1. Dezember
Abenddämmerung hängt über Nolaya und taucht alles in ein rötliches Licht. Die vielen Fachwerkhäuser erscheinen malerisch vor der unendlichen Weite der verschneiten Berge, fast, als wären sie direkt aus einem Märchen entsprungen und auch die leise Weihnachtsmusik, die durch die Straßen weht, fügt sich ins Bild, wie ein Schlussakkord in eine melancholische Symphonie.
Eine kühle Brise zerzaust deine Haare, als du deine Schritte dem Rathausplatz zuwendest. Leicht fröstelnd ziehst du deinen Schal enger, während Schneeflocken auf deinem Gesicht schmelzen.
Irgendwie scheint alles so perfekt. Nur du passt nicht so ganz ins Bild.
Es ist Dienstag, der erste Dezember und alle versuchen, Weihnachtsstimmung vorzuheucheln, nur bei dir will sie sich nicht so wirklich einstellen. Warum auch? Es ist ja noch fast einen ganzen Monat Zeit, bis Weihnachten.
Ein wenig mürrisch und schlecht gelaunt kommst du schließlich dort an, wo du hin willst, beim Weihnachtsmarkt, den die Leute hier am Rathausplatz aufgebaut haben.
Lachende Gesichter tauchen zwischen den Ständen auf, der Geruch nach Crêpes, Langos und Waffeln liegt in der Luft, doch irgendwie verschwimmt es alles vor deinen Augen.
Kurz überlegst du, ob du dich ebenfalls in diesen Strom aus Leuten quetschen willst, und entscheidest dich dann lieber dagegen. Es ist dir zu voll und zu gutgelaunt hier.
Deine Hände verschwinden noch tiefer in deinen Jackentaschen, als du dich frustriert nach einem Ort umblickst, an dem du es aushalten würdest. Du hast nichts besseres zu tun, als hier irgendwo ein bisschen Zeit totzuschlagen und schließlich setzt du dich auf eine Bank am Rande des Getümmels und siehst den Leuten zu, wie sie sich nach kleinen Geschenken für ihre Lieben umsehen, und doch nichts kaufen, weil sie sich nicht hundertprozentig sicher sind.
Du weißt genau, wie das am 23. Dezember enden wird und innerlich verdrehst du die Augen.
„Furchtbar, dieser Stress, nicht wahr?" fragst du einen Jungen, der sich schweigend neben dich gesetzt hat und noch griesgrämiger dreinschaut als du. Eigentlich weißt du gar nicht, ob das so eine gute Idee war, aber an sich hast du wieder nichts besseres zu tun und so musterst du ihn einmal heimlich.
An sich wirkt er ziemlich unsympathisch, denkst du. Seine dunklen Haare hängen ihm strähnig ins Gesicht, seine Klamotten sind durchweicht von Schnee und in der Hand hält er ein Messer und eine kleine, halbfertige Schnitzerei. Mit ausdrucksloser Miene blickt er kurz zu dir rüber und widmet sich dann wieder wortlos dem Schnitzen.
Du findest das verdammt unhöflich, gibst so leicht aber nicht auf und ergreifst erneut das Wort.
„Und das nennen die besinnliche Weihnachtszeit. Das ich nicht lache!" Doch wieder erhältst du keine Reaktion.
Verärgert lehnst du dich zurück und schweigst nun ebenfalls.
Eine Zeit lang beobachtest du wieder die Passanten und die dünne Schneeschicht auf dem Pflaster, die sich unter den Schuhen der anderen in eine widerlich gräuliche Pampe aus Schneematsch verwandelt, dann sagt der Junge plötzlich etwas.
„Ist für ein Geschenk für Firaes. Ich wollte es an die Figur binden und ihr vor die Tür stellen."
Überrascht blickst du auf und siehst, dass er dir die fertige Schnitzerei und einen Zettel unter die Nase hält. Verdattert nimmst du sie entgegen.
Die Schnitzfigur hat die Form eines kleinen Wichtels und der Zettel ist schon sorgsam eingerollt worden.
Fragend siehst du ihn an und als er nickt, rollst du ihn auf, um zu sehen, was draufsteht.
───※ ·❆· ※───
Frohe Weihnachten erst einmal Firaes.
Lange habe ich überlegt, was ich in meinem ersten Brief an dich schreiben soll. Zumal ich dich in echt gar nicht kenne, deshalb habe ich überlegt erst einmal 10 Fakten über mich zu erzählen.
Ich bin verrückt nach Süßem. Das ist zwar total klassisch, aber ich liebe, liebe, liebe einfach Süßes. Deshalb ist es erstaunlich, dass ich trotzdem eher ein schlanker Mensch bin. Aufgrund meiner kleinen Sucht nach Süßem bin ich auf jeden Fall oft in der Küche am rumexperimentieren und ‚Weihnachten' benutze ich dann oft als Ausrede, um wieder backen zu können.
Lesen ist meine große Leidenschaft! Ich lese schon seit ich mich erinnern kann und meine Lieblingsbücher sind „Herr der Ringe", „Cinder und Ella", „Percy Jackson", „Harry Potter", die Reihe des „Nicholas Flamel", die „Tribute von Panem" und „Perfectly broken." Falls du jetzt keines dieser Bücher gekannt hast, muss ich übrigens leider unverzüglich den Kontakt abbrechen. 😉
Apropos Bücher. Ich habe da so eine bestimmte Liste von Filmen und Serien, die man unbedingt Mal gesehen haben musst, also falls du über die Feiertage nichts zu tun hast, schau dir unbedingt mal „Liebe braucht keine Ferien", „Drei Nüsse für Aschenbrödel" und das „Leben des Brian" an. Diese Filme sind wirklich richtig klasse! Ich schaue sie eigentlich jedes Jahr über die Feiertage.
Das mir schon bei Punkt vier nichts mehr einfällt, ist irgendwie bedenklich... Nun ja, ich gebe mein Bestes. Also da ich so dermaßen kreativ bin, nenne ich dir jetzt einfach Sachen, für dich ich mich interessiere, praktiziere und unterstützte. (Hoffentlich klingt das jetzt nicht hochnäsig) Also ich bin Feminstin, lebe fast vegan, aber auf jeden Fall vegetarisch, bin Mitglied bei Fridaysforfuture und schreibe auf Wattpad meine eigenen Bücher, möchte aber später damit auch Geld verdienen.
Ich bin Buddhistin. Keine Ahnung, ob das irgendwie interessant für dich ist, aber ich finde die Lehren des Buddhas so lebenbereichernd.
Ich habe rote Haare. (Einfach mal irgendein belangloser Fakt)
Ich liebe ktischige Sachen. Bei Blumenmustern bin ich verloren und ich liebe Traditionen, besonders an Weihnachten. Je rührender sie sind desto besser.
Ich glaube an die wahre Liebe.
Manchmal finde ich das Leben einfach nur zermürbend, aber dann sage ich mir immer, dass ich eine Kämpferin bin und Kämpfer geben eben niemals auf.
Ich finde es wirklich lustig, wenn wir wirklich Brieffreunde werden würden.
Ja, das waren die zehn Fakten über mich und jetzt ist es natürlich nur fair, wenn du dich ebenso vorstellst. Was isst du am Liebstem? Was sind deine Lieblingsbücher? Bist du gläubig? In welcher Hinsicht bist du verrückt?
Ich hoffe, dass wir voneinander hören werden und ich wünsche dir frohe Weihnachten. Alles, alles gute und vielleicht haben wir ja beide eine Freundin mehr im neuen Jahr...
Deine Gladiolenschein.
───※ ·❆· ※───
„Wow." sagt du, als du fertig bist. „Das ist schön."
Der Junge lächelt leicht.
„Danke." sagt er. „Weißt du, ganz Nolaya veranstaltet ein Wichteln. Wir beschenken uns gegenseitig und damit man erkennt, dass es innerhalb des Projekts passiert, kennzeichnen wir es mit einem Wichtel.
Siehst du das Bild dahinten zwischen den Kisten vor diesem Stand?"
Du nickst.
„Da hängt auch ein Wichtel dran." fährt der Junge fort. „Zwar aus Papier und nicht aus Holz, wie meiner, aber ein Wichtel. Den hat der Wichtel von hllnzforever2010, der Standbesitzerin da versteckt."
Du musst unwillkürlich lächeln. „Schöne Idee!"
Der Junge nickt. „Ich weiß sogar was drauf ist." sagt er. „Es sieht ungefähr so aus..."
Dein Grinsen wird breiter. „Die Idee ist toll." sagst du, danach stellst du dich ihm endlich einmal vor.
Er lächelt zurück und reicht dir die Hand.
„Ich heiße Aron." antwortet er. „Aber jetzt sollte ich los, und mal fleißig Wichteln."
Du nickst, lächelst, verabschiedest dich und als Aron sich erhebt und geht, siehst du, wie sich seine Maske der schlechten Laune zurück auf sein Gesicht schleicht. Oder war einfach die gute Laune nur eine Maske?
Du weißt es nicht, dieser seltsame Junge hat Rätsel in dir hinterlassen, ebenso wie Neugier. Und du beschließt, nach weiteren Wichtelgeschenken in Nolaya zu suchen.
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