Weil Weihnachten Ist

(Diese wundervolle Fanart ist von ladydeadpooly - auf deviantArt & tumblr zu finden.)

„Warum sind wir nochmal hier?", fragte Lisbon und schob die flauschige Wintermütze beiseite, die Jane ihr gerade in die Hand drücken wollte. Nicht einmal fünfzehn Minuten, seit sie ihr Auto verlassen hatte, und schon jetzt war es so kalt, dass sie sich am liebsten wieder in ihrer Wohnung verkrochen hätte.

„Betriebsausflug", antwortete Jane vergnügt und griff nach einer anderen Mütze, die er Cho hinhielt. „Schauen Sie mal, die würde Ihnen doch ausgezeichnet stehen!"

Seufzend vergrub Lisbon die Hände in den Taschen ihres Mantels und fragte sich, wie dieser Mann eine so unfassbar gute Laune haben konnte. Die Kälte war beißend und obwohl sie das Wärmste angezogen hatte, was sie noch im Kleiderschrank gefunden hatte, fror sie erbärmlich. Nicht, dass sie das jemals zugeben hätte.

Kalifornien, verdammt – Es sollte hier nicht so kalt sein, dass Schnee lag. Wenn sie ehrlich war, Lisbon war der Ansicht, dass es nirgendwo so kalt sein sollte, dass Schnee lag.

Jane trat näher zu ihr heran und grinste breit. „Was haben Sie denn so schlechte Laune, Lisbon?"

„Es. Sind. Minus. Drei. Grad", spuckte sie ihm ins Gesicht und wurde dabei unabsichtlich immer lauter. „Das ist der kälteste Winter, den ich je erlebt habe hier, und ganz im Ernst, ich hätte gerne darauf verzichtet."

„Warum denn? Das macht die ganze Stimmung hier doch gleich viel weihnachtlicher."

Mit finsterer Miene sah sie ihn an. „Sie wissen, dass ich Weihnachten nicht mag."

„Aber Lisbon!", rief er gespielt entsetzt aus. „Weihnachten, das Fest der Liebe! Wo sie endlich mal eine Entschuldigung haben, schlecht zu Musik mitzusingen und Geschenke für alle zu kaufen. Und Schokolade zu essen", fügte er mit einem Lächeln hinzu und warf einen Blick auf die Schokoladenfrüchte, die neben den Wollmützen angeboten wurden. „Wie können Sie das nicht mögen?"

Ohne eine weitere Antwort wandte sie sich von ihm ab und beobachtete lieber mit aufsteigendem Neid den Glühweinstand ein paar Meter weiter. „Ich hol mir was zu trinken", informierte sie ihn knapp und stapfte durch den Schneematsch zu der viel zu langen Schlange.

Sie hätte sich nie darauf einlassen sollen, das Team zu diesem Ausflug mitzuschleppen, aber Jane hatte ihr damit so lange in den Ohren gelegen, bis sie schließlich zugestimmt hatte. Zur Stärkung des Betriebsklimas, war sein Argument gewesen. Wahrscheinlich hatte er einfach nur bezwecken wollen, dass sie alle schlechtgelaunt in der Kälte rumstanden und Lisbon dafür verantwortlich machten, weil sie das Alles genehmigt hatte.

Als sie endlich ihren Glühwein bekommen hatte – nicht ohne einen „Es ist Weihnachten, lächeln Sie doch!"-Kommentar des Verkäufers –, gesellte sie sich wieder zum Rest des Teams. Besser gesagt – Dem Rest des Teams Minus eins.

„Wo ist Jane?", fragte Lisbon und erntete dafür nur Schulterzucken von Cho.

„Er ischt weg?", nuschelte Rigsby mit vollem Mund; er wischte sich gerade ein paar Zuckerwattereste weg, die an seinem Kinn klebten. „Oh."

Augenrollend erhob sie die Stimme. „Kann denn keiner von Ihnen für ein paar Minuten mal auf ihn aufpassen?"

„Jane kann bestimmt auf sich selbst aufpassen", sagte van Pelt. „Ich meine, er ist erwachsen."

„Ja, ganz bestimmt. Er hat dem CBI schon genug Ärger beschert, Minelli wird mich umbringen, wenn er noch was anstellt." Lisbon stellte sich auf die Zehenspitzen und blickte über die Menge hinweg, aber Rigsby kam ihr mit seiner Entdeckung zuvor.

„Ich glaube, er ist da vorne, Boss."

„Hm?" Sie reckte sich noch ein wenig und sah in die Richtung, in die er zeigte. Janes blonder Haarschopf ragte aus einem Haufen kleiner Kinder und Lisbon fragte sich unwillkürlich, wie sie es geschafft hatte, ihn zu übersehen, denn er überragte die meisten der Leute dort um einiges. „Sammeln wir ihn mal wieder ein", murmelte Lisbon und drängte sich durch die anderen Weihnachtsmarktbesucher.

Jane kam ihr bereits entgegen, strahlend wie immer. „Lisbon! Schauen Sie mal, was ich uns hier besorgt habe, ich hab zwei für Rigsby und van Pelt...", er drückte den beiden etwas in die Hand, „... Und für Sie und mich! Und für Cho natürlich."

Drei Sekunden später hielt sie einen dieser Plastik-Fahrchips und sah ihn verwundert an. „Äh... Was...?" Das einzige Fahrgeschäft in unmittelbarer Nähe war das, um das sich die Kinder gescharrt hatten – Ein altmodisches Karussell mit verschiedenen Figuren. Eine unerträgliche Weihnachtsmusik dudelnd drehte es sich vor sich hin. „Nein, Jane. Definitiv nicht."

„Und wie."

„Ich habe noch meinen Glühwein", erinnerte sie ihn und wie zur Bestätigung schob sie den Chip in die Manteltasche und umklammerte den Becher mit beiden Händen. „Ich werde da nicht reingehen."

„Ich habe vier Dollar dafür ausgegeben! Beeilen Sie sich mit dem Trinken, bitte, es hält grad an."

Lisbon verdrehte die Augen und sah, dass das Karussell tatsächlich gestoppt hatte. Gerade kletterte van Pelt auf ein weißes Pferd. „Wie könnten sie es nur schaffen, diese vier Dollar wieder auszugleichen?", murmelte sie, stellte aber den Pappbecher mit dem Glühwein auf dem Zaun um das Karussell ab und folgte ihm seufzend. „Sie sind so ein Kindskopf manchmal."

„Ich sehe das mal als Kompliment."

„Tun Sie, was Sie nicht lassen können."

Sie setzte sich neben ihm auf einen Schlitten. Er war ein wenig zu eng für sie beide und die Bank war unbequem, aber sie fügte sich ihrem Schicksal, reichte dem Kontrolleur ihren Fahrchip und warf einen letzten, sehnsüchtigen Blick auf ihren Glühwein, ehe das Karussell begann, sich zu drehen.

„Schauen Sie mal", meinte Jane und deutete auf ein Kind, das ein paar Meter von ihnen entfernt saß, ein strahlendes Lächeln auf dem Gesicht. Es winkte jemand unbestimmtem zu, vermutlich seinen Eltern, und seine Mütze war so groß, dass sie ihm fast über die Augen rutschte. „Sogar er genießt das hier."

„Das ist ja auch für sein Alter gemacht."

„Ja, aber er hatte eindeutig einen schlechten Tag bisher. Ihm war vermutlich kalt, sonst würde er nicht die Mütze von seinem großen Bruder tragen" – woher wusste er das schon wieder? – „Und er hat sein Eis fallen lassen, sehen Sie, da, der Fleck auf seiner Jacke! Wenn der sich noch freuen kann, können sie das auch." (Lisbon freute sich trotzdem eher weniger, sie fragte sich eher, warum bei diesem Wetter noch Eis verkauft wurde.) „Oder sind sie immer noch sauer, weil es den Weihnachtsmann doch nicht gibt? Seit Jahrzehnten?"

„Halten Sie die Klappe", murrte sie und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Jetzt seien Sie nicht eingeschnappt!"

„Ich bin nicht eingeschnappt!"

Das Karussell fuhr langsam, und die Pferde bewegten sich dabei auf und ab, halbwegs im Takt einer Pianoversion von Feliz Navidad. Lisbon sah hinaus auf den Platz vor ihm, wo viele Eltern standen und ihre Kinder mit ihren Handys filmten – Irgendwo am Rand entdeckte sie Cho, den Jane anscheinend nicht überredet hatte, unbedingt mit einzusteigen. Er hatte, woher auch immer, ein dünnes Taschenbuch herausgeholt und blätterte darin, ohne ihnen einen Blick zuzuwerfen.

„Sie sind so ein Scrooge", beschwerte Jane sich nach circa einer Minute des Schweigens. Lisbon zog fragend eine Augenbraue hoch. „Charles Dickens. A Christmas Carol. Kennen Sie nicht?"

„Doch", meinte Lisbon. „Natürlich."

„Sie sind genauso ein Weihnachtshasser. Also, ohne den Reichtum. Und die Kaltherzigkeit. Aber Weihnachtshasser."

„Unsinn."

Er machte eine wirre, irgendwie theatralische Geste. „Humbug, sie sollten Humbug sagen, um ihrem Charakter gerecht zu werden."

„Humbug", murmelte Lisbon und grinste, während sie aus dem Augenwinkel heraus beobachtete, wie Jane sie halb erfreut, halb erstaunt ansah. Patrick Jane zu überraschen war immer wieder eine Genugtuung.

Das nächste Lied war Last Christmas, auch auf dem Klavier ohne Text. Eigentlich hatte sie es nie besonders gemocht, weil es an Weihnachten jeden Tag mindestens dreimal im Radio lief und dazu noch einen furchtbaren Ohrwurm hinterließ (und eigentlich viel zu traurig und überhaupt nicht weihnachtlich war), aber die Melodie war so unverkennbar, dass sie leise mitsummte.

„Sie werden das für Tage nicht mehr aus ihrem Kopf kriegen", prophezeite Jane, der anscheinend gegen so etwas wie Ohrwürmer gefeit war. „Ich versprech's Ihnen."

„Wer ist jetzt der Weihnachtshasser, hm?", fragte sie und summte, noch ein klein wenig lauter, „Last Christmas I gave you my heart, but the very next day you gave it away", worauf Jane nur mit den Augen rollte.

Als das Karussell ausgefahren war, gesellten sie sich wieder zum Rest des Teams. „Wunderbare Idee!", lobte Van Pelt Jane und drehte sich dann zu Lisbon um. „Finden Sie nicht auch, Boss?"

„Hm-mh", murmelte sie und beobachtete, wie ihr Atem an der Luft sich zu einer Wolke bildete. Als Tommy noch ein Kind gewesen war, hatte er dann immer so getan, als würde er rauchen, und als er so ungefähr dreizehn gewesen war, hatte er dann eine echte Zigarette von ihrem Vater geklaut. (Sowie einmal daran gezogen und sich daraufhin geschworen, nie wieder eine Zigarette anzufassen, was für sie durchaus hilfreich gewesen war.)

„Manchmal muss man eben einfach noch ein Kind sein."

Lisbon schob den Gedanken an ihre Familie beiseite und lächelte ihrer Kollegin zu. „Da haben Sie recht."

Sie waren ein wenig zurückgeblieben, und so beschleunigten sie ihre Schritte etwas, bis sie wieder zu den anderen Drei aufschlossen. Cho hatte das Buch wieder weggepackt und diskutierte mit Rigsby darüber, ob Schokoerdbeeren oder Schokoweintrauben besser schmeckten, wobei ihre Argumente beide ziemlich schwach waren.

„Ich könnte Ihnen so ein Vogelhäuschen kaufen!", schlug Jane urplötzlich vor, der jetzt wieder neben ihr lief, und deutete auf einen Stand rechts von ihnen, an dem Vogelhäuschen zum Verkauf angeboten wurden. Auf den meisten von ihnen standen irgendwelche unsinnigen Sprüche wie Nest & Breakfast, teilweise mit so schlechten Wortwitzen, dass Lisbon beinahe lachen musste.

Es erschien ihr unnötig, Jane darauf hinzuweisen, dass sie keinen Garten hatte (das wusste er eh), aber eine andere Frage kam ihr in den Sinn. „Wir schenken uns was zu Weihnachten?"

„Warum denn nicht? Sie haben mir schon mal das Leben gerettet, da kann ich Ihnen auch was zu Weihnachten schenken."

„Sie haben mir letztes Jahr zum Geburtstag ein Pony geschenkt", erinnerte sie ihn. „Das reicht eigentlich."

„Was ist überhaupt aus ihm geworden?", fragte er, ganz offensichtlich amüsiert bei der Erinnerung daran. „Steht es bei Ihnen in der Wohnung?"

„In der Nähe von Sacramento, ein kleiner Stall, wo sich ein paar Kinder ganz hinreißend um ihn kümmern. Manchmal fahr ich mit Van Pelt hin und wir besuchen es." Sie grinste. „Ich hab' leider nicht viel Ahnung von Pferden, da kann ich das Selbstversorgen wohl vergessen."

„Sie könnten es lernen."

„Keine Zeit."

„Kommen Sie, lassen Sie ein paar ihrer Abende alleine zu Hause ausfallen, ich bin mir sicher, Van Pelt bringt es ihnen gerne bei." Er beschleunigte seine Schritte ein wenig, hatte wohl etwas entdeckt, dass ihm gefiel. „Ich werde ihnen definitiv etwas schenken. Sie werden ja sehen."

„Ist nicht übermorgen schon der 25. Dezember?", bemerkte sie. „In der Zeit finden wir doch nie was."

„Ach, seien Sie ruhig kreativ, sie finden hier schon noch was." Er war an seinem Ziel angekommen, während das restliche Team langsam hinter ihnen auftauchte. „Wollen Sie auch gebrannte Mandeln?"

„Gerne."

„Eine große Tüte, bitte", bestellte Jane, reichte dem Mann fünf Dollar über die Theke und lehnte sich etwas näher zu ihm nach vorne. „Und sagen sie der Kleinen da vorne endlich, dass sie auf sie stehen, die Blicke sind kaum auszuhalten."

Der Verkäufer musterte ihn verwirrt und lief ein wenig rot an, während er die Mandeln herüberreichte. „Und darum", murmelte Lisbon und trommelte dabei mit den Fingern nur halbkorrekt die Melodie von Last Christmas, „lassen wir Sie normalerweise nicht unter Leute."

„Warum nicht? Ich habe ihm doch geholfen." Er deutete nach hinten, dorthin, wo der Verkäufer der „Kleinen" (eine Frau am Zuckerwattestand, deren Haare mindestens so pink waren wie das, was sie verkaufte) wohl so etwas wie ein scheues Lächeln schenkte. „Er flirtet noch schlechter als Sie."

„Ich flirte gar nicht schlecht!"

„Jaaa", sagte Jane sarkastisch und warf einen Blick auf ihre Hand, die immer noch Last Christmas mehr schlecht als recht trommelte. „Sie haben einen Ohrwurm."

„Stimmt", grummelte Lisbon. (Eine kleine Stimme in ihrem Hinterkopf sang dabei This year, to save me from tears, I give it to someone special, specia-al.)

„Hab ich's Ihnen doch gleich gesagt."

Weil sie nichts antworten konnte, ohne ihre Niederlage einzugestehen, schwieg sie, und stapfte neben ihm durch den Schnee, der hier schon plattgetreten und matschig war von den vielen Menschen.

„Gebrannte Mandel?", bot er ihr an und hielt ihr die Papiertüte hoch. Sie waren fast schon zu süß, aber sie schmeckten trotzdem, und sie griff sich noch ein paar, als sie die ersten drei aufgegessen hatte.

Die Tüte war bereits halbleer, als sie einen Stand erreicht hatten, der anscheinend Janes Aufmerksamkeit auf sich zog. Auf dem Weg dorthin hatte sich Van Pelt noch eine Kette gekauft, eine von denen, deren Anhänger eine ausgeschnittene Münze war, und die Stimmung hatte sich ein wenig gelockert, weil ihnen vom Laufen warm geworden war.

Van Pelt redete mit Cho über Rigsby, was diesem eindeutig unangenehm war, ehe Jane sie lautstark darauf aufmerksam machte, sie sollten ein wenig nach rechts gehen.

„Wohin denn?", fragte Lisbon, die in der Richtung nichts Sehenswertes erkennen konnte.

„Sie werden sehen."

Gott, konnte dieser Mann denn nie Klartext sprechen? Weil sie vermutlich keine andere Wahl hatte, ohne, dass sie ihn sofort in der Menge verlor, folgte sie ihm trotzdem und warf einen Blick über die Schulter – Die anderen taten es ihr gleich, mit unverhohlener Neugier (Rigsby), leichter Skepsis (Van Pelt) und neutraler Mine (Cho).

„Schießen!", rief Jane aus und obwohl sie etwas wesentlich Dramatischeres erwartet hatte, schloss Lisbon etwas enthusiastischer zu ihm auf. „Wir könnten ja rein theoretisch was gewinnen, oder, was meinen Sie?"

„Vielleicht."

„Sie sehen es jetzt schon als persönliche Herausforderung."

Lisbon verdrehte die Augen. „Können sie mit dem Gedankenlesen-Kram eigentlich auch mal aufhören?" (Sie ignorierte sein Kommentar dazu, dass Gedankenlesen unmöglich war und er nur Schlüsse zog aus dem, was er sah.)

Jane bezahlte drei Dollar für fünf Schuss, was ihr doch sehr teuer vorkam, und reichte das Gewehr an Lisbon weiter. „Ladys first."

„Ach, jetzt werden Sie zum Gentleman?" Grinsend fixierte sie das Ziel (eine Reihe sich bewegender Metall-Rentiere), versuchte, sich an das Gefühl der viel zu großen Waffe zu gewöhnen, und drückte ab. Die Kugel traf das Geweih von einem der Rentiere, das klappernd nach hinten fiel.

„Sehr schön! Jetzt Sie, Van Pelt?" Eher eine Feststellung als eine Frage, denn Jane gab das Gewehr direkt weiter.

Alles in Allem waren sie recht erfolgreich, auch, wenn Cho nach seinem Schuss etwas von „Die sind bestimmt manipuliert, so schief, wie die schießen" murmelte. Dann übergab er an Jane, der sich übertrieben lange damit beschäftige, auf eine sehr theatralische Art das Ziel zu taxieren.

Er traf trotzdem nicht.

„Schade", bemerkte der Besitzer der Schießbude und deutete auf die Auslage hinter ihm. „Suchen Sie sich gerne einen Preis aus, wir haben hier..."

Lisbon hörte ihm nur mit halben Ohr zu und warf stattdessen Jane einen Blick zu. „Sind die wirklich manipuliert?", flüsterte sie, während der Standbesitzer einen sehr hässlichen Plastikbogen hochhielt.

„Ja."

„Unglaublich."

„Genau, sonst hätte ich bestimmt getroffen", meinte er. „Aber hey, ich hab' den Leuten damals auch vorgespielt, ich könnte hellsehen, als ich noch..."

Rigsby meldete sich zu Wort und unterbrach ihre Unterhaltung damit. „Hey, Boss, was halten sie hiervon?" Er hielt einen Teddybären in die Höhe, und wenn Lisbon sich die Auslage auf dem Stand so aussah, war der wohl wirklich das Beste gewesen.

„Hässlich", murmelte Cho.

„Nehmen wir. Sie können ihn haben, wenn sie wollen." Sie hatte nun wirklich keine Lust, den Rest des Abends etwas tragen zu müssen, und die Lösung war wohl doch ganz gut. „Und ich bin für noch einen Glühwein, ich habe Durst."

Jane lachte. „Ihnen ist kalt."

„Das vor Allem", meinte sie. „Also, trinken wir einen?"

Fünf Minuten später standen sie, alle mit einem Getränk in der Hand, unter dem kleinen Dach des Standes. Van Pelt und Rigsby unterhielten sich darüber, wie sie Heiligabend verbringen würden (soweit Lisbon es mitbekam, fuhren sie Grace' Familie besuchen und ihre Kollegin freute sich besonders auf das Widersehen mit ihrer Cousine Yolanda), Cho hatte sein Buch wieder rausgeholt und so blieb ihr nur Jane als Gesprächspartner.

„Warum feiern Sie kein Weihnachten?", fragte er sie, trank einen Schluck und musterte sie aufmerksam. „Und jetzt erzählen Sie mir nicht, Sie würden feiern, ich weiß, dass das nicht stimmt."

Lisbon beließ es vorerst dabei, den Becher in der Hand zu halten und ihre Hände ein wenig auftauen zu lassen. „Ergibt sich irgendwie nie. Mit meinen Brüdern habe ich echt wenig zu tun in den letzten Jahren, und außerhalb der Arbeit ergibt sich einfach nicht viel, Sie verstehen?"

„Nein." Er seufzte, schwieg dann für ein paar Sekunden. „Ich weiß, Lisbon, Sie sind verdammt stolz und ihre Familie ist das auch und sie verstehen sich alle nicht wirklich, aber versuchen sie's doch mal! Haben Sie Ihre Brüder in den letzten Jahren überhaupt mal angerufen?"

„Hm-hm." Tatsächlich hatte sie einmal mit James telefoniert, als der ihr zum Geburtstag gratuliert hatte, und sie verschickte ganz regulär „Happy Birthday" und „Merry Christmas"-SMS, aber mehr war da auch irgendwie nie. (War sie in ihrer Jugend nicht schon genug für ihre Brüder da gewesen?)

„Sie können sich nicht jedes Jahr in ihrer Wohnung verkriechen, Schokolade essen und Tatsächlich Liebe im Fernsehen anschauen."

„Und Dinner for One an Silvester", murmelte sie mit einem leicht traurigen Lächeln.

„Genau!" Wie er es angestellt hatte, wusste sie nicht genau, aber er hielt plötzlich ihr Handy in der Hand und sie verfluchte sich mal wieder dafür, keinen Code eingestellt zu haben. „Es ist nur ein Klick, und schon haben Sie Tommy für Morgen eingeladen."

„Tommy jagt mit Annie doch bestimmt eh in Texas oder so irgendwelchen Verbrechern hinterher."

„Sie suchen Ausreden."

„Und wenn schon." Schulterzucken. „Was machen Sie denn Weihnachten?"

Zum ersten Mal an diesem Abend war es Jane, der wegsah. „Nicht viel, denke ich. Früher immer mit meiner Familie, vor..."

„Red John", schloss Lisbon seinen Satz, weil er einfach aufhörte zu reden, und er lächelte bitter.

Sie hätte nicht mit dem Thema anfangen sollen, hätte davor wenigstens einmal kurz nachdenken sollen. Eigentlich war es nur als Scherz gemeint gewesen, weil er sie so damit genervt hatte, und jetzt... (Ach, verdammt.)

Sie beobachtete ihn, wie er plötzlich wieder schwieg, vermutlich versunken in Erinnerungen an die Jahre mit Angela und Charlotte; den Becher hatte er abgestellt und spielte stattdessen mit dem Ring, den er trug, immer noch.

„Jane?", fragte sie vorsichtig, aber er reagierte nicht. „Patrick?" Er hob den Kopf (endlich), sah sie für ein paar Augenblicke an. „Tut mir Leid, ich hätte das nicht ansprechen sollen."

Er lachte gezwungen. „Es ist Weihnachten, richtig? Nicht der richtige Ort für Selbstmitleid und Rachegedanken. Also, ein bisschen gute Laune, richtig?" Immer noch kein fröhlicher Ton. (Und sie hielt es kaum aus, ihn so sehen, wo er sich grad noch so begeistert darüber lustig gemacht hatte, wie sehr sie fror.)

„Sie können mit mir feiern. Wenn sie wollen. Auch, wenn ich ein furchtbarer Weihnachtshasser bin und nicht mal einen Weihnachtsbaum habe und keine Ahnung habe, was ich Ihnen schenken soll, aber hey, es kann nicht schlimmer werden als zum zehnten Mal Tatsächlich Liebe, oder?", sagte sie, ein wenig zu schnell. „Außer natürlich, Sie wollen lieber allein sein."

Ein etwas überzeugender lächelnder Jane griff wieder nach seinem Glühwein. „Ich dachte, Sie wären lieber Alleine."

„Manchmal muss man Opfer bringen."

„Ich komme gerne. Beziehungsweise, Sie kommen zu mir. Ich glaube, selbst bei mir ist es weihnachtlicher als bei Ihnen."

Sie wusste nicht mal mehr genau, was sie darauf antworten sollte. Ob sie sich überhaupt freuen sollte (vermutlich), ob sie ihm zustimmen sollte (vielleicht) oder ob sie ihn irgendwie trösten sollte, wie sie es schon so oft versucht hatte (aber wie?).

„Und hey, Lisbon – Danke."

Sie schwiegen beide, bis sie ausgetrunken hatten, und Lisbon hörte Van Pelt und Rigsby ein wenig zu, während sie aus dem Augenwinkel Jane beobachtete, der wohl irgendwie in seinen eigenen Gedanken versunken war. Sie hoffte, dass sie wenigstens halbwegs fröhlich waren.

„Ich werde den Film vermissen", seufzte sie, nachdem das Team die Becher zurückgegeben hatte und sich langsam dem Ende des Weihnachtsmarktes näherte. Es war schon dunkel geworden, und langsam verzogen sich die meisten Leute nach Hause. „Er war so eine Tradition."

„Wir könnten ihn zusammen schauen", bot Jane diplomatisch an. „Einmal im Jahr muss der Kitsch doch sein."

Lisbon lachte und folgte Rigsby zu einem Stand, der Zuckerstangen, Salmiak und die ganzen anderen Weihnachtsmarktsüßigkeiten verkaufte. „Kauf' ihr bloß kein Lebkuchenherz mit Mein Herzblatt oder so, ich bring' dich um", raunte Cho Rigsby sehr laut zu, als sie davorstanden und Rigsby das Genannte etwas zu lang angesehen hatte.

„Lisbon!", machte Jane sie auf sich aufmerksam, weil sie sehr belustigt beobachtet hatte, wie die beiden jetzt darüber diskutierten. „Ich habe ein Weihnachtsgeschenk gefunden. Kaufen Sie mir doch das hier!"

Sie folgte seinem Blick auf die Lebkuchenherzen und fragte sich für einen Moment, ob es ihm noch gut ging. Dann entdeckte sie neben Für die liebste Mami und Ich hab dich lieb eines mit der Aufschrift Süß, blond & sexy. „Nicht Ihr Ernst."

„Sie sagten, Sie brauchten ein Geschenk."

„Was wollen Sie denn überhaupt damit?"

Jane zuckte mit den Schultern. „Der Welt zeigen, wie ich bin?" Es war unglaublich, wie schnell seine Laune umgeschlagen konnte, auch, wenn sie dem Ganzen noch nicht ganz traute. „Und es ist einfach witzig."

Sie seufzte, griff das Herz und drückte dem Verkäufer ein paar Dollarscheine in die Hand. „Das gibt's aber erst Weihnachten."

„Geben Sie schon!"

Auch, wenn sie es nicht wollte, sie konnte ein Lachen nicht verhindern, als sie sah, wie Jane sich das Lebkuchenherz um den Hals hing und strahlte. „Bin ich nicht süß, blond und sexy?" Sie boxte ihn in die Seite. „Lisbon!"

„Sie sind so ein Idiot manchmal."

Er schenkte ihr ein Lächeln. „Verzeihen Sie mir?"

„Aber nur, weil Weihnachten ist."



Frohe Weihnachten. ♥
(Und liebsten Dank an  für's Betalesen!)

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