25.12.16; 1. Weihnachtsfeiertag
Irgendetwas kitzelte mich an der Nase. Und das so nervend penetrant, dass es mich sogar aus meinem komaähnlichen Schlaf holte.
Nicht gewollt diese Tatsache zu akzeptieren, wedelte ich brummend vor meiner Nase herum und merkte nur noch, wie sich irgendetwas bewegte, gefolgt von unterdrücktem Kichern.
Fest dazu entschlossen alles um mich herum zu ignorieren, sei es ein Mörder oder nur mein Nachbar, der sich da einen Spaß erlaubte, wälzte ich mich trotzig einfach auf die andere Seite und zog die Decke wieder fest um mich, um den wohligen Schlaf zu begrüßen.
Kurz bevor meine Gedanken jedoch wieder ins Land der Träume abdriften konnten, setzte dieses Kitzeln wieder ein - dieses Mal an meinem Nacken.
Mit einem unheilverkündenen Zucken an meiner Wange schlug ich meine Augen auf und wollte Ryan eine letzte Chance geben... Doch genau diesen Moment suchte er sich aus, wieder in leises Kichern auszubrechen, sodass ich mein inneres Morgen Monster nicht mehr unter Kontrolle halten konnte.
Knurrend schmiss ich mich in einer Bewegung auf ihn, wobei es kurz an meinen Haaren ziepte, deren Spitzen er genutzt hatte um mich zu kitzeln, als er überrascht losließ.
Wahrscheinlich verdankte ich auch genau diesem Überraschungsmoment, dass ich es schaffte mich rittlinks auf ihn zu setzen und seine Hände über seinem Kopf zusammenzuhalten.
"Hör auf!"
Erstaunt blinzelte Ryan einmal zu mir nach oben während ich heftig atmend auf ihn runter blickte, bevor sich dieses spitzbübige Lächeln auf seinem Gesicht ausbreitete, dass ich ihm, je nach Laune, am liebsten austreiben oder von den Lippen wegküssen wollte.
Und als hätte dieser Gedanke den ersten Stein zum Rollen gebracht, fielen mir plötzlich wieder die wenigen Minuten der gestrigen Nacht ein, bevor ich eingeschlafen war.
Und vielleicht war es auch nur Schuld des Alkohols, aber der kurze keusche Kuss, den ich ihm aufgedrängt hatte, erschien mir in meiner Erinnerung wie ein gewaltiges Feuerwerk. Dabei hatte ich mich wahrscheinlich auch noch völlig tollpatschig angestellt, mal ganz davon abgesehen, dass mein Verhalten völlig unangebracht gewesen war.
Errötend beeilte ich mich von Ryan herunter zu krabbeln und viel dabei prompt vom Bett herunter. Doch statt wie sonst immer mein Ungeschick zu zelebrieren, indem ich kurz auf dem Boden liegen blieb und einfach mich selbst verfluchend an die Decke starrte, rappelte ich mich dieses Mal sofort auf, was gar nicht so leicht war, da ich ja noch immer meine Sachen von gestern an hatte. Da hätte sich Joyce gleich die Mühe sparen können, mir extra Schlafklamotten herauszusuchen...
Mir mit einem Mal des schalen Geschmacks in meinem Mund sehr bewusst und dem eklig pelzigen Gefühl auf meinen Zähnen, drehte ich mich rasch um, um zur Tür zu huschen, insgeheim froh darüber eine Ausrede zu haben, nicht mehr mit Ryan in einem Raum sein zu müssen.
"Ich geh mal ins Bad!"
Zum Glück lag dieses direkt gegenüber des Schlafzimmers, denn mein Gedächtnis ließ mich leider im Stich, was die kurze Rundführung Joyce gestern anbelangte, sodass ich nicht tausende Türen ausprobieren musste.
Im Schutze des geschlossenen Raumes angelangt, spritzte ich mir erstmal Wasser ins Gesicht, um das Glühen meiner Wangen zu bekämpfen, allerdings nur mit mäßigem Erfolg.
Danach stütze ich mich mit den Händen auf dem Waschbecken an und zwang mich dazu das Chaos in meinem Kopf zu sortieren, indem ich mich selbst im Spiegel anstarrte.
Okay, ich hatte also Ryan geküsst.
Positiv an der Sache war, dass er sich zumindest bisher deswegen nicht seltsam Verhalten hatte.
Schlecht an der Sache war, dass selbst jetzt noch die Erinnerung ein Prickeln in mir auslöste.
Es hatte mir also gefallen, auch wenn der Kuss nichts besonderes gewesen war. Aber war das denn so wunderlich? Meine letzte Liebesbeziehung lag schon etwas zurück und körperliche Nähe war nun mal schön. Allerdings fühlte es sich mehr als nur falsch an, das Gefühl was Ryan in mir auslösen konnte damit abzuschreiben. Denn wenn ich mal ehrlich war, schaffte Ryan es mich zum Lächeln zu bringen, selbst wenn er am anderen Ende des Raumes stand, also ganz ohne Körperkontakt. Er schaffte es einfach immer diesen einen Punkt zu treffen, der mich vom Pessimisten zurück zu meiner Lebensfreude brachte.
Desto länger ich darüber nachdachte, umso schneller schlug mein Herz, bis ich mir wieder Wasser ins Gesicht spritzen wollte. Doch da fiel mir über den Spiegel die Dusche hinter mir ins Auge und ließ mich inne halten, bevor ich den Wasserhahn aufdrehen konnte.
Wäre es dreist, wenn ich...
Zwei pinke Handtücher auf einem Hocker neben der Duschkabine stachen mir ins Auge. Die waren wohl kaum für Ryan gedacht, mal davon abgesehen dass genau die gleichen Exemplare nochmal in dunkelblau daneben lagen.
Kurz entschlossen schälte ich mich aus meinem Kleid und beeilte mich unter die Dusche zu kommen, in der Hoffnung, das Wasser könnte einmal meinen ganzen Kopf durch spülen.
Gewisser Maßen gelang das auch oder zumindest kam ich zu dem Entschluss, dass es auch nichts nützte alles zu zerdenken.
Ryan war ein Freund und nein, ich hätte nichts dagegen, wenn sich daraus vielleicht mehr ergeben würde, aber für den Moment war ich ihm schon dankbar genug für alles was er getan hatte.
Meine Güte, er hatte es mir ermöglicht Heilig Abend zu genießen.
Plötzlich fest entschlossen ihm zu zeigen, was mir das eigentlich alles bedeutete, trocknete ich mich im Schnelldurchgang ab und schlüpfte gezwungenermaßen wieder in die alten Sachen. Ich erinnerte mich gerade so noch daran, als erstes Zähne zu putzen, bevor ich wieder aus dem Bad stürmte.
"Ryan, ich wollte dir nochmal..."
Durch mein unvermitteltes Hereinstürmen hatte dieser natürlich nicht mit mir rechnen können, sodass er gerade davon hochsah seinen Gürtel zu schließen... Oberkörperfrei wohlbemerkt.
Ich stoppte mitten im Satz und blieb zugleich wie angewurzelt stehen.
Ryan schien die Situation viel besser aufzunehmen als ich, denn er warf mir einfach nur ein Zwinkern zu und schnappte sich ein frischen Pulli, um ihn überzuziehen.
"Du wolltest...?"
"Ich wollte..."
Mein Verstand war noch immer nicht wieder richtig in die Gänge gekommen.
"Du wolltest?"
Lachend kam Ryan auf mich zu, sobald er sich den Pulli übergezogen hatte, und packte mich an den Schultern, um mich raus auf den Gang und zur Treppe hin zu dirigieren.
Dass ich dadurch ihn nicht mehr direkt anschauen musste, half dabei mich wieder zusammeln.
"Äh, ja, also ich wollte dir noch einmal danke sagen. Ohne dich würde ich wahrscheinlich zu einer verbitterten alten Katzenlady werden."
Dass ich mich im Humor flüchtete war wohl das Zeichen schlecht hin dafür, was für ein Angsthase ich war, aber der kurze Druck von Ryans Händen zeigte, dass er mich trotzdem verstanden hatte.
"Da hast du auch schon den Grund für meine Mühe. Ich bin gegen Katzenhaare allergisch."
Oben im Haus war schon alles voller Leben. Sam flitzte zu Ryan, kaum dass wir die letzte Stufe erklommen hatten und beschoss ihn mit seinem neuen Starwas-lego Raumschiff.
Ryan, voll in seinem Element, stieg natürlich sofort mit ein und da ich nicht unnötig im Weg herumstehen wollte, ging ich weiter in die Küche, in der Joyce und Grace bereits beide herumhantierten.
"Guten Morgen, Maggie! Gut geschlafen?"
Grace lächelte mir zu, während sie einen Schluck aus ihrem Wasserglas nahm und auch Joyce wandte sich kurz von der Kaffeemaschine ab, um mich zu begrüßen.
"Ja danke, ich hoffe ihr auch?"
"Oh ja, höchstens zu kurz."
Grace versteckte ein herzhaftes Gähnen und warf mir einen neidischen Blick zu, als ihre Mutter mir eine volle Kaffeetasse reichte.
"Den Kaffee vermisse ich einfach am meisten."
"Es ist ja nicht für immer", aufmunternd legte Joyce ihr eine Hand auf die Schulter, bevor sie wieder an mich gewandt fragte: "Möchtest du etwas frühstücken?"
Mein Magen knurrte sofort beschwerend, noch immer überlastest von dem Festmahl des vergangenen Abends. Allein der Gedanke daran schon wieder etwas zu essen, verursachte mir Übelkeit.
"Ach was, nein, nein, das wäre jetzt wirklich zu viel..."
"Zier dich nicht Kind! Was willst du? Rührei, Müsli, Brötchen?"
Abwehrend hob ich die Hände als Joyce schon nach einem Pfannenwender Griff.
"Nein, bitte! Ich will keine weiteren Mühen machen und generell...!"
"Du bist doch keine Mühe! Ein Omlett ist doch gleich gemacht!"
"Äh..."
Okay, ich sollte mich wohl klarer ausdrücken, aber irgendwie fühlte ich mich gerade völlig überfordert, weshalb sich Ryan auch keinen besseren Augenblick hätte aussuchen können, um zu uns zu stoßen.
"Maggie, lass dir von Mom bloß nichts andrehen. Keiner von uns bekommt nach dem gestrigen Abend noch etwas runter. Für gewöhnlich esse ich erst morgen um die Zeit wieder etwas."
Den Pfannenwender noch immer in der Hand wedelte Joyce abwehrend in Richtung ihres Sohnes. "Jetzt übertreibst du aber auch!"
Trotzdem schien sie nicht mehr fest entschlossen mir etwas zum Frühstück zu zubereiten und wandte sich wieder ihrem Kaffee zu.
Um bloß nicht wieder in Bedrängnis zu kommen, schob ich mich immer weiter zurück, bis ich gegen Ryan stieß, um zusammen mit ihm aus der Küche zu entschwinden. Dabei Griff ich unauffällig nach seiner Hand, einfach weil ich nicht widerstehen konnte, und murmelte leise: "Danke."
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