Kapitel 17

»Ihr spielt gerne Spielchen« spottete Lord Carvilnius und lehnte sich an den Türrahmen. Wie hatte er Zugang zu meinem privaten Anwesen bekommen können? So wie der Prinz gestern auf ihn reagiert hatte, konnte ich mir nicht vorstellen, dass er ihn hierher eingeladen hat. Trotzdem lagen seine dunklen Augen jetzt auf mir und das kotzte mich an. »Ihr könnt Euch nicht wehren« stellte er fest und das Dunkle verschwand aus seinen Augen. Plötzlich war er nur mehr ein junger Mann mit blauen Augen und wirren, blonden Locken. Das Gefährliche war von ihm gefallen.
Ich schwieg. Er sollte es gestern bemerkt haben, dass ich nichts gegen sein Vordringen in meinem Kopf tun konnte. Wollte er es mir gerade unter die Nase reiben, oder zweifelte er wirklich daran, dass ich mich nicht mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln wehre? »Der König wollte mir weismachen, dass Ihr stark seid« - »Das bin ich auch« Ich reckte mein Kinn ein wenig. »Wie kann ich Euch helfen?« redete ich weiter, bevor er das Thema vertiefen konnte. Wenn ich ehrlich war, hatte ich keinerlei Vergleich. Ich kannte nur meine eigene Kraft und die war intensiv und reichlich, aber das konnte auch ganz normal sein.
»Wollen wir das bei einem Spaziergang besprechen«
»Es ist mir zu kühl«
Lord Corvilnius hob seine Augenbrauen und nahm auf der Bank platz. Unaufgefordert. »Blödsinn« erwiderte er und ein siegessicheres Lächeln erschien auf seinen Lippen »Der Prinz hat es Euch verboten, das Haus zu verlassen« Ich versuchte seinen blauen Augen standzuhalten. Wenn er sich von meinem Kopf fernhielt, tat ich das auch. Aber das ging nicht. Meine Sicht wurde durch einen dünnen Schleier vernebelt und ich konnte ein Zittern nur schwer unterdrücken. Das war der König. Mein Geliebter würde niemals ... ich schluckte und verbat mir den Gedanken. Meine Chancen etwas zu ändern waren ohne einen weiteren Erben gleich Null.
»Wie kann ich Euch helfen?« fragte ich nochmal ernster. Ich wollte, dass er aus meiner Bibliothek verschwand. Seine Anwesenheit tat weh. Das er, obwohl er genauso war wie ich, durch die Welt spazieren konnte, wie er wollte. »Gar nicht. Ich bin nicht an den Diensten einer Hure interessiert« fauchte er und ich sprang auf. Ich wollte etwas bestreiten, mich verteidigen. Aber ich konnte nicht. Bevor er meine Tränen sah, lief ich aus dem Zimmer.

Die restliche Woche hörte ich nichts aus dem Schloss und ich war dankbar über die Atempause. Trotzdem ärgerte es mich, dass meine Dienste nicht mehr erforderlich waren. Jetzt, wo dieser Covilnius hier ist. Wütend schmiss ich meine Bücher vom Tisch. Sollen sie sich doch alle zum Teufel scheren!
»Mylady?« mein Kammermädchen steckte erschrocken den Kopf durch die Tür und ich funkelte sie böse an. Bis meine Sicht schließlich verschwamm. »Raus hier« flüsterte ich, bevor ich den Kopf in meinen Armen verbarg und weinte.
Einfach weinte.
Meine Ärmel waren bald völlig durchnässt und ich hob den Kopf. Ich wusste nicht, was ich tun sollte, wenn der Prinz vorhatte mich hier vergammeln zu lassen. Das Letzte, das ich von ihm gehört hatte, war, er könne es nicht. Das konnte alles heißen. Aber ich war mir sicher, dass ich mich nicht nochmal hier einsperren lassen würde.

»Ich muss mit Euch sprechen« ertönte plötzlich eine Stimme und ich schreckte hoch. »Lady Lacrima ...« - »Hinaus aus meinem Schlafzimmer« Ich hatte mich erhoben und deutete mit gestrecktem Zeigefinger zur Tür. Ich wünschte, ich könnte mir meine Tränen von den Wangen wischen, ohne meine entschlossene Position aufzugeben. Corvilnius sah mich erschrocken an und wandte sich zu Anns Onkel um. »Ihr mögt mich für eine Hure halten, Mylord, aber das gibt Euch noch nicht das Recht in mein Schlafzimmer zu kommen« Er hob erschrocken die Hände und sah überrascht auf meinen Zeigefinger.
»Lasst mich Euch helfen« seine Stimme war ganz weich und er ließ seine Hände langsam sinken, während er näher trat. »Wenn der Prinz erfährt, dass Ihr in meinem Schlafzimmer wart, Gnade mir Gott« ich wandte mich von den beiden ab und stützte mich am Fenster ab. Wie ich es hasste, Corvilnius so deutlich zeigen zu müssen, dass mich der Prinz beherrschte. Ich gehörte praktisch ihm.
»Natürlich, Mylady!« ich sah im spiegelnden Fensterglas, wie Anns Onkel Corvilnius an der Schulter packte und zur Tür drehte. Als er die Tür in endlich ins Schloss drückte, lehnte ich meinen Kopf gegen die Scheibe. Wenn beide hier waren, konnte es nur um meine Begabung geben. Wahrscheinlich habe ich den Prinzen gerade völlig umsonst in den Fokus gerückt.

Ich war schon seit Jahren nicht mehr im Empfangszimmer gewesen. Die beiden hatten sittsam auf der Bank platzgenommen, erhoben sich nun und verbeugten sich. Die Wache konnte alles bezeugen. »Lasst uns alleine« befahl Anns Onkel schließlich und holte einen Zettel aus seinem Wamst, den er Elisei überreichte. »Auf Befehl des Königs dürfen wir mit ihr alleine sein« fügte er hinzu und ich wandte meinen Blick ab. Als wäre ich ein Tier, vor dem es sich zu fürchten galt. Elisei presste missbilligend die Lippen zusammen, nickte den Herren jedoch zu und ließ die Wache abtreten.
»Bitte fühlt Euch nicht angegriffen von uns« forderte Corvilnius schließlich und ich verzog meinen Mund. Vor wenigen Tagen hatte er mich beschimpft und erniedrigt.
Anns Onkel schnalzte missbilligend mit der Zunge und verpasste seinem Partner einen Schlag auf den Hinterkopf. Ich verkniff mir gerade noch so ein Grinsen. »Verzeiht mir Lady Lacrima. Ich dachte, ich hätte ihm bessere Manieren gelehrt« dabei sah er nicht mich an, sondern Corvilnuis. Es schien fast so, als würde er in seinem Kopf herumstöbern. »Darüber unterhalten wir uns noch, Bürschchen« drohte er und zum ersten Mal in meinem Leben sah ich, wie Corvilnius den Kopf einzog und rot wurde.
»Wir werden Euch gleich wieder in Ruhe lassen« beruhigte er mich und ich krampfte meine Hand und die Lehne der Bank. Ich brachte es nicht fertig, mich dazu zu setzen. »Ihr sollst Euch überlegen, wo Ihr ausgebildet werden möchtet. Im Schloss oder in unserem Hauptquartier« Ich riss meine Augen auf und trat einen Schritt zurück. Das war eine Falle. Die beiden wollten mir Honig ums Maul schmieren und dann beim König damit prahlen, dass die beiden herausgefunden hatten, wie untreu ich sei.
»Wir glauben, dass Ihr sehr stark seid, Lacrima, und deshalb werden wir Euch beschützen. Auch gegenüber dem König und seinem Sohn« fügte Corvilnius hinzu und ich zog meine Augenbrauen zusammen. Ich warf ihnen misstrauische Blick zu, doch aus ihren Augen sprach nur Ehrlichkeit. Ob sie mich manipulierten? Verzweifelt griff ich mir an den Kopf. Ich wusste doch, wer ich war. Das mussten alles Lügen sein. »Der König wird es niemals gestattet, dass ich das Schloss verlasse« erwiderte ich schließlich. Das waren alles leere Worte. Der König misstraute Anns Onkel, das wusste ich aus eigener Erfahrung. Niemals würde er ihm mich anvertrauen. »Lasst das meine Sorge sein« - »Ich kann den Prinzen nicht verlassen«
Ich merkte, wie sich Corvilnius anspannte und ich verkrampfte mich noch mehr. Er hatte geweint. Er brauchte mich. Ganz gleich wie sehr ich es mir wünschte, durfte ich meinen Geliebten nicht im Stich lassen.
»Ganz wie Ihr wünscht«


2 Monate später

Ich griff mir an den Kopf, als ich Corvilnius Unruhe spürte. Manchmal kam es mir so vor, als hätte er meinen Geist durch Zwang geöffnet, damit ich alles wahrnahm und versuchte jetzt, es mir wieder abzugewöhnen. »Verzeih« ich sank vor ihm in einen Knicks, um seinen stechenden Blick abzuwehren. Ich konnte mich nicht gegen das Kribbeln in meinem Bauch wehren, dass mich jedes Mal überkam, wenn er so entschlossen durch die Tür Schritt. Oder gegen den Schauer der mich überlief, wenn er seine Hände auf mich legte oder lachte. Es kostete mich einige Anstrengung, dass alles vor ihm zu verbergen und ich war mir nicht ganz sicher, ob er es nicht wusste und es nur aus Höflichkeit nicht ansprach.
»Lacrima« seine Stimme jagte mehrere Schauer über meinen Rücken. »Blockier es«, forderte er und ich zuckte zusammen. Bis ich seine Gedanken bemerkte, die auf mich zuströmen. Sie waren laut, zornig und voller Sorge. Spätestens jetzt hätte ich mich zur Wehr setzen müssen, doch sie trafen mich wie Fausthiebe.
Sie gehört mir! - Degradier sie nicht zu einem Spielzeug, mein Prinz
Mein Geliebter mit blutunterlaufenen Augen und gebaltet Fäusten
Corvilnius mit einem Schutz, um die Gedanken des Prinzen nicht aufzufangen.
»Wage es nicht, ...«
Ich riss mich selbst aus dem Strudel und ich riss meine Augen einen Moment lang auf. »Er schein wütend zu sein«
»Ich auch!«
Corvilnius stampfte mit seinen Füßen auf den Boden und begann unruhig auf und ab zu wandern. »Er hat kein Recht ...« - »Er hat jedes Recht« Ich legte meinem neuen Freund die Hand auf die Schulter und spürte den Schauer, der mich dabei überlief. Beinahe hätte ich die Hand zurückgezogen, aber ich merkte, dass die Geste ihn beruhigte.
»Du weißt, dass ich es niemals in Frage gestellt habe, seine Geliebte zu sein. Zwinge mich nicht dazu«
»Aber das ist es gerade. Ich weiß, dass du nicht die Wahrheit sagst!«
Er wandte sich blitzschnell zu mir um, sodass meine Brust beinahe die Seine berührte. Ich erschrak, als ich dem intensiven Blau seiner Augen begegnete, aber wich trotzdem nicht zurück. »Siehst du« flüsterte er.
Das Knallen einer Tür ließ uns auseinanderfahren.
»Ich wusste es« die wütende und leise Stimme des Prinzen drang zu uns herüber und schlang sofort die Arme um meinen Körper. »Du willst sie!« kreischte er und hastete durch den Raum. Seine Schritte glichen dem Stampfen eines Elefanten im Vergleich zu Corvilnius raubtierhaftem Gang.
»Mein Prinz«, flüsterte ich und sank sofort in einen Knicks. Ein Strom aus Gedanken kam mir entgegen und zum ersten Mal schaffte ich es, mich davon abzuschirmen. Meine Reaktion schien ihn zu beruhigen, denn er griff nach meiner Hand und zog mich auf die Beine. Noch bevor er auf Corvilnius losgehen konnte, stellte ich mich an seine Seite und legte meinen Kopf auf seine Schulter. Ich gab mein bestes Corvilnius aus meinen Gedanken auszuschließen. Er durfte nicht sehen, wie verunsichert ich war.
»Ich ziehe mich zurück, Hoheit« bot Corvilnius an und der Prinz nickte grimmig. »Eins noch, mein Prinz. Wäre sie so überzeugt von Ihrer Liebe zu Euch, hätte sie mich nicht gerade aus Ihrem Kopf gestoßen«
Die Stille der zufallenden Tür hallte unheimlich laut wieder. Ich wusste nicht, was ich dazu sagen sollte. Hätte ich meine Gedanken beziehungsweise seine Betrachtungsweise meiner Gedanken manipuliert, dann wäre ich wahrscheinlich besser dran gewesen.
Ich verharrte völlig ruhig und still, hoffend, dass sich die Wut des Prinzen legen würde. Er hob meinen Kopf an und bevor sich unsere Blicke begegnen konnten, schloss ich die Augen. »Ich kann es nicht kontrollieren, Hoheit« flüsterte ich und ließ meinen Kopf vorsichtig nach vorne fallen, bis ich seinen Brustkorb an meiner Stirn fühlte. »Das macht nichts« erwiderte er und ich ob langsam meinen Blick.
»Also ... wieso versteckst du dich vor ihm?«, fragte er und ich seufzte auf. In seinen Augen lagen so viel Verwunderung und ich gab mir Mühe, alles andere zu übersehen. Bis ich ein Bild in seinem Kopf aufblitzen sah.
Ein wunderschönes Bild.
Von einer wunderschönen Frau.
»Du siehst sie?« - »Sie ist sehr hübsch« - »Ihr Name ist Anastasia« Ich schluckte mehrere Male und legte meine Hand auf seine Wange. Er glühte. »Wollt Ihr nach oben gehen, mein Prinz?« fragte ich und sah ihn dabei so unverwandt, wie ich nur konnte, an. Eher würde ich meinen Körper dem Teufel verkaufen, als ihn dazu herauszufordern sich zwischen einem jungen, unschuldigen Mädchen und mir zu entscheiden.

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