Gesicht und unwillkürlich fragte er sich, was genau mit diesem Mann passiert war, vor allem, da es nicht nach dem glatten Schnitt einer Guillotine aussah, sondern nach dem Werk von sehr scharfen Klauen.
„Ich würde gerne mit deinem Vorgesetzten sprechen", fuhr der Kopf unbekümmert fort.
„Du willst was?", keifte der andere zurück, was Hunter jedoch mit einem charmanten Lächeln quittierte. Seine Stimme blieb ruhig und freundlich. „Sie wollen doch nicht wirklich die Kundenfreundlichkeit Ihres Unternehmens hier in misskredit bringen?" Fragend zog sich eine schwarze Augenbraue nach oben. „Und wenn Sie mein Recht auf tiefer gehende Information verweigern, sehe ich mich gezwungen, weitere rechtliche Schritte einzuleiten. Ich denke nicht, dass Ihrem Chef das gefallen würde. Und Sie wollen Ihren Job doch behalten oder?"
Er redete Stuss und das wusste er. Aber es schadete nicht, es zumindest zu versuchen.
Man konnte geradezu sehen, wie es hinter der Stirn des Hilfsdämon arbeitete, kleine, träge Zahnräder, die sich in Bewegung setzten, versuchten, Hunters Worte zu verarbeiten, ihnen einen Sinn zu geben, kläglich scheiterten und schließlich die einzig mögliche Lösung hervorbrachten: „Ich bring'dich zu ihm. Aber mach'dir bloß keine Hoffnungen!"
Die Unverschämtheit dieses kleinen, hilflosen Menschlein würde er diesem nochmal heimzahlen, schwor er, konnte sich aber eine weitere Unterbrechung seiner Arbeit nicht leisten.
Schon kurz zuvor war ihm der stechende Blick des Wächterdämons am Tor aufgefallen, der mit den gebogenen Hörnern und dem zierlichen Schwanz, geradezu das wandelnde Klischee eines Dämons darstellte.
Einzeln fertigte dieser die Personen ab, nahm die Daten auf und entschied, ob sie direkt ins Fegefeuer gebracht werden sollten oder zur Überfahrt zum ewigen Höllenreich.
„Paul! Hier ist einer, der den Boss sprechen will", brummte der kleine, hundeartige Dämon, nachdem er Hunter nach vorne gebracht hatte. „Er sagte irgendwas von rechtliche Schritte oder so und ich glaub der Kerl meint das ernst."
Missmutig zuckte er mit der Schulter und warf Hunter einen hasserfüllten Blick zu.
Mit zusammengekniffenen Augen musterte der Wächter den entblößten, gut trainierten Mann vor sich, der seinen eigenen Kopf mit einer Gelassenheit unter dem Arm trug, als sei es eine Gucci-Tasche.
„Na, von mir aus", brummte er schließlich ergeben. „Er kann gleich mit der nächsten Gruppe mitgehen. Der Chef ist unten am Fluss beim Boot", winkte er leicht genervt und bedeutete Hunter durch das Tor zu treten. Typen wie er machten nur Ärger und das Beste war, sie so schnell wie möglich an jemand anderen abzuschieben, der sich mit ihm rumschlagen konnte.
„Vielen Dank, sehr freundlich", antwortete Hunter gut gelaunt und ließ sich von einem hochgewachsenen Dämon, in schwarzem Lack gekleidet, mit einer Gruppe von vielleicht fünf weiteren Personen zu einem imposanten Gebäude führen, in dessen großen Halle sie wie eine verlorene Schafsherde wirkten. Die anderen um ihn herum huschten mit zusammengezogenen Schultern und ängstlichen Blicken hinter ihrem Führer her, während Hunter ein zufriedenes Lächeln zur Schau trug und interessiert die beeindruckende Architektur im gotischen Stil bewunderte, die ihn umgab.
Erst, als sie eine breite Treppe hinunter auf einen dunkel schimmernden Fluss zusteuerten, der sich ins Unendliche zu erstrecken schien, entwich auch Hunter ein überraschtes Pfeifen. Der Herrscher der Hölle hatte definitiv Geschmack, was Inneneinrichtung und -architektur betraf.
Am Ufer des Flusses wartete ein geräumiges Ruderboot, das sanft in den Wellen auf und ab schwankte, davor ein hoch gewachsener, gut aussehender Mann in langer Kutte, der sie offenbar erwartete.
„Einsteigen", erscholl seine Stimme, ein unmissverständlicher Befehl, klar und bestimmt, der einem durch Mark und Bein zu dringen schien.
„Ich..." Hunter brauchte einen Moment, um sich zu sammeln und den Drang, dem Befehl nachzukommen, von sich zu schütteln.
„Ich will hier arbeiten", sagte er dann aber gewohnt geschäftsmäßig, begleitet von einem festen Blick, der ihm schon als junger Mann bei jedem Bewerbungsgespräch zum gewünschten Resultat geführt hatte.
Der Mann vor ihm stutzte kurz, bevor sein Blick von dem Kopf, der soeben geredet hatte, zum Halsstumpf ging, dann runter über dessen ungewöhnliches Erscheinungsbild.
„Eifersüchtiger Ehemann?", fragte er leicht schmunzelnd, bevor er nickte. „Das trifft sich gut. Mein Praktikant ist seit gestern Mittag spurlos verschwunden. Du kannst seinen Posten haben. Aber vorher..." wieder ging sein Blick von dem Kopf zum Stumpf und zurück, „...lass das wieder annähen. Tom wird dich zu Coco bringen." Ein Kopfnicken in Richtung des Dämons, der sie her gebracht hatte, bevor der Fährmann in sein Boot stieg, in dem die anderen der Gruppe bereits Platz genommen hatten.
„Vielen Dank, Sir!", kam es noch von Hunter, als dieser auch schon gut gelaunt davon Schritt, wobei der Dämon in Lack Mühe hatte, mit ihm mitzuhalten, obwohl es dessen Aufgabe war, Hunter den Weg zu weisen und nicht andersherum.
Der Dämon brachte ihn zu einer Art Wandschirm, der in einem größeren Raum stand, davor eine Schlange von Kreaturen, denen allen das ein oder andere Körperteil zu fehlen schien.
Ohne zu zögern lief Hunter an ihnen vorbei, bis er direkt an der Abtrennung angekommen war, hinter der just in diesem Moment ein blonder Adonis hervor trat.
„Hey! Hinten anstellen!", kam es von einem der Wartenden.
„Wieso? Sind wir hier in Deutschland?", kam es nur prompt von Hunter zurück, als er sich auch schon an dem Blonden vorbei schob und im nächsten Moment hinter der Trennung verschwand.
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