● weihnachten mit der familie ●

„Hey Opa! Kannst du mir bitte die Butter reichen?“ rief meine kleine Schwester unserem Großvater zu. Es wunderte mich zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr, wenn er den Blick in die Gegenwart warf, doch Mutter schien immer besorgter über ihn zu werden. „Papa? Kannst du Annelise bitte die Butter reichen?“, musterte sie ihn eindringlich und tippte ihm besorgt auf die Schulter. „Ähm, Ähem“, räusperte er sich. „Wie bitte mein Schatz?“ „Kannst du deiner Enkeltochter bitte die Butter reichen?“ „Aber natürlich! Aber sag mir Mathilda, warum schauen die dich alle so eindringlich an?“, konnte ich ihn noch leise und bedacht fragen hören. „Ach Papa. Vermutlich habe ich nur etwas zwischen den Zähnen“. Man konnte die schleichende Verzweiflung in ihrer Stimme förmlich spüren. Meine Schwester Annelise war schon immer etwas ungeduldig. Genau aus diesem Grund setzte sie noch einmal auf ihre Frage an: „Darf ich jetzt die Butter haben, oder nicht?“ Typisch Annelise. Bei Hausarbeiten, war sie immer die erste, die sich auf ihr Zimmer verkroch und sich dem Zeichnen widmete. Ich aber war da eher anders. Von klein auf hat meine Familie mir alle Aufgaben zugeschoben. Ich fühlte mich schon immer wie das schwarze Schaf in der Herde. Dieses Weihnachten war es nicht anders. Ich musste in der letzten Weihnachtswoche fünf Tage lang zehn Stunden am Stück arbeiten. An Pause konnte ich schon gar nicht denken. Weder an Pause, noch daran, das Weihnachtsessen vorzubereiten. Ich frage mich bis heute wie meine Mutter auf die Idee kommen konnte, dass wir dieses Weihnachten bei mir verbringen sollten. Am Ende kam es, wie es kommen musste. Ich nahm am 23. Dezember um 23 Uhr all meine Kraft nochmal zusammen und bereitete das Essen, die Dekoration, den Plastik-Weihnachtsbaum, den ich mir von dem letzten Händler an der Ecke gekauft hatte und die Geschenke vor, die ich noch zu verschenken hatte. Ich nahm mir all meine Kraft zusammen, weil ich nicht wieder der letzte in der Familie sein wollte. Um neun Uhr morgens weckte mich zu meinem Schreck nicht mein Wecker, denn der hatte aus einem unerklärlichen Grund den Betrieb eingestellt, sondern meine Türklingel. Ich hatte echt das Frühstück mit der Familie vergessen. Ich zog so schnell es ging meine Kleidung an und rannte nach draußen. Den restlichen Tag, bis hin zum Abend musste ich mir Kommentare dazu anhören, was für ein Langschläfer ich doch bin und dass ich doch mal endlich Verantwortung übernehmen sollte. So ging der Tag vorüber und wir saßen am Abendtisch mit den Erbsen, dem gesalzenen Basmatireis und der, mit kandierten Äpfeln gefüllten Gans und meiner kleinen Schwester, die ihren Reis von mir gereicht bekommt. „Wisst ihr?“, fing ich leise an, „Weihnachten ist der Tag der Freude und nicht der Vorwürfe. Lasst uns das Essen genießen und anschließend die Geschenke auspacken, ja?“ „Du hast recht!“, setzte meine kleine Schwester an, ohne groß die Miene zu verziehen. So aßen wir das restliche Essen auf und genossen den Abend. Als meine Mutter mich fragte, weshalb ich gesagt habe, dass wir das Essen genießen sollten, erklärte ich ihr, dass ich jetzt einen gut bezahlten Job habe und die ganze Nacht noch damit verbracht habe das Weihnachtsfest vorzubereiten, bei so gut wie keiner Freizeit, nahm sie mich in den Arm und bedankte sich. Die nächsten Weihnachten feierten wir wieder bei mir, doch dieses Mal genossen nicht nur meine Schwester und ich das Essen. Auch meine Mutter zeigte uns, dass Weihnachten nun eine ganz neue Bedeutung für sie hatte. Leider konnte mein Großvater dieses Fest nicht mehr miterleben, doch ich glaube Fest daran, dass er mir seinen Geist für das Weihnachtsfest geliehen hatte.

geschrieben von Terrasneb

●●●

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top