11
Wie betäubt überstand er die restlichen Tage. Tat, was man ihm sagte und schaltete sein Gehirn aus.
Am Freitag haute er wieder unter dem Vorwand, er müsse die Toilette benutzen, zu Charlotte ab.
Die merkte, dass mit ihm etwas nicht stimmte aber als er nichts sagen wollte, drang sie nicht weiter in ihn ein. Sagte nur, sie wolle sich nächsten Donnerstag mit ihm treffen und ihm das Lied vorspielen mit dem sie sich dann am Freitag bewerben würde. Er sagte zu.
Dachte sich, das würde er schon gebacken kriegen.
Der Alte wunderte sich, das die Papiere einfach so auf dem Tisch gelegen hatten, als er in der einen Nacht zu sich nach Hause gegangen war, weil er nicht schlafen konnte. Aber er schob es aufs Alter.
Und Jim redete sowieso mit niemandem mehr.
Außer mit Charlie.
Am Donnerstagabend bekam er tatsächlich die Gelegenheit abzuhauen. Alle Männer versammelten sich nämlich bei dem Alten zu Hause um nochmal alles bis ins kleinste Detail zu besprechen und zu durchdenken.
Nur Jim hatten sie allein in der Wohnung zurück gelassen.
Der Alte hatte sich beim Hinausgehen zwar noch mal umgedreht und ihn misstrauisch angesehen, aber ansonsten war nichts passiert.
Durch sein unauffälliges Verhalten in den letzten Wochen schien er in Vergessenheit geraten zu sein.
Was ihn nicht besonders betrübte.
Also klingelte er abends bei Charlie. Sie hatte ihm eine detaillierte Wegbeschreibung zu ihrer Wohnung in die Hand gedrückt, als er sie während einer Toilettenpause besuchte.
Charlie öffnete ihm strahlend die Tür. „Ich bin so froh, dass du da bist! Ich komme fast um vor Aufregung."
Jim lächelte. „Na dann..."
Sie zog ihn am Arm in die Wohnung hinein. Als er das Wohnzimmer betreten wollte, schüttelte sie den Kopf.
„Das Dach."
Er lachte. „Wie romantisch!"
„Ja, das ist in der Tat sehr romantisch!", meinte sie spitz und holte ihre Geige hervor. „Los geht's!"
Charlie hatte sich viel Mühe gegeben. Sehr viel Mühe. Das konnte Jim auf den ersten Blick erkennen.
Oben stand dampfender Tee und Gebäck bereit. Außerdem hatte sie einen Kissenberg und dicke Decken hoch geschleppt.
„Ich wünsche mir, das wir heute Nacht hier auf diesem Dach übernachten!", erklärte sie, als sie Jims Blick bemerkte.
Er nickte. „Von mir aus."
Dann spielte sie ihm vor. Und mit jeder Sekunde, die sie spielte ging es ihm besser und wurde er ruhiger.
Irgendwann schlief er ein.
Das Letzte, woran er sich nach dem Aufwachen erinnerte, war der Hauch eines Kusses...
Um fünf Uhr morgens schreckte er auf. Zitternd vor Kälte. An ihn geschmiegt lag Charlie. Als er sich vorsichtig erhob murmelte sie etwas.
Jim spürte, wie sich Wärme in seiner Brust ausbreitete.
Er kramte einen kleinen Zettel aus seiner Tasche und kritzelte darauf:
Danke für den Abend. Ich drück dir die Daumen. Du packst das. Wir sehen uns übermorgen. Ich komme um sechs. Hab dir was zu sagen.
Ps: Ich glaube, ich liebe dich.
Jim.
Dann ging er. Zurück in die Realität. Seine Realität. Mit jedem Schritt, den er sich seiner Wohnung näherte, wurde er stiller. Wurde es in ihm kälter.
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