Wichtelpäckchen 11 ⭐
Reisender
präsentiert von Jevan2020
🎁 Weihnachtsmarkt · azurblau · Dominosteine · anstupsen 🎁
Kalter Wind begleitete den Mann in die Bar mit dem heulenden Wolf als Logo. In diesem Moment verstummten alle Gespräche. Der Fremde war groß, schlank, trug einen grauen dreiteiligen Anzug und er war ein Mundi. Die wenigen Mundis, die sich jemals ins Hunter's Moon verirrten, kamen nur wegen der Livemusik. Heute gab es keine.
Das auffällige Schweigen wurde von einem kräftigen dunkelhäutigen Mann hinter dem Tresen unterbrochen. Ein Geräusch, wie ein Knurren brachte die anderen Gäste aus ihrer Trance und gemurmelte Gespräche füllten wieder die Atmosphäre.
Mycroft Holmes unterdrückte gekonnt ein Lächeln. Wie immer war seine gleichgültige Maske perfekt als er auf den Mann am Ausschank zuging. Er kannte seine Wirkung auf andere sehr genau. In Jahrzehnten hatte er exakt diese Aura trainiert und perfektioniert. Und so hatte ihn die Schweigeminute in keiner Weise in seinem Vorhaben beirrt.
Auch ohne sein vorzügliches Training hätte er sagen können, dass der Barkeeper hier eindeutig das Sagen hatte.
"Guten Abend. Bitte geben Sie mir ein Glas von ihrem besten Whiskey, ohne Eis." Mit diesen Worten zog er seinen dunklen Mantel aus und legte ihn zusammen mit dem obligatorischen Regenschirm und dem hellgrauen Seidenschal auf einen der freien Barhocker am Ende des Tresens. Er setzte sich genauso akkurat daneben und sah den Barkeeper direkt an.
"So schicke Geschäftsmänner kommen selten in unsere Bar.", sagte Luke beiläufig, während er den bestellten Whiskey vor dem Fremden absetzte. Statt zu antworten, zog der Brite eine Augenbraue hoch und blickte ihn auffordernd an.
"Touristen verirren sich nicht in diese Straße, so weit ab von den Sightseeing-Punkten. Und die großen Firmen sind alle mindestens zehn Blocks entfernt. Da sind eine Menge Pubs auf dem Weg hierher." Er machte eine kleine Pause, ließ seinen Blick über die anderen Gäste schweifen, die immer wieder neugierig zu den beiden sahen, aber offensichtlich noch genug Getränke hatten. "Also, wie haben Sie das Hunter's Moon gefunden? Stehen wir jetzt in einem Hipster-Reiseführer?"
Eine hochgezogene Augenbraue zeigte, dass der Fremde sich ganz bestimmt nicht als Hipster identifizierte. "Ich vermeide Touristenrouten, wenn ich eine Stadt besuche. Meistens habe ich wenig Zeit, die muss ich nicht zwischen Selfies und Tourguides verbringen."
Er zog vorsichtig eine kleine Schachtel mit schokoladigen Vierecken aus seiner Manteltasche und stellte sie zwischen die beiden ungleichen Männer. "Ich komme gerade von einer Konferenz und einer meiner amerikanischen Kollegen hat mir diese geschenkt." Luke schaute etwas skeptisch auf die kleinen schwarzen Würfel. "Probieren Sie einen. Das sind Dominosteine." Er schob die kleine Packung noch ein Stückchen weiter zu dem breitschultrigen Schwarzen.
"Normalerweise bevorzuge ich Printen. Die besten habe ich vor einigen Jahren auf einem Weihnachtsmarkt in Aachen gegessen."
"Aachen?"
"Eine beschauliche Stadt auf dem europäischen Kontinent."
"Also kommen Sie aus Europa?"
"Großbritannien. London um genau zu sein."
Mit langen Fingern nahm Mycroft einen der Würfel und biss ihn vorsichtig entzwei. Fast als wollte er dem anderen zeigen, dass sie nicht vergiftet sind. "Es war ein ziemlich einfallsloser Versuch mich auf seine Seite zu ziehen. Als Polizist kennen sie das Problem mit den Bestechungsversuchen ja.", fuhr der Brite fort.
Lukes Überraschung war kaum zu erkennen, nur seine Pupillen schienen einen Moment grün zu glitzern, während er den ungewöhnlichen Gast genau musterte.
"Woher wollen Sie wissen, dass ich nicht nur der Barkeeper bin?", fragte er leise. Er hatte das Gefühl, dass mehr hinter diesem Gespräch steckte, aber er konnte den aalglatten Fremden nicht fassen.
"Oh, ich sehe viele Dinge, die den meisten nicht auffallen.", erzählte Mycroft weiter als würde er sich mit Ms. Hudson über die besten Scones-Rezepte austauschen. Er blickte demonstrativ durch die Bar, bevor er Luke wieder direkt in die Augen sah.
"Zum Beispiel der große Kerl mit der Lederkutte am Pooltisch, Glatze, nicht die hellste Flamme auf dem Kuchen, trägt einen azurblauen String und versucht, seitdem ich hier bin den dunkelhaarigen Lockenkopf von seinen Vorzügen zu begeistern. Sie ist ihm offensichtlich überlegen, auch wenn er das noch nicht verstanden hat."
Luke grinste kopfschüttelnd. "Ja, Maia hat es faustdick hinter den Ohren."
Die beiden wurden von einer Bestellung unterbrochen und Mycroft nutze die Gelegenheit um sein eigenes Glas auffüllen zu lassen. Die kleine Verpackung mit den Weihnachtsleckereien anstupsend bedeutete er Luke sich wieder zu ihm zu setzen.
"Wie kommt es, dass der Rudelalpha selbst hinter dem Tresen steht?", fragte der Brite diesmal direkt heraus. Bevor Luke jedoch antworten konnte, sprach er allerdings weiter: "Nun ja, das ist nicht mein Anliegen, sie werden schon ihre Gründe haben, Mr. Garroway. Oh, bitte setzen Sie sich wieder. Ich bitte Sie nur um eine kleine Information."
Die Augen des Briten waren eisklar und kalt geworden, keine Spur des teuren Alkohols zu erkennen. "Ich suche eine magisch begabte Person, die einen kleinen Zauber für mich vornehmen könnte." Luke hatte sich nicht wieder zu ihm gesetzt, sondern stand mit verschränkten Armen vor dem Fremden und auch die anderen Barbesucher hatten die Anspannung in ihrem Alpha bemerkt.
Neben seinen breiten Schultern erschien der Lockenkopf und sah den Briten finster an. "Und wie kommen Sie darauf, dass es hier jemand gäbe, der ihnen Zaubertricks vorführen will?", fragte Maia zynisch.
"Ich suche keine gewöhnlichen Tricks und ich versichere eine mehr als angemessene Bezahlung." Mit diesen Worten schob Mycroft zwei Scheine unter sein leeres Glas auf denen deutlich mehrere Nullen zu erkennen waren.
"Ich würde es bevorzugen, wenn wir unser Gespräch ohne großes Publikum fortsetzen." Mit einer kleinen Geste deutete der Reisende auf die neugierigen Wölfe, die sich hinter ihm versammelt hatten.
Einen Moment sah Luke ihn scharf an. Verdammt, er hätte seinem ersten Instinkt folgen und den Fremden einfach in eine andere Bar schicken sollen. Jetzt war es zu spät das ohne großes Aufsehen zu tun. Mittlerweile hatten sich fünfzehn Männer um den Anzugträger versammelt und beobachteten das Gespräch. Und den Briten schien das nicht im Geringsten zu stören. Er musste ganz andere Bedrohungen gewohnt sein.
"Hier gibt es nichts zu sehen.", sagte er laut in die Runde und die Männer verteilten sich langsam wieder zu ihren Plätzen. Natürlich hatten sie die Geldscheine gesehen und Luke war sich sicher, dass bereits der erste Hexenmeister eine SMS mit einem Tipp bekommen hatte. Er musste zumindest ein paar Informationen aus dem eisglatten Mann herausbekommen.
Er nickte Maia zu, die wortlos die Theke übernahm und setze sich neben den Fremden mit den eisigen Augen. "Also, ich bin etwas verwirrt. Wieso glauben Sie hier einen Magier zu finden?" Vielleicht war das ganze doch nur ein schlechter Scherz.
"Ich wiederhole mich ungern. Aber um mich unmissverständlich auszudrücken: ich suche keinen Taschenspieler, sondern einen Hexenmeister. Einen, der weiß was er tut und gute Arbeit für ein entsprechendes Honorar leistet."
"Und warum glauben Sie diesen hier zu finden?"
"Nun ja. Der Hohe Hexenmeister von London und ich hatten vor ein paar Monaten ein kleines persönliches Zerwürfnis wegen meines Bruders. Unerfreuliche Geschichte. Im Zuge dessen hat er seinen Gemeindemitgliedern ans Herz gelegt nicht mehr mit jemandem aus unserer Familie zusammen zu arbeiten. Ich habe über Umwege ein paar offene Gefallen eingefordert und bekam den Tipp hierher zu kommen."
Eisige Augen sahen direkt in grün flackernde. Luke versuchte mit stoischer Miene den Briten nieder zu starren.
Nach einer halben Ewigkeit fiel irgendwo hinter Mycroft ein Glas zu Boden und beendete ihren unausgesprochenen Machtkampf unentschieden.
„Lassen Sie mich konkreter werden.", nahm er das Gespräch wieder auf.
„Ich suche eine magisch begabte Person, die einen ganz bestimmten Dämon beschwören kann. Asiatisches Erscheinungsbild, royales Auftreten, viktorianische Kleidung. Ein sehr eleganter Mann mit Gehstock. Wir hatten bereits einmal das Vergnügen. Vor ein paar Jahren in Baskerville war eines seiner Haustiere entlaufen."
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Vielen Dank, dass ich bei Eurem Adventskalender mitmachen durfte. Dieses Crossover-Paar schwirrte mir schon lange im Kopf herum und eure Weihnachtspäckchen habe mir endlich die richtige Idee für die beiden beschert. Eine kleine Szene mit offenem Ende. Wie immer - nehmt meine Geschichten nicht zu ernst, sondern mit einem Augenzwinkern :-)
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