Kapitel 12
Zum Gruß sank ich vor dem Prinzen in einen tiefen Knicks, der ihm mein Dekolte präsentierte. Der Prinz reichte mir seine Hand und nachdem ich seine Fingerknöchel geküsst hatte, zog er mich auf die Beine. »Du siehst bezaubernd aus«, flüsterte er und ich spürte, wie mir warm wurde. Seine Hände zupften an der schwarzen Spitze in meinem Ausschnitt und ich senkte beschämt den Kopf. Prinzessin Ann erschien gerade in der Tür mit ihrem Onkel. Das wusste Seine Hoheit.
»Könntest du deine Finger bitte von der Hure in Gegenwart deiner Frau lassen«, keifte der Blondhaarige und ich knickste sofort mit einem gemurmelten Hoheit vor Ann. Ich wollte nicht, dass diese Demütigung nötig ist. Aber sie musste in Aufruhr sein, damit ihre Verteidigung schwach wurde.
Der Prinz geleitete mich mit einem frechen Grinsen ins Speisezimmer und ich nahm gegenüber Ann platz. Ich nahm erste Gefühle von ihr in mir auf und bereute sofort, sie mit meinem Aufzug reizen zu wollen. Da war so viel Schmerz, Wut und Angst, dass es mir die Kehle zuschnürte. Ich mochte Ann nicht, aber das hatte sie nicht verdient. »Ich hörte, ihr hattet eine Auseinandersetzung mit unserem Sohn«, lenkte der Prinz das Thema wie besprochen auf Kinder. Ihr Blick huschte zu mir und ich registriere den Spalt, der sich auftat und zwängte mich hinein. Kaum hatte ich Zugang zu ihrem Kurzzeitgedächtnis senkte ich wieder den Blick. Ann würde nur schwer zu täuschen sein.
Sie antwortete irgendetwas, dass sie so aufwühlte, dass ich problemlos alle Erinnerungen aufblitzen lassen konnte.
Bis auf einige Wenige, die sie verschlossen hielt. Ganz sanft stupste ich daran und wartete, ob sie sich zeigen würden. Sie schienen wie weggesperrt zu sein.
»Lady Lacrima?«, ich zuckte zusammen und ließ die Erinnerung schnell los, aber alle Blicke am Tisch wandten sich bereits mir zu. Hoffentlich hatte sie nichts von meinem Eindringen bemerkt. »Warum fragst du mich nicht nach einem Geliebten?« flüsterte Ann und ihr Zorn verwandelte sich plötzlich in Hilflosigkeit. »Bist du schwanger Ann?«, fragte der Kronprinz völlig unverfroren und ich konnte alle ihre Emotionen mitempfinden. Ein kleinwenig Schadenfreude, große Angst und noch viel größeres Ensetzen.
»Nein, Ihr wisst, dass ich unfruchtbar bin«
»Lacrima?«
Der Prinzessin schossen Tränen in die Augen und ich schüttelte stumm den Kopf. »Die Prinzessin sagt die Wahrheit«, bestätigte ich und Ann schnaubte kurz auf. Ich hätte mich nie darauf einlassen sollen, ihren Kopf zu durchstöbern. Schuld überrolte mich und ich ekelte mich vor mir selbst. Der Prinz hätte das alleine mit ihr klären müssen. »Entschuldigt mich, Hoheit«, sie schob ihren Stuhl zurück und das scharren von Holz auf Holz tat mir in den Ohren weh. So verletzt habe ich sie noch nie gesehen. Vielleicht hätte ich besser hinsehen müssen. Zorn nicht mit Angst verwechseln und die Trauer bemerken. »Bleibt hier«, forderte der Kronprinz, doch Ann hatte bereits die Tür erreicht. Sie wandte sich kurz um und ich konnte die Tränen in ihrem Blick sehen. »Ich kann nicht«
»Vielleicht solltet Ihr nach der Prinzessin sehen, Hoheit«, warf ich vorsichtig ein, nachdem wir einen Moment lang geschwiegen hatten. »Misch dich nicht in Dinge ein, die dich nichts angehen, Lacrima«, fuhr der Prinz mich an und winkte einem Diener den ersten Gang aufzutragen. Ich starrte beschämt auf meinen Teller. Wie sollte ich jemals respektiert werden, wenn mich der Prinz vor aller Augen behandelte wie ein Kind. »Eure Gemahlin hat der Tod ihrer Eltern sehr mitgenommen«, verteidigte sie ihr Onkel und der Prinz zog sie Augenbraun nach oben. »Der ganze Hof in England leidet, nicht wahr?«, in dem Moment des Schocks bekam ich einige gesammelte Eindrücke, die aber keinen wirklichen Sinn ergaben. Noch nicht.
Nur Eines ging hervor. Die Queen war am Hof nicht beliebt. Eine Konversation brannte auf und obwohl ich nicht hinhören konnte, vernahm ich deutlich, dass es um Ann ging. Bilder von ihr blitzten in seinen Erinnerungen auf. Traurige und Fröhliche. Aber vor allem viele gemeinsame Erinnerungen. Dieser Mann schien Ann viel mehr ein Vater gewesen zu sein, als es der König je war. Ich grub tiefer und fasste viele seiner Emotionen auf und hatte keine Zweifel mehr. Dieser Mann liebte seine Schwester. Obwohl die beiden eine schwierige Beziehung hatten, fand ich nichts, dass auf den Mord hindeuten könnte.
Es flog noch ein Sessel und ich wurde mit einem Stoß aus seinem Kopf entfernt, der mich aufstöhnen ließ. »Ich würde Ann niemals anfassen«, brüllte er und stürmte aus dem Zimmer. Es war einfach zu schlussfolgern, wobei die beiden Herren an einander geraten waren.
»Er ist nicht Euer Mann, Hoheit«, sagte ich in die Stille hinein, als die wütenden Schritte verhalt waren. »Besprecht das mit Vater!«, wies er mich ungestüm an und deutete Elisei näher zu kommen. Stand er die ganze Zeit schon da? »Bringt Lady Lacrima zum König« - »Hoheit« Ich stellte mich neben Elisei und wir verneigten uns gleichezeitig. So hätte es immer sein können. So wäre es gewesen, hätte ich mich nicht Hals über Kopf in den Thronfolger verliebt.
Es war eine ewige Diskussion mit dem König. Er wollte unzählige Erinnerungen sehen, die ich sofort für kurze Zeit in Kristallkugeln fließen lies. Eine Stunde später war er überzeugt und Elisei brachte mich zu meinen Gemächern im Schloss.
Ich getraute mich nicht ins Bett, da ich den Prinz in seiner sowieso schon gereizten Stimmung nicht noch mehr verärgern wollte. Wenn es mir möglich gewesen wäre, hätte ich mich irgendwo verkrochen und meine Wunden geleckt.
Die Tür flog mit einem Schlag auf und die Welle der Wut konnte ich bis hierher spüren. Was hatte ihn bloß so verärgert? Ohne ein Wort zu Sagen trat ich näher auf ihn zu und wartete, ob er etwas sagen wollte oder ob er einfach wieder ging. Anstelle zog er mir mein Nachtkleid über den Kopf und drängte mich Richtung Bett. Ich starrte auf seine Brust, da ich die Wut in seinen Augen nicht sehen wollte. Weder die Wut, noch die Angst, noch den Zorn und schon gar nicht die Ursache. Wenn es mir irgendwie möglich gewesen wäre, hätte ich mich versteckt.
»Bitte tut mir nicht weh«, flüsterte ich schließlich, als er sich sein Hemd über den Kopf zog. Mir stiegen Tränen in die Augen. Warum musste ich immer alle seine Stimmungen ertragen? »Ich kann nicht anders«, antwortete er und entledigte sich auch seiner Beinkleider.
Es tat es lieblos, hart, schnell, aber zum Glück nicht schmerzhaft.
Aber trotzdem tat es meiner Seele weh, wie er mich von sich stößt.
Zumindest seelisch. Körperlich könnte er mir nicht näher sein.
Er stand zögerlich vor meinem Bett, in dem ich mich hilflos zusammengerollt hatte. Der Prinz war kein angenehmer Weggefährte, wenn er erst einmal richtig wütend war. Als er sich seine eigenen Kleider wieder anzog, kroch ich zum Kopfpolster und zog die Decke über mich. »Das wollte ich nicht«, hörte ich ihn plötzlich sagen und er trat an das Bettende. Vorsichtig streichelte er mir über die Wangen und da erst spürte ich, dass ich weinte. »Es ist in Ordnung, Hoheit«, erwiderte ich und er drückte seine Lippen kurz auf meine Stirn. Ich zog meine Beine noch ein wenig enger an, weil ich mich trotz der Bettdecke nicht wirklich wärmen konnte. »Frierst du?«, fragte er kurz und ich nickte vorsichtig. Er schien sich einigermaßen beruhigt zu haben. Sein Feuer war erloschen. Das positiv und negativ sein kann,
Der Prinz legte eine Hand um mich und zog mich näher an sich, damit er mich wärmen konnte. Bleierne Müdigkeit legte sich über mich und damit wurde ich unvorsichtig. Wie automatisch schien ich mich ihm anzuschmiegen, damit ich seine Wärme übernehmen konnte.
»Seine Hoheit hat mir mitgeteilt, dass Ihr den Kronprinzen im Garten antreffen dürft«, teilte mir Elisei mit, als mir eine meiner Kammermädchen gerade die Haare einflocht. Mühsam versuchte ich meine Gesichtszüge zu beherrschen, damit er meine Freude nicht sofort wahrnahm.
Im Eiltempo verließ ich meinen Trakt des Schlosses und trat in die sonnigen Gärten hinaus. »Früher war ich jeden Tag hier«, erzählte ich Elisei und er zog überrascht die Augenbraun hinauf. »Wann war früher?« - »Als ich mit meinem Sohn schwanger war« Er konnte genügend Rückschlüsse ziehen um zu verstehen, wann es ungefähr gewesen sein musste.
Mein Sohn ritt gerade auf einem mittelgroßem Braunen durch den Park. Ein zweiter, erwachsener Mann begleitete ihn, der seine Haltung korrigierte. Ich nahm auf einer Bank im Schatten platz und als ich für einen Moment die Augen schloss, konnte ich beinahe die Tritte eines Babys in meinem Bauch fühlen.
»Lacrima« Ich wandte mich überrascht um und sah Ann auf mich zukommen. Vorsichtshalber sank ich sofort in einen Knicks und sie reichte mir ihre Hand zur Begrüßung. »Ich mischte mich gestern in Dinge ein ... Bitte verzeiht mir, Hoheit«, endete ich schließlich zögerlich. Eine simple Entschuldigung war ehrlicher als jede Rechtfertigung. Denn es tat mir wirklich leid. »Ich habe Seine Hoheit auch einmal geliebt«, erwiderte sie völlig unerwartet und ich lächelte leicht. So Milde habe ich sie noch nie erlebt. »Ich verdenke es Euch nicht seinen Wünschen nachgekommen zu sein« setzte sie nach und wandte ihren Blick ebenfalls meinen Sohn zu.
»Ich möchte, dass wir Freunde sind«, fuhr sie fort und ich beherrschte mich, keinen unüberlegten Laut von mir zu geben. Was hatte der Kronprinz gestern mit ihr gemacht, damit sie mir heute ihre Freundschaft anbot. Oder vielleicht glaubte sie lediglich so weiterer Spionage zu entgehen. »Wie Ihr wünscht, Hoheit«
Ich sah sie von der Seite an, aber sie wich meinem Blick geschickt aus. »Wo habt Ihr gelernt, wie man etwas von einem Seher verbirgt?«, fragte ich schließlich, während wir uns beide auf den Jungen konzentrieren. Oder es zumindest vortäuschten. Denn meine Gedanken kreisten um die geschlossene Tür in ihrem Kopf gestern. »Als Ihr Euch ins Anwesen zurückgezogen habt« entweder wollte sie es nicht zugeben, dass ich ihretwegen in einem Anwesen festgehalten wurde, oder sie wusste es nicht, »kam ein anderer Seher. Er brachte mir bei, wie ich es merken würde, wenn er in meinem Kopf war. Aber ich habe es nie beherrscht, Dinge zu verbergen. Zumindest nicht vor ihm«
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