● die briefe ●

Mein Liebling,
ich wünsche dir einen wundervollen Nikolaustag und dass all deine Wünsche heute in Erfüllung gehen. Sag, wie geht es Mieke und Miriam? Sind sie neugierig und wollen die Welt entdecken, so wie du damals? Ich würde dich und deine Kinder so gerne besuchen kommen. Vielleicht klappt es nächstes Jahr. Bis dahin schreibe ich fleißig weiter Briefe an dich in der Hoffnung, dass du mir irgendwann einen zurückschickst. Wie geht es deiner Mutter? Läuft sie immer noch mit Krücken oder hat sie mittlerweile eingesehen, dass ihr Körper das nicht mehr aushält? Ich mochte deine Mutter. Wahrscheinlich, weil sie mir ihre Liebe immer gezeigt hat. Mittlerweile denke ich, dass du meine nicht einmal erwidert hast. Tag und Nacht denke ich über dich nach, Kleine. Darf ich dich denn noch so nennen? Du bist erwachsen und ziehst unsere Kinder ganz alleine auf. Ich denke du wirst immer meine Kleine bleiben, auch wenn du es schon damals nicht mochtest, wenn ich dich so nannte. Kannst du dich noch an den 6. Dezember vor vier Jahren erinnern? Das Jahr, in dem du mit den Zwillingen schwanger warst? Klar kannst du dich daran erinnern, ich meine, es war unser 6. Dezember. Unser Nikolaustag. Aber willst du dich daran erinnern? Wir waren auf dem Weihnachtsmarkt in der Stadt und es gab weit und breit nur ein einziges Ständchen, wo auch Rosé-Glühwein verkauft wurde und wir waren so stolz, dass wir es gefunden haben. Natürlich hast du keinen Glühwein getrunken, um die Kleinen zu schützen. Und dann habe ich auch keinen getrunken, um dich nicht neugierig auf den Geschmack zu machen. Um dich nicht in Versuchung zu bringen. Wir standen einfach vor dem Ständchen und blickten uns verliebt in die Augen. Ich wünschte, alles wäre so wie damals. Dann könnte ich Mieke und Miriam aufwachsen sehen, mit ihnen spielen und herumtoben. Ich könnte ihnen von unserem perfekten Nikolaustag erzählen und sie jährlich mit zum Weihnachtsmarkt nehmen. Ich könnte all die Dinge tun, die du mit ihnen getan hast. Nur wären wir vereint. Wir wären wieder beieinander und so unzertrenntlich wie damals. Manchmal frage ich mich was passiert wäre, wenn ich nicht in diese Schießerei geraten wäre. Ich weiß, dass ich nicht unschuldig daran war, aber mein Beruf hatte rein gar nichts mit den Gefühlen zu dir zu tun. Das musst du mir glauben, Liebes. Ich war Hals über Kopf verliebt in deine Schönheit und in deinen Mut, deine Waghalsigkeit und Spontanität, in deine Verliebtheit. Ich habe mich verliebt in deine Verliebtheit. Wie du mich angesehen hast, mit deinen mir in die Seele starrenden Augen. Du konntest sie wortwörtlich lesen. Meine Seele. Und wie du dich in meiner Nähe verhalten hast. Deine errötenden Wangen, jedes Mal, wenn ich sie berührte oder über sie strich. Ich liebte meine Gefühle dir gegenüber. Nein, ich liebe meine Gefühle dir gegenüber, denn ich liebe dich noch immer. Nach vier Jahren in denen du nichts von dir und deinen Kindern hören lassen hast, mich nicht besuchen kamst, liebe ich dich immer noch. Ich weiß, dass ich schrecklichen Mist gebaut habe, aber ich dachte wir wären erwachsen. Dass du erwachsen bist und einsiehst, dass jeder Mensch Fehler macht. Wir ware noch so jung, als wir zueinander gefunden haben. Vergib mir meine jugendliche Leichtigkeit. Heutzutage würde ich mich auf keine illegalen Geschäfte mehr einlassen. Ich hoffe, dass du das weißt. Ich frage mich, ob meine Kinder über mich Bescheid wissen. Oder ob du ihnen erzählt hast, dass ich derjenige bin, der sie nicht sehen möchte. Vielleicht stellst du wirklich mich als den Schuldigen dar. Oder vielleicht hast du ihnen auch die Wahrheit erzählt. Ich möchte nicht mehr darüber nachdenken. Ich möchte nur die Hoffnung nicht verlieren, dass du vielleicht doch eines Tages hier auftauchst und mich rettest. Rettest aus diesem schwarzen Loch und mich wieder in deine farbenfrohe Welt der Liebe und Zuneigung eintauchen lässt. Mir Mieke und Miriam vorstellst. Noch wären sie jung genug, um die vier Jahre, die sie nun ohne mich auf der Welt sind, zu verdrängen. Ich könnte ihnen ein richtiger Papa sein. Ich würde ihnen meine Welt schenken. Ich würde dir meine Welt schenken, das habe ich dir oft genug gesagt und geschrieben. Ich hoffe, dass du das niemals vergisst. Wenn du dich neu verliebt hast, dann bin ich dir nicht böse. Vier Jahre sind eine lange Zeit. Vielleicht besuchst du mich deshalb nicht. Vielleicht bist du deshalb nicht bereit, meine Kaution zu bezahlen, obwohl du mehr als genug Geld von deinem Opa geerbt hättest. Ich weiß, dass du das Geld nicht für mich ausgeben musst, aber die ersten Tage hier habe ich wirklich geglaubt, dass du jeden Moment hier auftauchst und mich hier herausholst. Ich habe mich getäuscht. Wie so oft in meinem Leben. Ich dachte deine Liebe wäre so stark wie meine. Nun gut, ich will dich nicht länger aufhalten, Kleines. Wir haben bald Weihnachten, das Fest der Liebe. Feier schön mit deinen, unseren, Kindern. Feier mit deinen Eltern, deinem Freund oder Ehegatten. Feier mit deiner Familie das Fest der Liebe. und wenn du diesen Brief vielleicht doch öffnest und liest, dann überleg dir, ob du mich vielleicht mit den Kleinen besuchen möchtest. Über die Feiertage. Ich würde mich riesig freuen.
In Liebe,
dein Liebster.

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Mein Liebling,
wir haben Januar. Du bist nicht aufgetaucht. Weder in der Woche, in der mein Brief bei dir ankommen sollte, noch in den Wochen darauf. Ich glaube nicht, dass du ihn gelesen hast und auch nicht, dass du diesen hier lesen wirst. Aber du wirst schnell merken, dass das mein letzter Brief sein wird. Ich hoffe, du bist nicht traurig, dass dein Postfach nicht mehr mit Umschlägen deines Ex-Geliebten überfüllt ist. Ich hoffe, es ist dir egal. Denn dann fällt es mir leichter. Nachdem du mich nicht besucht hast, habe ich beschlossen mit dir abzuschließen. Nicht mit den Kindern. Falls ich hier irgendwann freigelassen werde, sind die Kinder meine Priorität. Aber ich werde dir nicht mehr nachlaufen und sinnlose Briefe an eine Person schicken, die zu stolz dafür ist, sie zu öffnen. Zu stolz, etwas von sich hören zu lassen. Das ist nicht mehr meine Aufgabe. Ich bin dabei abzuschließen. Ja, ich schließe ab.
In Liebe,
dein Ex-Geliebter.

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