Es ist kühler geworden und langsam färbt sich der graue Himmel über dir rot. Malerisch geht die Sonne über deinem Kopf unter, während du deinen Streifzug durch Nolaya fortsetzt und fröstelnd die Arme vor dem Körper verschränkst.
Es ist noch kälter, als du gedacht hast, und von den Wichteln, von denen du dachtest, hier so viele zu sehen, hast du auch noch keinen gefunden.
Allgemein fragst du dich, was deine aus purer Langeweile entstandene Schnapsidee überhaupt sollte. Eigentlich könntest du jetzt gemütlich zuhause im Bett liegen. Doch auch das hast du dank der Langeweile aufgegeben.
Bei jedem Schritt schmatzt der Schneematsch unter deinen Füßen und langsam aber sicher beschließt du, umzukehren. Ein heißer Tee wäre jetzt das Richtige für dich, oder auch eine warme Badewanne mit duftendem Schaum.
Gerade wendest du dich um, in Richtung Heimat, als dir doch noch etwas ins Auge sticht.
Es ist eine kleine Christbaumkugel in Form eines rotwangigen Wichtels, die im Vorgarten eines Hauses an den gedrillten Zweigen einer Korkenzieherweide baumelt.
Nun hellt sich deine Miene doch noch auf und neugierig gehst du näher.
Am Fuße des Baums, direkt unter dem Anhänger, liegt ein kleines Schächtelchen. Auf seinem Deckel steht „Für Eihpossa". Unwillkürlich musst du grinsen.
Vorsichtig, um ja nicht aus versehen etwas kaputt zu machen, öffnest du es.
Wieder bist du bezaubert, wie schön dieses Wichtelgeschenk ist. Es macht dich glücklich, zu sehen, dass es offenbar doch noch so etwas wie Nächstenliebe in der Welt gibt, die die Leute durch ihre Kreativität und Arbeit zum Ausdruck bringen.
Auch du hast schon immer gerne gebastelt und bei jedem Wichtel fragst du dich, was du denn wohl dein Partner dazu sagen würde.
Lächelnd klappst du das Kästchen wieder zu und erhebst dich. Doch schon in der nächsten Sekunde lässt dich ein strenges Räuspern hinter dir zusammenfahren.
„Was machst du da?"
Überrascht drehst du dich um. Das Mädchen hinter dir mustert dich von oben bis unten.
„Hab ich dich erschreckt?" fragt es.
„Ein bisschen." gibst du zu. Im Stillen gestehst du dir ebenfalls ein, dass sie hübsch ist.
Ihre langen, blonden Haare wallen wie flüssiges Gold über ihre Schultern und ihre blauen Augen funkeln seltsam hell unter ihrer rosafarbenen Wollmütze hervor.
„Tut mir leid." entschuldigt sie sich nun. „Ich sehe es nur nicht gerne, wenn fremde Leute im Nachbargarten herumstöbern."
Du zuckst zusammen. Daran hast du nicht gedacht.
Auch du entschuldigst dich nun, folgst ihr auf die Straße und stellst dich ihr vor.
„Ich war nur neugierig auf das Wichtelgeschenk." erklärst du.
Sie muss lachen und nickt wissend.
„Wer ist das nicht?" meint sie verständnisvoll und streicht sich ein paar Haare aus dem Gesicht.
„Ich bin übrigens Fiona."
Du lächelst zurück und schon kurze Zeit später seid ihr in ein angeregtes Gespräch vertieft. Sie erzählt dir von sich und ihrer Familie, von ihrem Freund Luca, und dass sie alle ebenfalls beim Wichtel mitmachen.
Stolz zeigt sie dir ihr Geschenk für Silberduft und lädt dich ein, es mit ihr zu verstecken.
Du sagst natürlich nicht nein, findest es wundervoll und gemeinsam schlendert ihr durch die immer dunkler werdenden Gässchen Nolayas zu einem Haus eher außerhalb.
Wie die meisten Häuschen in eurem Dorf ist es ein altmodisches Fachwerkhaus, mit einem kleinen Vorgarten voller Gartenzwerge mit Schneemützen auf dem Kopf und halb erfrorenen Blumen unter den Fensterläden.
Fiona klemmt ihr Geschenk mit einer kleinen Wäscheklammer, auf der das Bild eines Wichtels thront, ans Klingelschild des Hauses und dreht sich dann zufrieden lächelnd wieder zu dir um.
Du lächelst zurück und zeigst mit dem Daumen nach oben. Du magst sie, ihr versteht euch gut und mit einem Blick in den nun finsteren Himmel verabredet ihr euch für den nächsten Tag am Marktplatz und verabschiedet euch.
Fiona will dir morgen auch Luca vorstellen und wie du nun so nach Hause gehst, denkst du, dass sich die Weihnachtsstimmung nun wohl doch noch einstellen wird.
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