6. Dezember
🎅🏻 Fröhlichen Nikolaustag! 🤶🏻
Dunkelheit schleicht sich in die Gassen, während du auf der Suche nach Auri an allerhand geschmückten Fachwerkhäusern, beleuchteten Cafés und tratschenden Dorfbewohnern vorbeikommst.
Allmählich wird es kalt, deine Hände sind schon ganz rot, doch du bist noch immer fest entschlossen, dieses seltsame Mädchen zu finden.
Wie Soley und Elina auf sie reagiert haben, hat dich ganz schön verwirrt und irgendwie auch überrascht, und du willst herausfinden, was hinter all dem steckt. Du machst dir gerne dein eigenes Bild von Leuten und gerade Menschen wie Auri, die sich irgendwie von der Masse abheben, faszinieren dich. Trotz allem scheint sie jedoch gelernt zu haben, in der Masse unterzutauchen, denn es braucht eine ganze Weile, bis du sie findest.
Als es schließlich soweit ist, ist es schon stockfinster, nur die beleuchteten Läden und Straßen weisen dir noch den Weg.
Auri sitzt auf einer Bank, am Rande des Dörfchens und blickt hinaus in die dunklen, verschneiten Berge und in den Himmel, an dem sich nun zwischen Wolkenfetzen der ein oder andere Stern zeigt.
Wie sie so da sitzt, ganz allein und versunken in ihrem übergroßen Mantel, tut sie dir irgendwie leid. Du weißt nicht, was mit ihr los ist und warum die anderen sie so meiden, aber gerade in der Weihnachtszeit denkst du, sollte niemand einsam sein.
Und so fasst du dir ein Herz und setzt dich leise, um sie nicht zu stören, neben Auri auf die Bank.
Sie zuckt merklich zusammen, als sie dich bemerkt, scheint nicht ganz zu wissen, was sie davon halten soll.
„Ist das okay, das ich hier sitze?" fragst du deshalb schnell, was sie erneut zusammenfahren lässt, dann schließlich, nachdem sie dich ungläubig gemustert hat, nickt sie langsam.
„Ist okay." sagt sie leise. „Bin es nur nicht gewöhnt, dass sich jemand neben mich setzt..."
„Das versteh ich nicht..." antwortest du, doch sie reagiert nicht darauf. Stattdessen sieht sie wieder hinauf zum Sternenhimmel. Du folgst ihrem Blick.
Die Wolkendecke ist leicht aufgerissen und über dir glitzert und funkelt es, wie tausend Diamanten. Es ist wirklich wunderschön, nur Auri kannst du immer noch nicht einschätzen.
„Manchmal, wenn ich mich einsam fühle, dann stelle ich mir vor, wie es da oben bei diesem wunderschönen Stern wäre." sagt sie schließlich. „Manchmal träume ich sogar davon. Dann verspüre ich einfach einen tiefen Frieden und pures Glück. Dann ist die Welt nicht mehr dieser kalte Ort."
Du nickst langsam. Noch immer weißt du nicht, was du von ihr halten sollst. Sie ist wirklich seltsam. So distanziert, so tief in Gedanken versunken. So seltsam traurig und einsam.
Sie ist wirklich nicht „normal". Sie ist „anders".
Doch was an ihr „dumm, naiv" und „hässlich" sein soll, kannst du beim besten Willen nicht verstehen.
„Dein Wichtelgeschenk war sehr schön." sagt du dann und stellst dich währenddessen schon auf komplizierte, vielleicht auch empörte Fragen ein, doch Auri lächelt einfach nur, ohne den Blick vom Nachthimmel zu nehmen.
„Danke" sagt sie. „Eigentlich hat mich niemand gefragt, ob ich mitmachen will. Aber ich habs trotzdem mitbekommen und wollte was machen. Ich hab einfach so viele Geschenke hier im Dorf gesehen. Und dann hab ich einfach was gemacht und jemanden beschenkt, der es auch verdient hat." Ihr Lächeln wird breiter. Du musst nun ebenfalls lächeln.
„Welches war dein Lieblingsgeschenk?" fragst du sie. „Ich hab nämlich auch ein paar gefunden, aber natürlich längst nicht alle."
„Das für Schneesee." erwidert Auri und streicht sich ihren Schal glatt. „Das war einfach sehr liebevoll gemacht, und irgendwie auch inspirierend. Ich kann es dir beschreiben wenn du willst, sah ungefähr so aus..."
„Voll schön!" stimmst du ihr zu, als sie geendet hat.
„Ich kann verstehen, dass es dir gefallen hat. Wobei es mich wundert, dass du dich für eines entscheiden kannst! Ich fand bisher alle Geschenke toll!"
Auri lacht leise und kurz, löst dann zum ersten Mal wieder ihren Blick vom Himmel und sieht dich etwas verlegen an.
„Ich hab eigentlich auch mehrere Favoriten." gibt sie zu. „Das Geschenk für Karuna_Hoshi war zum Beispiel auch wunderschön. Eigentlich denke ich das aber bei allen. Es ist einfach ein kurzer Moment Frieden und Glück, wenn du es siehst. Das Geschenk von gerade eben lautete zum Beispiel ungefähr so..."
- Blauhimmelgedanken-
Er lag da und starrte in den Himmel. Die fluffigen Schäfchenwollknäuel schritten nur sehr langsam voran, sie waren müde. Sie machten müde. Und der Himmel war so hypnotisierend blau... Ihm fielen die Augen zu. Er selbst fiel.
***
Das erste, was er bemerkte, war der weiche Geruch. Wie Luft, Seifenblasen und Zuckerwatte. Unter ihm rumorte es, und er vernahm ein Geräusch, das entfernt an ein Schaf erinnerte. Aber die Melodie eines Liedes hatte sich untergemischt, er meinte, "Morgen kommt der Weihnachtsmann" zu erkennen.
'Wo bin ich hier?!'
'Du bist im Himmel', mähte es neben seinem Ohr.
Er öffnete erschrocken die Augen und schaute in ein rundes Schafsgesicht. An den Ohren hingen kleine Glöckchen, die leise die Musik zu dem Weihnachtslied klingelten.
'Ich bin ein singendes klingendes Schaf, und kann nur in Gedanken mit dir reden. Ich heiße "Morgen kommt der Weihnachtsmann", das ist nämlich das Lied, an das meine Schäfs bei meiner Geburt dachten. Deswegen klingeln meine Lebensglöckchen auch so. Und wer bist du?'
Es wartete die Antwort gar nicht erst ab. 'Du bist Hanz, ein Gedankenblauer. Ich weiß nicht genau, was das ist, aber du kannst uns auf jeden Fall in deinen Träumen besuchen!' Ihre Glöckchen klingelten aufgeregt.
Er sagte lange nichts. Dann:'Kann ich dich Melody nennen?'
Ihre runden Augen leuchteten auf. 'Yippie!! Das ist toll', hauchte sie. 'Ich zeige dir mal den Himmel', meinte sie plötzlich. 'Siehst du, er ist gar nicht nur blau, grau oder schwarz. Siehst du seine Farben?'
Und er sah. Er sah grüne Ruhe, gelbe Fröhlichkeit. Weiße Sanftheit, rotes Temperament. Auch kleine schwarze Flecken und Streifen, die sich durch das alles zogen.
'Niemand ist ganz perfekt und niemand hat nur schöne Gedanken'
***
'Willst du auf mir reiten?' Ihre Augen funkelten, und er stieg auf. Sie galoppierten auf dem Himmel, schnell. Aber plötzlich stoppte Melody. Ein trauriger Ton, der tief in die Seele traf, erklang. Das Schaf ließ die Ohren hängen, ihre Glöckchen klingelten traurig.
'Das ist ein Todeslied. Irgendwo hier geht gerade ein singendes klingendes Schaf.' Ihre Augen waren vor Trauer groß und mit Tränen gefüllt. 'Wenn ein Gedankenblauer das Lied bis zum Ende hört, kann er den Himmel nicht mehr verlassen. Aber wenn er währenddessen geht... Darf er den Himmel nie mehr betreten.'
Kann man ein Schaf lieben? Er wusste, dass er Melody jede einzelne Sekunde vermissen würde, ihre Augen, ihre Art, ihre Glöckchen, die "Morgen kommt der Weihnachtsmann" klimperten.
'Melody'. Er nahm mit seinen Händen ihren Kopf. 'Ich könnte dich nie verlassen. Ich liebe dich'
Ihre Augen glänzten. 'Wirklich?'
'Wirklich'.
Die letzten Töne des Liedes verklangen. Er drückte ihr einen leichten Kuss auf den Kopf.
'Jetzt regnet es auf der Erde', flüsterte sie.
***
Die Mutter trat aus dem Haus, es war spät.
"Hanz?", rief sie. Er war rausgegangen und noch nicht wiedergekommen. Sie spürte leicht den einsetzenden Regen auf ihrer Haut.
" Hanz?", rief sie abermals, besorgter.
Lag dort auf der Wiese nicht etwas?
Sie ging dorthin, mit einem leicht beklemmenden Gefühl in der Brust.
Das war er, seine Kleidung. Sie beugte sich vor, ihre Lippen öffneten sich zu einem stummen Schrei.
Seine Haut war faltig.
Er lag da und starrte in den Himmel.
Wärst du gerne ein Gedankenblauer?
Du lächelst sie an. „ Wunderschön." stimmst du ihr zu. „Diese Geschenke machen mich aber auch glücklich. Nicht nur, weil sie wunderschön sind, sondern auch, weil sie Freude bereiten."
Auri nickt. „Es ist nur schade, dass ich keines bekommen werde." seufzt sie dann. „ Aber damit hatte ich schon gerechnet." fügt sie hinzu, als sie deinen bestürzten Blick sieht.
„Die Welt ist kalt. Und die Wärme ist eben nur für die Menschen gedacht, die auch was mit ihr anfangen können." Sie zuckt traurig mit den Schultern.
Du aber, schüttelst den Kopf. „Nein." entgegnest du ihr. „Wärme ist gerade für die Menschen da, die verlernt haben, sie zu spüren."
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top